Neue AbgasmessungEinschränkungen beim Angebot bei Porsche – kein Verkaufsstopp

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Das Porsche Logo.

Stutgart – Peinlicher geht es nicht. Ausgerechnet die Nobelmarke des größten Autobauers der Welt schafft die verschärften Abgasvorschriften nicht: Porsche muss Bestellungen von Neuwagen im Online-Konfigurator bis auf Weiteres stoppen. Die Volkswagen-Tochter scheitert daran, seine Fahrzeuge rechtzeitig mit einem neuen Partikelfilter auszustatten.

Produktionskapazitäten bis September ausgebucht

Der Reihe nach: Vom 1. September 2018 an gelten in Europa für alle neuzugelassenen Pkw schärfere Normen bei den Abgaswerten. Der neue Standard hört auf den Namen WLTP. Das steht für Worldwide Harmonized Lights Vehicles Test Procedures (WLTP). Auf Deutsch in etwa: Weltweit harmonisiertes Testverfahren für Leichtfahrzeuge. Darunter fallen alle Personenwagen hierzulande. Die bisherigen Grenzwerte etwa für das giftige Stickoxid bleiben zwar bestehen. Aber sie werden nach einem strengeren Verfahren ermittelt. Und das macht den Technikern von Porsche offenbar schwer zu schaffen.

Porsche teilte am Freitagnachmittag mit, man mache „ seine Modellpalette fit für die künftig gültigen Abgasnormen gemäß des neuen Prüfzyklus WLTP“. Vorübergehend komme es „zu einem eingeschränkten Modellangebot“.  Ferner hieß es, der Verkaufsstopp habe mit dem hohen Auftragsbestand zu tun. Die Produktionskapazitäten seien bis September ausgebucht. Nun werde alle Kraft darauf konzentriert, die vorliegenden Bestellungen abzuarbeiten, um diese Fahrzeuge vor dem 1. September neu zulassen zu können.

Bis dahin gelten für alle Neufahrzeuge noch die Bestimmungen nach der alten NEFZ-Norm, die in den 1990er  Jahren eingeführt worden war. Wer also heute einen Cayenne, einen Panamera oder einen 911er bestellt würde, könnte ihn frühestens im Laufe des Septembers für die Nutzung im öffentlichen Verkehr zulassen. Dann muss das Fahrzeug aber die WLTP-Standards erfüllen.

Nach MZ-Informationen gibt es im Porsche-Werk in Leipzig keine Produktionseinschränkungen. Dort soll weiter produziert werden.

Partikelfilter bereitet Porsche-Ingenieuren größte Probleme

Gemessen werden dabei neben Stickoxid, die Werte für Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe und Feinstaub.  Letzterer wird durch Partikelfilter zurückgehalten. Mit diesen  haben die Porsche-Ingenieure aber offenbar größere Probleme. „Die Einführung der neuen Abgasgesetzgebung macht eine Umstellung der Modellpalette auf Ottopartikelfilter (OPF) und eine Neutypisierung bis spätestens 1. September 2018 erforderlich“, teilt das Stuttgarter Unternehmen mit. Es geht nur noch um Benziner. Dieselmotoren für seine SUV hat Porsche schon aus seinem Programm genommen – zu fragwürdigen Stickoxidwerten kommt, dass die Nachfrage nach Selbstzündern wegen drohender Fahrverbote eingebrochen ist.   

Dass Porsche-Fahrzeuge die Vorgaben nicht mehr einhalten können, hängt damit zusammen, dass beim neuen WLTP- Testzyklus  auf dem Prüfstand eine Höchstgeschwindigkeit von 131 Stundenkilometer simuliert wird. Beim alten NEFZ waren es nur 120 Sachen. Der Gesamttest dauert nicht mehr 20, sondern 30 Minuten. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt 46 anstelle von 34 Stundenkilometer. Es wird unter anderem auch bei 14 Grad getestet, bislang waren 20 bis 30 Grad erlaubt. All diese Parameter haben einen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch und auf die Funktionsfähigkeit der Abgasreinigungsanlage. Deshalb braucht diese den zusätzlichen Filter.

Porsche teilt mit: Im Zuge der Umstellung auf den OPF komme es in Europa zu einer „gestaffelten Einführung“ der modernisierten Modelle. „Die hierfür notwendige neue Technologie setzt Schritt für Schritt ein.“  Den Auftakt werde die Sportwagen-Ikone 911 machen.  Offenbar soll die Auslieferung des Sportwagens noch im Herbst wieder aufgenommen werden. Bei den anderen Modellreihen (Cayenne, Macan, Panamera, 718) wird es also länger dauern.

Porsche 718 Cayman

Bei Porsche kommt es vorübergehend „zu einem eingeschränkten Modellangebot“.

Porsche steht mit seinem Problem nicht allein

Es gehe um keinen Verkaufstopp, hieß es am Freitagnachmittag bei Porsche. Wer jetzt einen Neuwagen ordern wolle, könne dies bei einem Porsche-Händler nach wie vor tun, müsse sich aber gedulden. In Medienberichten war am Freitag davon die Rede, dass Interessenten für einen nagelneuen Cayenne oder einen Panamera mindestens bis Frühjahr 2019 warten müssen. 

Wer sich dennoch in den nächsten Wochen einen Porsche kaufen will,  kann allerdings auf schon zugelassene „Bestandsfahrzeugen“ und junge Gebrauchte, die bei den Händlern stehen, zurückgreifen. In den Porsche-Werken wird nach Angaben eines Sprechers ohne Einschränkungen weiter produziert – auch für Märkte außerhalb Europas, wo die neuen WLTP-Standards nicht gelten.  

Das Peinliche  bei dem Gau mit den Partikelfiltern. Über den WLTP wird seit Jahren diskutiert. Die Debatte über seine europaweite Einführung verschärfte sich nach der Aufdeckung des Diesel-Skandals im September 2015. Im Juni 2017 schließlich wurde die entsprechende Verordnung von der EU-Kommission erlassen. Porsche steht indes nicht allein. Auch einzelne Modelle von BMW der Modellreihe X5  oder vom 7er sind betroffen.

Konzernchef Diess spricht von Herausforderungen durch neuen WLTP-Prüfzyklus

Die Probleme im Volkswagen-Konzern mit den Abgasen hatten sich indes schon länger angedeutet. Der überraschend gefeuerte Konzernchef Matthias Müller warnte schon vor Monaten vor technischen Problemen. Sein Nachfolger Herbert Diess wiederholte dies auf der Hauptversammlung des Konzerns Anfang Mai und sprach von der Herausforderung durch den neuen WLTP-Prüfzyklus, ohne Details zu nennen. Diess musste zugeben, dass es unter ungünstigen Umständen „temporär Engpässe in unserem Angebotsprogramm“ ergeben könne, weil Tests nicht rechtzeitig durchgeführt werden könnten, was auch mit der Verfügbarkeit der Technischen Dienste und den Kapazitäten der Genehmigungsbehörden zusammen hänge.

Branchenkenner vermuteten aber schon damals, dass diese Kalamitäten mit schwerwiegenden Problemen bei der Motor- und der Abgasreinigungstechnik zu tun haben.

Schließlich hinkt Volkswagen bei einem weiteren Punkt in Sachen Abgase weit hinter der Konkurrenz her. Bei der strengen Abgasnorm Euro 6D-temp, die von 2019 an für alle Neuzulassungen gilt. Dabei wird der WLTP-Test nicht nur auf dem Prüfstand ermittelt. Hinzu kommen Messungen mit Realbetrieb auf der Straße. Der ADAC empfiehlt allen Autofahrern, die sich einen neuen Diesel zulegen wollen, nur Autos zu kaufen, die jetzt schon die Euro-6D-temp-Ansprüche erfüllen, da diese von möglichen Fahrverboten mit ganz großer Sicherheit ausgenommen werden. Der Volkswagen-Konzern bietet laut aktueller ADAC-Liste aber gerade einmal drei Modelle an, die die strengen Vorgaben erfüllen – zwei Audis (A6, A7) und einen Up-Kleinwagen. Bei anderen namhaften Herstellern sind es erheblich mehr. Etwa bei Mercedes 21 und bei BMW/Mini 18 Modelle.

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