Neuer Chef des Aachener E-Autobauers„Der Wettbewerb für E-Go wird härter“

Das E-Go-Modell Life Sport
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- Nach dem Abgang des Firmengründers Günther Schuh ist Ali Vezvaei neuer Chef des Aachener E-Autobauers E-Go.
- Im Interview spricht er über die Strategie des Unternehmens, neue Fahrzeugmodelle und die Konkurrenz mit VW und Tesla.
- Zudem erklärt er, wie Investoren bei einem Börsengang von E-Go überzeugt werden sollen.
Herr Vezvaei, E-Go hat eine schwierige Zeit hinter sich: unterbrochene Lieferketten auch in Folge von Corona, Produktionsstopp, Insolvenz. Wie haben Sie das Unternehmen bei Ihrem Amtsantritt vorgefunden?Ali Vezvaei: Als ich angefangen habe, war E-Go in einem Transformationsprozess. Das ist normal, wenn sich ein Start-up in der Realität wiederfindet. Denn die kann sehr hart sein, etwa bei Finanzierungsfragen oder der Messung des kommerziellen Erfolges. Dieser Prozess ist jetzt abgeschlossen und E-Go hat sich von einem Start-Up hin zu einem etablierten Unternehmen für E-Mobilität entwickelt. Und die Arbeit geht weiter.
Was waren zu Beginn Ihre ersten Schritte?

E-Go-Chef Ali Vezvaei
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E-Go hat sehr viele Stärken, etwa ein hervorragendes technisches Wissen, Produktions- und Ingenieur-Know-how. Im letzten Jahr sind wir einen weiten Weg gegangen und haben das Geschäftsmodell auf ein wirtschaftliches Fundament gestellt. Wir konnten die Jobs in Aachen sichern und haben heute schon vor dem Start unserer Vertriebskampagne bereits über 100 Fahrzeugbestellungen.
Die Produktion des E-Go Life in Aachen läuft bereits wieder und bald werden schon die ersten Fahrzeuge ausgeliefert. Wir haben auch große Fortschritte bei der Ausweitung unserer globalen Aktivitäten gemacht, zum Beispiel mit der jüngsten Vereinbarung in Bulgarien. Damit konnten wir ein neues Kapitel in der Firmengeschichte aufschlagen. Das sind sicherlich die größten Leistungen des gesamten neuen Führungsteams, die sich dafür einsetzen, das Unternehmen voranzubringen, einen E-Go Life nach dem anderen.
E-Go hatte wie auch andere Autobauer Schwierigkeiten mit unterbrochenen Lieferketten und dem weltweiten Mangel an Computerchips. Wie ist der aktuelle Stand?
Das Unternehmen hatte, wie viele andere Unternehmen, in der Tat Lieferschwierigkeiten, die zum Teil mit Corona zusammenhingen, zum Teil aber auch auf die globalen Unterbrechungen bei der Beschaffung oder Produktion zurückzuführen sind. Wir haben im vergangenen Jahr bereits mehrere Komponenten und Teile beschafft, um sie für den Produktionsstart verfügbar zu haben, das war hilfreich, um einige der Probleme zu bewältigen.
Zur Person
Ali Vezvaei (41) ist Vorsitzender des Verwaltungsrates von E-Go. Er studierte Wirtschaft an den Universitäten in Oxford und Harvard. Nach dem Studium arbeitete er seit 2003 über zehn Jahre in verschiedenen regionalen und globalen Führungspositionen im Nahen Osten für Siemens. 2014 wechselte er zur Linde AG als Präsident der Regionen Naher Osten und Nordafrika. Im Anschluss wechselte er als CEO zum Baukonzern Bilfinger für den Nahen Osten. Seit 2019 ist er Vorstandschef bei der niederländischen Investorengruppe ND, die 2020 die Mehrheit an E-Go übernahm. Im Zuges dessen wurde Vezvaei Vorsitzender des Verwaltungsrates.
Dass die Corona-Krise so lange dauert und hinzu noch der globale Halbleitermangel kommt, konnte niemand vorhersehen. Derzeit sind wir in der Lage, für unsere Kunden zu produzieren. Und wir ordern zusätzlich sehr weit im Voraus, um ausreichend für unsere Produktion vorzusorgen.
Branchengrößen wie VW sind spät ins Elektrozeitalter gestartet und haben nun enorm aufgeholt. Der Wettbewerb ist damit deutlich härter geworden. Wie will ein kleines Unternehmen wie E-Go sich da behaupten?
Sicher, ich persönlich freue mich sehr, dass die Industrie begonnen hat, den Wettlauf zur Klimaneutralität zu beschleunigen; dies ist – unabhängig vom Wettbewerb – das Richtige für unseren Planeten und für unsere Kinder. Das heißt natürlich auch, der Wettbewerb wird härter, aber E-Go hat sich auf ein Segment spezialisiert, das von anderen Autobauern bislang viel weniger beachtet wird – bezahlbare, langlebige und vor allem nachhaltige E-Autos für die Stadt.
VW aber auch Tesla bieten bislang vor allem größere Autos für längere Strecken an. Unser Auto ist zudem Made in Germany mit hervorragender Technik, besonderen Designmerkmalen und einer sehr guten und langlebigen Materialqualität. Der Fokus unseres Konzeptes ist Nachhaltigkeit und Praktikabilität über den gesamten Lebenszyklus.
Gerade ist erst wieder die Produktion in Aachen angelaufen, gleichzeitig kündigen Sie die erste Auslands-Expansion gleich in drei Ländern an. Wie ist das zu stemmen?
Ich habe den größten Teil meines Berufslebens für deutsche Unternehmen gearbeitet und bin der festen Überzeugung, dass deutsche Ingenieurskunst größten Erfolg verdient. Und das gilt insbesondere für E-Go, das nun der erste unabhängige E-Autobauer Europas ist, der sogar bereits Fahrzeuge auf der Straße hat. Mittelfristig wollen wir unser starkes produktions- und technisches Know-How von den hellsten Köpfen Deutschlands in Form eines dezentralen Netzwerks unserer einzigartigen und vernetzen Mikrofabrik in die Welt bringen. Dazu dient unsere Aachener Fabrik als Kompetenzzentrum und Referenzproduktion und ist da, um zu innovieren und zu produzieren. Wir sind mit einer Kooperation in Griechenland gestartet, dann folgten Mexiko und Bulgarien. In diesen Ländern wollen wir die Produktion aufnehmen und die dortige Nachfrage bedienen, indem wir das wettbewerbsfähige Umfeld, die logistischen Vorteile und den Zugang zur globalen Lieferkette nutzen.
Was macht Sie so sicher, dass Sie diese Märkte erobern?
Es ist nicht nur ein Auto, das wir anbieten, sondern eine sehr effiziente Produktionstechnologie. Die neuen Anlagen sollen „cyber-physikalische Zwillinge" der Fabrik in Aachen sein, eine flexible, voll vernetzte Mikrofabrik mit geringen Investitionskosten. Blickt man aus der Perspektive eines Landes auf das Investment, ist es für beide Seiten gewinnbringend. Wir leisten einen Wissenstransfer in diese Länder, helfen sie mit grüner und moderner Technologie zu industrialisieren und schaffen pro Land zwischen 500 bis 1000 direkte Arbeitsplätze, während wir die Gemeinden einbinden, Talente fördern und ein dauerhaftes Vermächtnis hinterlassen. Auf diese Weise gewinnen wir zuverlässige lokale Partner aus dem öffentlichen und privaten Sektor.
Wann soll denn mit dem Autobau im Ausland begonnen werden und welche Stückzahlen sind geplant?
Im bulgarischen Werk in Lovetsch wollen wir im ersten Quartal 2024 starten. Gebaut neben dem Stadtmobil E-Go Life auch das Derivat E-Go Life Cross. Angepeilt wird eine Produktion von 30.000 Autos im Jahr. In Mexiko eignet sich die Mikrofabrik optimal, um nicht nur den wachsenden mexikanischen Markt zu bedienen, sondern später auch weitere E-Go-Standorte auf dem amerikanischen Kontinent mit Komponenten zu beliefern.
E-Go hat drei neue Modelle angekündigt. Können Sie mehr Details nennen?
Wir haben unser aktuelles Modell E-Go Life weiterentwickelt. Der E-Go Life Next, ist eine aktualisierte, limitierte Auflage mit neuem Infotainmentsystem und einigen zusätzlichen Funktionen, wie etwa der Park-Distance-Control. Den E-Go Life Next gibt es nun auch in den Farben bordeauxrot metallic und atlasgrau metallic. Da wir den E-Go Life als Plattform entwickelt haben erlaubt dies uns weitere Derivate schneller und kosteneffizienter zu realisieren. Geplant ist hier zunächst der E-Go Life Sport und der E-Go Life Cross. Beide sind unsere erfolgreichen Vorserienfahrzeuge, die Mitte 2022 auf den Markt kommen sollen. Wir arbeiten derzeit intensiv an der Produktionsreife, denn die Nachfrage nach ihnen ist schon jetzt groß. Darüber hinaus arbeiten wir auch an einer weiteren Plattform für eine größere Variante des E-Go Life.
Sie planen einen Börsengang, wie sollen die Anleger überzeugt werden?
Wir sind fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass E-Go die internationale Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient. Als einer der wenigen unabhängigen BEV-Hersteller, die tatsächlich in Produktion sind, bietet E-Go den Investoren viel mehr Sicherheit als diejenigen, die sich entweder in der Konzeptionsphase oder in der Prototypenfertigung befinden.
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Ich glaube an deutsche Technologie, Innovation und Exzellenz und bin zuversichtlich, dass auch die Investoren ein solides Unternehmen erkennen werden, wenn sie es sehen. Um zu wachsen, brauchen wir Zugang zu den Kapitalmärkten, den wir über eine Börsentransaktion, sei es ein Börsengang oder etwas anderes, erreichen wollen. Wir gehen aber davon aus, dass dies ungefähr in den nächsten zwölf Monaten der Fall sein wird.
Welche Rolle wird Professor Schuh in der weiteren Entwicklung des Unternehmens spielen?
Er war der Gründer, der die klugen Köpfe rekrutierte, die das Start-up aufgebaut haben. Aber es kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo das Gründerteam die Verantwortung an ein internationales Führungsteam weitergeben muss, damit die Firma von einem Start-up-Status zu einem etablierten Unternehmen transformieren und wachsen kann, das professionell geführt wird. Professor Schuh bleibt dem Unternehmen als Anteilseigner verbunden. Wenn das neue Team Rat braucht, wird man auf seine Expertise zurückgreifen. Aber er wird keine aktive Rolle mehr in der Firma und seiner weiteren Entwicklung spielen.