Die Regierungskrise in Frankreich schlägt auf die Wirtschaft durch. Und damit mittelbar auch auf Frankreichs engste Handelspartner. Einer davon ist NRW, und einige Firmen haben ihren Sitz in Köln.
Regierungskrise in ParisSo wichtig ist Frankreich für die NRW-Wirtschaft und den Raum Köln

Nach gerade einmal vier Wochen im Amt tritt Frankreichs Premier Sébastien Lecornu zurück und verschärft damit die Regierungskrise.
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3,4 Billionen Euro Schulden lasten auf Frankreich. In absoluten Zahlen ist das die höchste Staatsverschuldung Europas. Und der Schuldenberg wächst rasant weiter. Denn für 2025 droht ein Haushaltsdefizit von 5,4 Prozent. Im kommenden Jahr soll das Minus laut Prognosen aus dem Pariser Finanz- und Wirtschaftsministerium gar auf über sechs Prozent steigen. Für dringend benötigte Reformen finden sich indes keine politischen Mehrheiten. Die Regierungskrise, die seit mehr als einem Jahr schwelt, hat mit dem Rücktritt von Premierminister Sébastien Lecornu nun einen neuen Höhepunkt erreicht.
Frankreich ist zweitwichtigster Exportmarkt für NRW-Unternehmen
Das trifft die französische Wirtschaft hart. Und mittelbar auch ihre engsten Partner. Zu denen zählt Deutschland und insbesondere die NRW-Industrie. Denn Frankreich ist mit Ausfuhren von knapp 18 Milliarden Euro der zweitwichtigste Exportmarkt für Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen. Nur mit den Niederlanden machen hiesige Exporteure noch mehr Umsatz (26 Milliarden Euro). Zum Vergleich: Nach China führten NRW-Unternehmen im Jahr 2024 Waren im Wert von 10 Mrd. Euro aus und damit kaum mehr als halb so viel wie ins französische Nachbarland.
Maschinen und Chemie aus NRW in Frankreich besonders gefragt
An der Spitze stehen unter den NRW-Ausfuhrgütern Metalle und Maschinen (4,1 Milliarden Euro) sowie Chemische Erzeugnisse (2,9 Milliarden Euro). Entsprechend groß sind die Risiken für die beiden auch im Kölner Raum prominent vertretenen Industrien. Patrick Brandmaier, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer in Paris, kennt Fälle, in denen deutsche Unternehmen schon ganz konkret mit Auswirkungen der chaotischen politischen Lage in Frankreich konfrontiert sind.
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„Insbesondere öffentliche Aufträge verzögern sich“, so Brandmaier, „weil die Budgets für das kommende Jahr noch nicht bewilligt sind oder schlicht die Ministerien nicht handlungsfähig sind, um größere Investitionsentscheidungen zu treffen.“ Das sei etwa im Gesundheitswesen der Fall, wo Apparate und Ausrüstung für Krankenhäuser, auch aus Deutschland, mitunter nicht beschafft werden könnten, sagt Brandmaier gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Ausdruck der Verunsicherung: Sparquote der Franzosen höher als die deutsche
„Stabile Rahmenbedingungen sind in Frankreich derzeit nicht gegeben und es ist auch nicht sicher, wann es wieder zu stabilen Mehrheitsverhältnissen im Parlament kommt“, lautet sein Fazit. Für Brandmaier kommt die französische Regierungskrise auch deswegen zur Unzeit, weil deutsche Unternehmen aufgrund geopolitischer Spannungen gerade im Begriff waren, sich verstärkt ihren europäischen Partnern zuzuwenden. So hat etwa die in NRW ansässige Rethmann-Gruppe erst Ende 2024 die Mehrheit am französischen Mobilitätsdienstleister Transdev übernommen.
„Natürlich erreichen uns viele Anfragen von unseren Mitgliedern in Deutschland“, sagt Patrick Brandmaier. „Die Unternehmer blicken mit Sorge auf den französischen Markt und hinterfragen ihren Export und ihre Geschäftsmöglichkeiten.“ Kein Wunder, denn die Regierungskrise hinterlässt in Frankreichs Volkswirtschaft bereits deutliche Spuren. So halten sich etwa die französischen Konsumenten immer mehr zurück. Ein untrügliches Zeichen: Die Sparquote französischer Haushalte lag zuletzt erstmals seit beinahe 25 Jahren über der deutschen, berichtet Frankreichs Bankenverband.
1100 französische Unternehmen sind in NRW vertreten
Die Verbraucher verhalten sich damit nicht anders als die französischen Unternehmen, auch hier herrschen Skepsis und Investitionszurückhaltung vor. Die französische Notenbank liefert diesen Befund für den September schwarz auf weiß. Auf Basis einer Befragung von 8500 Unternehmen berichtet das Institut von einer „starken Unsicherheit aufgrund der innenpolitischen Situation“.
Das schlägt gewiss auch auf die rund 1100 französischen Unternehmen durch, die in NRW vertreten sind. Darunter etwa die deutschen Töchter des Versicherers Axa, des Autobauers Renault und des Spirituosenherstellers Pernod Ricard, die allesamt ihren Sitz in Köln haben.
„Für eine Abschätzung von Auswirkungen auf die Kölner Wirtschaft ist es noch zu früh“
Um konkrete Auswirkungen auf die Kölner Wirtschaft abschätzen zu können, sei es noch zu früh, sagt die IHK Köln auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Anleihemärkte bilden das ökonomische Risiko indes sofort ab. Zu Wochenanfang lag die Rendite französischer Papiere mit zehnjähriger Laufzeit höher als jene von italienischen Anleihen. An den Finanzmärkten mehren sich somit die Zweifel, dass Frankreich seine Schulden, die sich auf 115,6 Prozent der Wirtschaftsleistung hochgeschraubt haben, langfristig bedienen kann. Zu den Horrorszenarien für die französische Wirtschaft gehört eine Mindestvermögenssteuer von 2 Prozent auf große Kapitalvermögen, die derzeit von den Sozialisten gefordert wird. Die träfe dann möglicherweise auch französische Töchter deutscher Unternehmen.