Rentenpolster für Freiberufler

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  • Viele Selbstständige vernachlässigen die Altersvorsorge – Ein Berliner Start-up will das ändern

Sein eigener Chef zu sein, hat Vorteile. Es bedeutet aber auch, mehr Verantwortung zu haben, vor allem für sich selbst. Denn das gesetzliche Sicherungssystem, das Arbeitnehmer schützt, ist bei Freiberuflern um einiges dünner. So zahlen Selbstständige nicht monatlich in die gesetzliche Rentenversicherung ein – und bekommen am Ende von diesem Kuchen auch nichts ab. Für Selbstständige ist das Thema Altersvorsorge demnach umso wichtiger.

Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt es 4,2 Millionen Selbstständige in Deutschland. 56 Prozent davon arbeiten als sogenannte Freelancer, auch „Solo-Selbstständige“, genannt, also ohne angestellte Mitarbeiter. Dazu zählt der Heilpraktiker, der Übersetzer, die Reinigungskraft. Ein kleiner Teil in besser bezahlten Berufen erreicht hohe Einkünfte, das durchschnittliche Einkommen von Solo-Selbstständigen liegt indes unter dem der Arbeitnehmer, oft im Niedriglohnsektor. Sie alle sind deshalb eher von drohender Altersarmut betroffen – und laut einer aktuellen Studie wissen sie das auch.

„Banken und Versicherungen halten an traditionellen Angeboten fest, die bilden aber die Situation vieler Selbstständiger nicht ab, die flexiblere Produkte brauchen“, sagt Klaus Hurrelmann, Professor an der Hertie School of Governance. „Das zweite Dilemma ist, dass sich viele über private Altersvorsorgeprodukte unzureichend informiert fühlen und dadurch ihrer Aufgabe gar nicht gerecht werden können, genügend vorzusorgen.“ Mit seiner wissenschaftlichen Begleitung hat das Meinungsforschungsinstitut Civey eine Onlinebefragung unter 599 Freiberuflern zwischen 18 und 64 Jahren über die Altersvorsorge Selbstständiger durchgeführt – im Auftrag des Berliner Start-ups Vantik, welches gerade ein speziell für Freiberufler konzipiertes Altersvorsorgeprodukt entwickelt, und es besser machen will: besser informieren und das Produkt besser auf die Lebenssituation von Selbstständigen abstimmen.

Nur 20 Prozent sparen 1000 Euro

Vantik plant, im Herbst dieses Jahres mit seinem Produkt auf den Markt zu gehen, gerade befinden sich die Gründer noch in der Testphase. Kern ist eine flexible Anpassung der Einzahlungen und die Möglichkeit, Beitragszahlungen zu pausieren. Der Versicherte soll außerdem jederzeit wieder kostenlos an sein Geld kommen – auch vor dem Ruhestand. Ein Peer-to-peer-basiertes Modell soll zudem sicherstellen, dass mindestens die eingezahlten Beiträge sicher sind: Das bedeutet, ein Teil der Rendite aller wandert in einen Sicherheitstopf, mit dem garantiert werden soll, dass einzelne Verluste ausgeglichen werden können. Der Einsatz von ETFs, also börsengehandelten Indexfonds mit nur niedriger Verwaltungsgebühr, und ein rein digitaler Auftritt sollen die Kosten gering halten. Ob die Kostenkalkulation gelingt, wenn viele Versicherte vom flexiblen Ein- und Austritt Gebrauch machen, bleibt abzuwarten.

Laut Civey-Befragung gehen 55 Prozent der Freiberufler davon aus, den Lebensstandard im Rentenalter einschränken zu müssen, bei Frauen sind es zehn Prozent mehr. Zwar beschäftigen sich Freiberufler überwiegend intensiv mit ihrer Altersvorsorge, mehr noch als Angestellte. Fragt man die Freiberufler aber selbst, geben 21 Prozent an, monatlich gar nichts für die Altersvorsorge zu sparen. Nur 20 Prozent legen 1000 Euro monatlich oder mehr zurück.

Nun sollte man eine Umfrage genau hinterfragen, wenn diese von einem Unternehmen in Auftrag gegeben wurde, welches von den Ergebnissen profitiert: Zu unflexibel, zu wenig informativ seien die Produkte auf dem Markt, so das Fazit aus der Umfrage. Flexibel und informativ sei das eigene Produkt, welches auf den Markt gebracht werde.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) von 2016 hat etwas geringere Werte ermittelt: Etwa 700 000 Freiberufler und damit um die zwölf Prozent sorgen nicht genügend für das Alter vor, ein Großteil der 4,2 Millionen Selbstständigen aber betreibt Altersvorsorge oder hat ein Vermögen. Aber auch 700 000 Selbstständige in einer prekären Lage sind viel. Es ist ein Thema, ohne Zweifel.

Auch gesetzliche Rente ist Option

Für Selbstständige steht zwar als Pendant zur Riester-Rente für Arbeitnehmer die steuerlich geförderte Rürup-Rente zur Verfügung. Und diese eignet sich zwar für selbstständige Gutverdiener, die die Steuervorteile voll ausschöpfen können, bei Solo-Selbstständigen mit eher geringen Einnahmen sieht das Ganze aber schon wieder weniger gewinnbringend aus. So kann es letztlich sein, dass Selbstständige mit geringem Einkommen gar nichts vom Steuervorteil haben, warnt etwa der Verbraucherratgeber Finanztip.

Eine weitere Möglichkeit: auch als Selbstständiger in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. „Das kann durchaus eine gute Möglichkeit sein, einen Teil für die Rente anzusparen“, sagt auch Vantik-Gründer Til Klein. Eine Versicherungspflicht, wie sie derzeit breit diskutiert wird, würde aber vielen Bedürfnissen von Selbstständigen nicht gerecht werden.

Mit Atlantic Labs aus Berlin und Seedcamp aus London konnte Vantik große Investoren überzeugen und so 850 000 Euro einsammeln.

Absicherung ist für Freiberufler schwierig und teuer

Arbeitslosenversicherung: Die Absicherung im Falle des Verlusts der Tätigkeit in der Selbstständigkeit ist freiwillig. Berechtigt sind Selbstständige, deren Arbeitszeit mindestens 15 Stunden pro Woche umfasst. Aber nur dann, wenn sie in den letzten zwei Jahren pflichtversichert waren.

Krankenversicherung: Für Selbstständige gilt in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Mindestbeitrag, der allerdings mit 400 Euro für Geringverdiener sehr hoch ausfällt. Union und SPD haben vereinbart, den Beitrag von 2019 an zu senken, um Freiberufler zu entlasten.

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