Rewe-Chef Lionel Souque im Interview„Wir verzichten auf so viel Plastik wie möglich“

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Lionel Souque Rewe Chef

Lionel Souque, Vorstandsvorsitzender der Rewe Group, im Interview

  • Lionel Souque ist seit 2009 Chef von Rewe Deutschland und Mitglied des Rewe-Group-Vorstandes. Seit 1. Juli 2017 ist er Vorstandsvorsitzender.
  • Im exklusiven Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger” spricht er über die Ziele des Konzerns hinsichtlich der Reduzierung von Plastikverpackungen, die Initiative Tierwohl und Lieferdienste.
  • Zur Konkurrenz mit Discountern sagt Souque: „Wir werden uns nicht mit Klopapier oder Konserven profilieren.“

Herr Souque, die Discounter reduzieren gerade sehr schnell die Menge ihres Plastikmülls. Was tun Sie für dieses Ziel?

Die Rewe Group ist bereits seit Jahren Vorreiter im Bereich der Nachhaltigkeit. Wir haben hier schon viel bewegt und verändert. Allein bei Rewe und Penny haben wir in den letzten drei Jahren mehr als 1400 Verpackungen umweltfreundlicher gestaltet. Wir wollen in den kommenden fünf Jahren auf so viel Plastik verzichten wie möglich. Wir waren die ersten, die die normale Plastiktüte abgeschafft haben. Insgesamt hat das dazu geführt, dass wir in Deutschland jährlich mehr als 200 Millionen Tüten bei Rewe und Penny weniger in Umlauf bringen.

Gibt es bestimmte Waren, die komplett aus den Rewe-Regalen verschwinden werden?

Ja, Einweggeschirr, also Plastikteller, -tassen oder -gabeln werden ab dem Ende dieses Jahres aus dem Sortiment genommen. Der meiste Plastikmüll entsteht aber durch Verpackungen, von denen viele aus Gründen der Hygiene und des Transports notwendig sind. Daher versuchen wir etwa, die Dicke der Verpackungsfolien zu reduzieren oder andere Materialien wie Graspapier zu verwenden. Eine Alternative zum Knotenbeutel bei Gemüse und Obst ist unser Frischenetz, das mehrfach verwendet werden kann.

Können Sie Ihre Kunden wirklich zum Verzicht auf Plastik zwingen?

Es geht nicht um Zwang, sondern darum, Alternativen anzubieten. Sicher ist das für manche Kunden auch gewöhnungsbedürftig. In 650 unserer Supermärkte im deutschen Südwesten verkaufen wir aktuell Bio-Obst und -Gemüse überwiegend lose. Im Norden und Osten haben wir vor Kurzem für eine Woche auf die Knotenbeutel verzichtet. Es gibt viele Kunden, die solche Projekte befürworten, und ihre Zahl steigt.

Sie setzen heute aber auch immer mehr auf Convenience-Produkte – die in viel Plastik verpackt werden. Wie passt das zusammen?

Die Kunden sind komplex. Und je nach Produkt ist es schwierig, auf Plastik zu verzichten, besonders bei portionierten Waren etwa in unseren Rewe-to-go-Läden. Bei bestimmten Produkten wird es nicht gelingen, denken Sie an portionierte Granatäpfel oder Ananas. Nur intelligent verpackt bieten diese Waren für den Kunden einen Mehrwert.

Sie gehörten zu den Mitbegründern der Initiative Tierwohl, die sich um artgerechtere Haltung von Nutztieren bemüht. Sind die tierfreundlichen Kunden der Treiber?

Nicht nur die Kunden sind dabei der Treiber. Viele unserer Mitarbeiter sind der Meinung, dass wir mehr Energie in dieses Thema stecken sollten. Und wir haben auch realistische Möglichkeiten dazu: Wir sind kein börsennotierter Konzern, der alle drei Monate darauf schielt, dass der Aktienkurs steigt. Unsere Eigentümer sind Genossen, die ein langfristiges Interesse am Weiterbestehen ihres Geschäftsmodells haben. Für viele der uns angeschlossenen Unternehmer ist eines der größten Ziele, ihren Markt an die Kinder weiterzugeben. Unsere Struktur macht es uns leichter, den Handel so zu gestalten, dass er nachhaltig und zukunftsfähig ist, und das heißt auch, sich für eine artgerechte Haltung starkzumachen.

Karstadt und Kaufhof fusionieren. Den Betrieb der Karstadt-Lebensmittelabteilungen haben Sie verloren. Wie sieht Ihre Zusammenarbeit künftig aus?

Wir arbeiten seit 15 Jahren mit Karstadt zusammen. Lange haben wir die Karstadt-Lebensmittelmärkte in einem Joint Venture betrieben. Die hat der Warenhauskonzern selbst übernommen. Wir beliefern Karstadt aber weiter – und auch mit Kaufhof hatten wir im vergangenen Jahr eine Belieferung vereinbart. Die Zusammenarbeit mit Karstadt Kaufhof funktioniert jetzt sehr gut. Galeria-Chef Stephan Fanderl war früher ja Vorstand bei Rewe, wir verstehen uns sehr gut.

Rewe Interview

Chefredakteur Carsten Fiedler (.v.l.), Rewe-Chef Lionel Souque, Wirtschaftschef Thorsten Breitkopf und Wirtschaftsredakteurin Eliana Berger

Kürzlich haben Sie den Großhändler Lekkerland übernommen, der vor allem Tankstellen-Shops und Kioske bedient. Was haben Sie vor?

Die Bündelung der komplementären Stärken ist sinnvoll. Lekkerland ist ein Großhändler und kennt sich sehr gut mit Convenience aus. Wir bringen unsere Waren- und Einzelhandelskompetenz mit. Mehr kann ich wegen der laufenden Prüfung durch die Kartellbehörden zurzeit leider nicht sagen.

Lieferdienste schießen wie Pilze aus dem Boden und wachsen. Auch Sie liefern. Ist die Firma Picnic etwa für sie eine ernstzunehmende Konkurrenz?

Unser Lieferservice macht gerade mal ein Prozent unseres Umsatzes aus. Er wächst und entwickelt sich Doch während der Gesamtmarkt für Lieferungen schnell wächst, entwickelt sich der für Lebensmittel wegen der umständlichen Lieferketten weitaus langsamer. Zu Picnic muss ich sagen: Sie machen gute PR. Sie stellen sich dar wie der kleine Milchmann von nebenan, aber dahinter steckt unter anderem ein sehr finanzstarker niederländischen Private Equity Fonds.

Gilt diese Skepsis auch für den Getränkelieferdienst Flaschenpost?

Das Konzept von Flaschenpost halte ich für eine gute Idee, die obendrein gut umgesetzt ist. Ob das für uns eine Konkurrenz ist, hängt vom Einzelfall ab. Für letztlich entscheidend halte ich, dass der Rewe-Lieferservice das gesamte Sortiment eines Supermarkts bietet. Das ist ein großer Vorteil für die Kunden.

Was verdienen Sie im Liefergeschäft?

Das Liefergeschäft ist für uns derzeit nicht profitabel. Die Kommissionierung der Waren ist aufwendig, und die Leute wohnen nun mal nicht alle im Parterre, sondern auch im vierten Stock ohne Aufzug an den Kölner Ringen, wo es keinen Parkplatz vor der Tür gibt. Wir sehen die Lieferungen eher als Investition in die Zukunft und als Kundenservice. Aber die meisten wollen heute noch das Einkaufserlebnis in unseren Läden.

Woran wird man im Lieferdienst vor allem gemessen?

Pünktlichkeit, Vollständigkeit und Qualität. Das ist nicht einfach, weil Kunden bei frischen Waren individuelle Vorlieben haben. Die einen mögen die Bananen grüner, die anderen gelber. Fest steht aber: Wir beherrschen die gesamte komplexe Kühlkette von minus 18 Grad bis ungekühlt. Das machen wir seit Jahrzehnten und das ist natürlich deutlich anspruchsvoller, als wenn Amazon ein Buch nach Hause liefert.

Die Discounter hübschen seit Jahren ihre Läden auf und nehmen Markenartikel in ihr Programm auf. Wie stark spüren Sie diese Konkurrenz?

Wir als Rewe differenzieren uns immer noch erheblich von Aldi oder Lidl oder auch unserem eigenen Discounter Penny. Discounter haben 2000 bis 3000 verschiedene Waren im Sortiment. Bei uns sind es 15.000 bis 30.000. Die bloße Zahl macht schon den Unterschied. Wir setzen ja sehr stark auf regionale und lokale Produkte und nehmen auch oft innovative Start-ups auf wie „SD Sugar Daddies“ aus Köln mit ihrem Produkt O-Mochi, das ist Reisteig gefüllt mit Speiseeis. Natürlich müssen wir dann auch andere Produkte rausnehmen, unsere Regale sind ja nicht aus Gummi. Klar, sind die Discounter schöner geworden, mehr Fenster, weniger Paletten. Lidl steckt mehr in Werbung als Rewe und Edeka zusammen. Wir aber setzen auf viel mehr Flächen für Frischwaren, mehr Bedientheken, mehr Personal. Wir werden uns nicht mit Klopapier oder Konserven profilieren.

Bei Aldi an der Kasse können acht Menschen vor einem stehen, und man ist trotzdem blitzschnell dran. Bei Rewe kann es länger dauern. Warum ändern Sie das nicht?

Aldi legt großen Wert darauf, dass Mitarbeiter extrem schnell sind. Wir möchten, dass die Kassenmitarbeiter „Guten Tag” und „Auf Wiedersehen” sagen können. Und in der Regel soll bei mehr als drei Kunden an der Kasse eine weitere Kasse aufgemacht werden.

Es gibt immer mehr SB-Kassen bei Rewe. Bauen Sie so Personal ab?

Bei uns wird niemand entlassen, weil wir Personal an der SB-Kasse einsparen. Die Zeit können die Mitarbeiter für den Kundenservice und die Warenpflege nutzen.

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