Schnittblumen„Rosen am Valentinstag? Das müssen wir uns abgewöhnen“

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Rosen in einem chineischen Blumengeschäft.

Rosen in einem chineischen Blumengeschäft.

Schnittblumen und Nachhaltigkeit, das passt eher nicht zusammen – oder? Chantal Remmert ist Teil der Slowflower-Bewegung. Die Landschaftsarchitektin baut Blumen saisonal und ohne Spritzmittel an. Ein Gespräch über eine undurchsichtige Branche.

Transporte quer über den Globus, Spritzen mit Pestiziden und nach einigen Tagen sind sie schon wieder welk: Schnittblumen und Nachhaltigkeit, diese Begriffe passen auf den ersten Blick nicht zueinander. Doch einige Floristinnen und Floristen, Blumengärtner und Blumengärtnerinnen wollen es besser machen.

Sie haben sich zur Slowflower-Bewegung zusammengeschlossen. 2018 startete das Netzwerk mit sieben Mitgliedern, mittlerweile zählt es rund 150. Die Landschaftsarchitektin Chantal Remmert gehört zu den Gründerinnen. Wie alle Slowflower-Mitglieder baut sie Blumen regional und saisonal an. Pestizide sind in ihren Beeten tabu, sie düngt nur mit organischem Material.

Im Interview spricht Remmert über die Probleme in der Floristikbranche und ob Schnittblumen wirklich nachhaltig sein können. Außerdem gibt sie Tipps, wie man den eigenen Garten umweltfreundlich(er) gestalten kann.

Frau Remmert, aus Gründen der Nachhaltigkeit: Welche Schnittblumen sollte man sich besser nicht in die Vase stellen?

Die Tradition, Rosen an Valentinstag zu verschenken, müssen wir uns abgewöhnen. Entweder kommen die Rosen aus Übersee. Dort vor Ort haben wir oft Probleme mit den Arbeitsbedingungen, mit Spritzmitteln und dann beim Flugtransport mit dem CO₂-Ausstoß. Alternativ kommen die Rosen im Februar aus holländischen, beheizten Gewächshäusern. Das ist, was das CO₂ betrifft, ebenfalls problematisch. Von Juni bis November Rosen zu verschenken, ist aber absolut in Ordnung. Da wachsen die Pflanzen schließlich auch im heimischen Garten.

Welche Blumen wären denn hierzulande zu Valentinstag in Ordnung?

Im Februar gibt es eine große Auswahl an blühenden Sträuchern. Kirsche, Pfirsich, Forsythie, Schneeball: All diese Pflanzen kann man schneiden, die Zweige ins Haus bringen und dann blühen sie auf. Als Hingucker gibt es noch Christrosen, die man mit Trockenblumen oder Zweigen von dauergrünen Gehölzen kombinieren kann. Sie sind Teil der „Slowflower“-Bewegung, die sich für regionale, saisonale, ungespritzte Produktion von Blumen einsetzt.

Warum?

Wir interessieren uns mittlerweile dafür, wo unsere Kleidung und das Benzin fürs Auto herkommen. Die Pestizidbelastung von Lebensmitteln ist uns allen ein Begriff. Ich fand es unlogisch, bei Blumen, einem anderen landwirtschaftlichen Produkt, zu spritzen und den Boden zu beeinträchtigen.

Wie reagieren Kunden und Kundinnen darauf, dass als Folge Ihr Angebot an Blumen über das Jahr stark variiert?

Saisonalität bedeutet: Man kann fast alles bekommen, aber nicht zu jeder Zeit. Am Anfang musste ich viel Aufklärungsarbeit leisten. Manche Menschen haben gesagt: „Wieso? Blumen wachsen doch immer natürlich und werden nie gespritzt.“ Mittlerweile kommt es mir aber so vor, als wüssten immer mehr Menschen über die konventionellen Anbaubedingungen Bescheid.

Was ist eigentlich mit Blumen von Feldern zum Selbstschneiden am Straßenrand?

Saisonal und regional sind sie ja schon einmal. Nachhaltigkeit heißt für mich, Blumen nicht mit Herbiziden oder Pestiziden zu spritzen. Man muss schauen, ob es einen Hinweis am Feld gibt – etwa ein Biosiegel – oder mit dem Bauern oder der Bäuerin aktiv ins Gespräch kommen. Ich würde sagen, die Blumen von solchen Feldern sind in der Regel gespritzt, außer es wird auf das Gegenteil hingewiesen.

Welche Probleme gibt in der Floristikbranche noch, wenn es um Nachhaltigkeit geht?

Es wird viel entsorgt, wie bei den Lebensmitteln. Etwa ein Fünftel der Ware kommt gar nicht erst auf den Markt, weil sie den Qualitätsstandards nicht entspricht. Was nicht verkauft wird, landet ebenfalls im Abfall, und zwar die Blumen samt Verpackungsplastik im Restmüll. Als einen weiteren großen Problempunkt sehe ich erdölbasierte Verarbeitungsstoffe wie Steckschaum, Plastikbänder und Heißkleber. Auch diese müssen im Restmüll entsorgt werden. Problematisch sind auch die Gifte, die benutzt werden. Es kann sein, dass an Blumen, die von außerhalb der EU importiert werden, Rückstände von Spritzmitteln haften, die in der EU bereits verboten sind. Und: Wo die Blumen herkommen, muss in Deutschland nicht gekennzeichnet werden.

Wie werden Rosen von Ecuador nach Deutschland transportiert?

Rosen werden sehr knospig geerntet und während des Fluges gekühlt. Nach ein oder zwei Tagen kommen sie an, meist in den Niederlanden, und werden mittels gekühlter Lkw weiter zu den Großmärkten transportiert. Bei Rosen gibt es deshalb ein total verrücktes Phänomen. Weil sie so knospig geerntet und die ganze Zeit gekühlt wurden, gehen sie oft in der Vase gar nicht richtig auf, bevor sie von innen verfaulen.

Können Schnittblumen überhaupt nachhaltig sein? Es wäre doch besser, die Pflanze im Ganzen stehen zu lassen, oder?

Es gibt Pflanzen, die produzieren mehr Blüten, wenn man sie zurückschneidet. In meinen Augen ist es nachhaltig, sie zu schneiden: auch deshalb, weil man Menschen mit den Blumen eine gewisse Freude bereitet. Wenn es Bioblumen sind, kann man sie anschließend auf dem Kompost entsorgen. Das ist ein Kreislauf! Für uns, die Blumen anbauen, ist Kompost etwas sehr Wertvolles. Bestenfalls hat man mit dem Kauf der Blumen auch noch einen regionalen Produzenten unterstützt.

Welche Pflanzen eignen sich besonders für Anfängerinnen und Anfänger, die ihre eigenen Schnittblumen gedeihen lassen möchten?

Die Blumen, die bei uns sehr gut wachsen, kennt man aus dem traditionellen Bauerngarten. Dazu zählen Cosmea, Garten- oder Pfingstrosen. Im Herbst wachsen Dahlien oder Chrysanthemen, im Frühjahr die klassischen Zwiebelpflanzen wie Tulpen, Narzissen oder Iris. Außerdem sollte man Schnittgrün pflanzen. Wir arbeiten viel mit Kräutern: Minze, Thymian oder Lavendel sind sehr pflegeleicht.

Außerdem riechen sie so gut.

Genau, sie haben diesen zweiten sinnlichen Aspekt, dass man die Nase gern hineinsteckt. Aber zurück zu den anderen Pflanzen: Es gibt die einjährigen Samenpflanzen wie Löwenmäulchen oder Cosmea. Außerdem kann man ausdauernde Pflanzen wie Stauden oder Sträucher setzen. Ich empfehle, sich von jedem fünf zu holen: fünf Stauden, fünf Sträucher und fünf einjährige Samenpflanzen. So kann man auch herausfinden, die Pflege welcher Pflanzen einem am meisten Spaß macht. Sie brauchen Licht, Wasser und Nährstoffe, lautet Ihre Lieblingsantwort, wenn jemand nach der richtigen Pflanzenpflege fragt.

Ist es wirklich so simpel?

Es ist so simpel, ja. Am längsten dauert es, das Unkraut, also Beikräuter, die wir nicht haben wollen, händisch zu entfernen. Die Beikräuter entziehen den Blumen nämlich Licht, Wasser und Nährstoffe. Und Letztere sind so eine Sache. Hobbygärtnerinnen und -gärtner neigen dazu zu überdüngen. Um das richtige Maß zu finden, lohnt es sich, eine Bodenprobe im Labor analysieren zu lassen.

Wie kann man beim Gärtnern noch auf Nachhaltigkeit achten?

Mit Regenwasser gießen und auf den Rasensprenger verzichten. Denn bei dem verdunstet ein Viertel des Wassers schon in der Luft. Der Trend geht dahin, Präriestauden zu nutzen, die wenig Wasser benötigen. Außerdem braucht man als Hobbygärtnerin oder Hobbygärtner nicht super viele verschiedene motorisierte Geräte. Und wenn einmal doch, dann kann man sie sich vielerorts leihen. Auf jeden Fall sollte man komplett auf Spritzmittel verzichten. Unkraut sollte mit der Hand entfernt werden. Auch gegen Insekten muss man nicht spritzen, wenn der Garten ein funktionierendes Ökosystem mit Nützlingen ist. Igel fressen Schnecken. Spatzen fressen Buchsbaumzünsler. Marienkäfer fressen Blattläuse. Die meisten Nützlinge sind außerdem total niedlich.

Das Interview führte Sarah Franke (RND).

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