Spotify-Zentrale in StockholmSo sieht es im Hauptquartier von Spotify aus

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Bei Spotify in Stockholm wird in Teams gearbeitet. Anstelle von Trennwänden gibt es gespannte Schnüre, die das weltweite Netzwerk der Musik-Anwendung symbolisieren.

Bei Spotify in Stockholm wird in Teams gearbeitet. Anstelle von Trennwänden gibt es gespannte Schnüre, die das weltweite Netzwerk der Musik-Anwendung symbolisieren.

Stockholm – Cappuccino und Bircher Müsli zum Frühstück, Brainstormen auf bequemen Designermöbeln und anschließend mit Guitar Hero ein paar Rockklassiker auf der Konsole spielen, um den Kopf für frische Ideen freizupusten? Was klingt wie der feuchte Traum jedes Informatikabsolventen, ist die reale schöne neue Arbeitswelt beim Musikstreaming-Anbieter Spotify.

Dessen Mitarbeiter erkennt man schon lange bevor man das Hauptquartier im verschlafen wirkenden Stadtteil Vasastan erreicht. Sie tragen Hoodies mit dem grünen Logo des schwedischen Konzerns – nicht, weil sie es müssten, sondern weil sie gerne zeigen, bei wem sie arbeiten. Wer einen Blick hinter die Mauern des unscheinbaren Hochhauses an der Birger Jarlsgatan wirft, versteht auch, wieso.

Seit 2013 residiert hier der Marktführer im Musikstreaming, mit dem Umzug wurden mehrere Stockholmer Einzelbüros zu einer Firmenzentrale vereint. Aus der Empfangslobby schallt lautstarke R’n‘B-Musik. Jeder Besucher, der Spotify auf dem Smartphone nutzt verfügt, kann hier seine eigene Playlist über Lautsprecher hören. Die Wände sind mit Schallplatten dekoriert – Medien, auf deren Ersatz das Geschäftsmodell der Firmengründer Daniel Ek und Martin Lorentzon aufbaut.

Ihr Angebot entstand als Alternative zur illegalen Online-Musiktauschbörse Napster: Wenn Songs im Netz bequemer zugänglich wären, so der Grundgedanke, würden die Hörer auch wieder für Musik bezahlen. 2008 gründeten die beiden Freunde in einer kleinen Stockholmer Wohnung Spotify, suchten sich Investoren und konnten bald auch die großen Plattenfirmen von ihrer Idee überzeugen.

Umsatz wächst – aber auch die Verluste

Heute hat Spotify über 60 Millionen Nutzer – allerdings sind davon nur 15 Millionen zahlende Kunden. Die Mehrzahl nutzt den kostenlosen Streaming-Service, bei dem Werbung eingespielt wird. Obwohl das Unternehmen von Ek und Lorentzon so noch nie einen Jahresgewinn erzielt hat, zählt das "Wall Street Journal" es mit 8,4 Milliarden US-Dollar zu den wertvollsten nicht an der Börse notierten Start-ups. Spotify wächst schnell - schreibt aber auch immer höhere Verluste.

So stieg der Umsatz im vergangenen Jahr um 45 Prozent auf 1,3 Milliarden US-Dollar, wie die "New York Times" unter Berufung auf Konzernangaben berichtet. Zugleich schwoll der Verlust von 68 auf 197 Millionen US-Dollar an. Spotify begründet das mit Ausgaben für die Entwicklung neuer Produkte und die internationale Expansion. Allein die Zahl der Mitarbeiter stieg binnen eines Jahres von 958 auf 1354.

Etwa 800 davon – hauptsächlich Entwickler aus insgesamt 20 verschiedenen Ländern – arbeiten in Stockholm. Der Rundgang durch ihr sogenanntes Büro beginnt in der obersten Etage, hier laden bunte, plüschige Sitzecken und eine Küche zum Verweilen ein. Jeder kann sich kostenlos aus dem Kühlschrank bedienen, es gibt Kaffee, Joghurt mit Früchten, Softdrinks und Sandwiches. Kürzlich war der englische Sänger George Ezra („Budapest“) da, um auf der hauseigenen Bühne ein Mittagspausenkonzert zu spielen – exklusiv für die Mitarbeiter.

Spotify-Nutzer haben  Zugang zu über 30 Millionen Songs und Hörbüchern, können  eigene Playlists kreieren und Musik mit anderen Nutzern teilen. Dabei wird Werbung eingespielt– es sei denn man nutzt das Premium-Abonnement . Für 9,99 Euro im Monat kann Musik werbefrei und im Offline-Modus gehört werden. Nach eigenen Angaben hat Spotify 60 Millionen Kunden,  aber nur 15 Millionen nutzen das zahlungspflichtige Modell.

Der 2008 gestartete  Streaming-Dienst ist heute in 58 Ländern verfügbar (in Deutschland seit  2012) und hat Büros in 18 Ländern, unter anderem in Berlin, New York und Singapur. Mehr als die Hälfte der rund 1500 Spotify-Mitarbeiter arbeitet in der schwedischen Firmenzentrale. Hier sind alle Geschäftsbereiche ansässig, vor allem aber Programmierer. In Stockholm sitzt zudem das Spotify Management.

Weltweit hat der Konzern nach eigenen Angaben über 300.000 vertragliche Vereinbarungen mit Plattenfirmen und Rechteverwertern geschlossen. Einzelne Künstler erhalten ihr Geld nicht direkt von Spotify, sondern von den Lizenzgebern. Vergütet wird jeder Song, den sich ein Nutzer mindestens 30 Sekunden lang anhört. Rund 70 Prozent der Einnahmen aus Werbung und Abos gehen an die Rechteverwerter. Bis heute hat der Konzern nach eigenen Angaben mehr als zwei Milliarden US-Dollar an die Musikindustrie ausgeschüttet, davon eine Milliarde allein 2014.

Je besser diese versorgt sind, desto größer sei auch die Kreativität, lautet die Philosophie von Ek und Lorentzon. Durch die Flure ihrer Firmenzentrale zu laufen, gleicht der Erfahrung, einen großen Abenteuerspielplatz erkunden. Es gibt einen grünen Innenhof zum Sonnenbaden und Tischtennisspielen, Konferenzräume namens „Michael Jackson“ oder „Madonna“, ein Spielzimmer mit Super-Mario-Tapete, Kicker- und Billardtischen, Flipperautomaten im Design beliebter Fernsehserien und Wand-Slogans wie „Play everywhere“.

Fühl Dich wohl – und bleib‘ so lange wie möglich bei der Arbeit, ist die andere Botschaft dieses Einrichtungskonzeptes, das von den Stockholmer Raumgestaltern Storey Interior stammt. Warum auch zuhause frühstücken, wenn man das hier vor einem riesigen Flatscreen erledigen kann?

Feste Arbeitszeiten gibt es nicht, laut PR-Mitarbeiter Fredrik Westin kann jeder kommen und gehen wann er will, solange Abgabetermine und Meetings eingehalten werden. Und sollte das Sozialleben doch mal unter zu viel Arbeit leiden, ist schon für Anschluss gesorgt: Die Personalabteilung von Spotify koordiniert Skireisen, Weinverkostungen und Kollegenausflüge ins Stockholmer Nachtleben.

Mit diesem Service-Angebot kann das europäische Start-up als Arbeitgeber durchaus mit den Riesen der Internetbranche mithalten - immerhin konkurriert es auch mit diesen um die besten Programmierer. Im kalifornischen Googleplex gibt es Swimmingpools, Friseure und Masseure (die Zürcher Dependance hat immerhin eine Rutsche zwischen den Etagen). Im zugehörigen YouTube-Büro werden Angestellten Segways und Golfkurse geboten. Und das Facebook-Büro in Silicon Valley verfügt über einen Basketballplatz und kostenlose Gourmet-Gerichte.

Bei Spotify gibt es Hacker-Events, bei denen Programmierer ihre Ideen jenseits der Streamingwelt umsetzen und vorstellen können. Das Studio, das für die exklusiven Spotify-Sessions bekannter Musiker dient, dürfen Mitarbeiter auch für Aufnahmen ihrer eigenen Band nutzen. Und wer sich eine Weiterbildung wünscht, schreibt einfach eine Mail an das Projektteam „Greenhouse“: Hier werden dann umgehend Kurse zum Erlernen neuer Software oder Gesprächsrunden mit externen IT-Experten organisiert.

Das Smartphone hat mittlerweile den iPod als wichtigste Soundquelle unterwegs abgelöst, und Spotify ist zu einer der beliebtesten Musik-Anwendungen aufgestiegen. Sie ist aber weit mehr als bloß eine Streaming-App und bietet eine ganze Reihe an Funktionen, die nicht jeder auf den ersten Blick sieht.

Alben und eigene Playlists lassen sich am Smartphone speichern, indem man ganz oben bei der Option “Offline verfügbar” den Schieberegler nach rechts schiebt. Den Download nimmt man am besten zu Hause bei WLAN-Verbindung und nicht über mobiles Internet vor, weil beim Herunterladen der Songs ordentliche Datenmengen zusammenkommen. Voraussetzung für den Download ist allerdings ein Premium-Account (9,99 Euro im Monat), in der Gratis-Version kann man leider nicht offline speichern.

Spotify hat viel, aber nicht alles – The Beatles, Die Toten Hosen, Die Ärzte, AC/DC, Tool und einige andere Künstler bzw. Alben gibt es bei dem Streaming-Dienst aus linzenzrechtlichen Gründen (noch) nicht. Wer fehlende Songs und Alben aber trotzdem in der App hören will, kann sie importieren. Dazu installiert man sich Spotify am Computer (Windows, Mac), importiert dort die gewünschte Musik und synchronisiert sein Smartphone, indem man es mit dem Computer verbindet.

Wer bei Spotify Musik finden will, aber nicht den genauen Interpreten oder den Song weiß, der kann etwa nach Genre suchen, indem man zum Beispiel “genre:hiphop” eintippt. Dann bekommt man die relevantesten Bands und Songs aus dem Bereich angezeigt. Wer auf der Suche nach dem Sound einer bestimmten Zeit ist, kann etwa “year:1990-1995” suchen, und Veröffentlichungen eines bestimmten Labels findet man etwa so: “label:EMI”.

Bei Spotify gibt es mittlerweile auch Hörbücher, leider sind diese nicht einfach zu entdecken. Fündig wird man, wenn man etwa nach Autoren wie "Wolfgang Herrndorf", “Dan Brown”, “Stephen King”, “Lena Dunham” oder “Simon Beckett” sucht. Außerdem gibt es unter https://play.spotify.com/user/hoerbuecher Playlists, in denen Audiobooks nach “Klassiker”, “SciFi & Fanatasy”, “Spannung”, “Bestseller” oder “Spannung” sortiert sind.

Spotify funktioniert wie ein soziales Netzwerk: Ein Grundgedanke des Dienstes ist, dass man seine Lieblingsmusik mit anderen Nutzern teilt. Unter “Aktivitäten” kann man in der App jederzeit nachsehen, was die Spotify-Kontakte (in der Regel Facebook-Freunde) gerade hören. Wer das lieber nicht preisgeben will, kann unter “Einstellungen” - ”Social” entweder eine “Private Session” starten (diese wird wieder deaktiviert, wenn man sechs Stunden inaktiv war) oder das automatische Teilen seiner Spotify-Aktivitäten generell abschalten.

Eine Playlist kann man zur Zusammenarbeit freigeben, indem man in der Playlist-Ansicht oben rechts auf die drei kleinen Punkte tippt und dann die entsprechende Funktion anwählt. Nun sollte man die Playlist mit den gewünschten Spotify-Kontakten, die sie mitgestalten sollen, teilen. Dazu tippt man noch einmal auf die drei Punkte, wählt “Teilen”, dann “Senden an” und schließlich “Freunde auswählen”.

Sollte man aus Versehen mal eine Playlist gelöscht haben, kann man sie wieder herstellen. Dazu geht loggt man sich im Web bei Spotify ein, ruft seinen Account auf und findet unter dem Punkt “Playlists wieder herstellen” die verloren gegangenen Listen

Egal, ob man die Musik streamt oder direkt aufs Smartphone herunterlädt – vorher sollte man die Qualität regeln. Unter “Einstellungen” - “Soundqualität” kann man für Streaming und Download zwischen “normal” (96 kbps), “hoch” (160 kbps) und “extrem” (320 kbps) wählen. Bessere Tonqualität gibt es nur für Premium-Nutzer.

Eine wichtige Funktion, um den Sound den eigenen Wünschen unterwegs anzupassen, hat Spotify in den Einstellungen versteckt. Unter “Einstellungen” - “Wiedergabe” (iPhone) bzw. unter „Einstellungen“ (Android) findet sich der “Equalizer”, bei dem man Tiefen, Mitten und Höhen anpassen kann oder Voreinstellungen auswählen oder selbst an den Reglern drehen kann.

Playlists hören sich einfach besser an, wenn zwischen den Songs keine Pause ist, sondern nahtlos ineinander übergehen. Die dazu notwendige Crossfade-Funktion findet sich unter “Einstellungen” - “Wiedergabe” und kann auf einen Zeitrahmen von bis zu zwölf Sekunden ausgedehnt werden.

Spotify-Playlists kann man direkt auf seiner Webseite einbetten, genauso, wie man auch YouTube-Videos einbettet. Den notwendigen HTML-Code dafür bekommt man, indem man sich die URL der Playlist kopiert und dann auf dieser Webseite einen HTML-Code generieren lässt.

Spotify ist derzeit in knapp 60 Märkten verfügbar und hat mehr als 60 Millionen User. Das erlaubt es auch, sich in die Hörgewohnheiten anderer Länder hineinzuhorchen. In der App findet sich unter “Browse” - “Hitlisten” die Möglichkeit, sich die “Top 50 nach Land” anzeigen zu lassen.

So offen sich die Gründer nach innen zeigen – alle paar Wochen schauen sie persönlich im Hauptquartier vorbei, um sich bei einer Podiumsdiskussion den Fragen und Sorgen ihrer Mitarbeiter zu stellen – so wenig kommunizieren sie nach außen. Woran genau die hauptsächlich männlichen Kollegen in den wabenartigen Büros tüfteln, wird streng geheim gehalten, was auch ein Fotoverbot in der Nähe ihrer Computer beinhaltet.

Angriff auf YouTube

Bekannt geworden sind die neuesten Pläne, die hier geschmiedet wurden, dennoch: Wie führende US-Medien übereinstimmend unter Berufung auf informierte Kreise berichten, wollen die Schweden ins Video-Streaming-Geschäft einsteigen. Demnach soll Spotify sich auch an Produzenten gewandt haben, die zahlreiche YouTuber unter Vertrag haben. Das Video-Portal von Google macht den Schweden Konkurrenz, weil viele Musikfans auf die dort gratis abrufbaren Musikvideos zurückgreifen.

„Zu den Spekulationen äußern wir uns nicht“, heißt es bei Spotify dazu - der Konzern hat allerdings in vier Städten eine Pressekonferenz für den 20. Mai angekündigt. Dieselbe Antwort bekommt man auf die Frage, wie der Marktführer der Konkurrenz von Apples voraussichtlich im Juni startendem Streaming-Service Beats trotzen will.

Der US-Konzern hatte den Dienst, der neben Online-Musikabos auch die gleichnamigen Kopfhörer anbietet, vor einem Jahr für etwa drei Milliarden Dollar gekauft. Derzeit versucht Apple offenbar, zahlreiche Stars zu überzeugen, exklusiv Lieder für Beats zur Verfügung zu stellen.

Ähnlich soll auch der Dienst Tidal von Rapper Jay Z vorgehen, um sich gegen Spotify durchzusetzen. Tidal hat bereits einige Künstler exklusiv, darunter auch Taylor Swift, die Spotify im November wegen schlechter Bezahlung verlassen hatte.

Allerdings haben Beats und Tidal keine werbefinanzierte Gratis-Version – was viele bei Spotify halten dürfte. Um diese Konkurrenz aus dem Markt zu drängen, will Apple Medienberichten zufolge Plattenfirmen dazu bewegen, den Schweden keine Musik mehr für kostenloses Streaming­ mehr zur Verfügung zu stellen. Doch Spotify denkt gar nicht daran, dieses aufzugeben.

„Wir werden das Feemium-Modell auch in Zukunft beibehalten, da wir überzeugt davon sind, dass es das beste Streaming-Geschäftsmodell ist“, verspricht Jonathan Forster, Chef der Region Nordics bei Spotify.

Nur das kostenlose Angebot biete eine echte Alternative zur Musikpiraterie: „Sobald Inhalte im Internet hinter einer Payment-Wall verschwinden, wird auch wieder verstärkt illegal konsumiert. Wir bieten unseren Nutzern einen kostenfreien und zugleich legalen Zugang zu ihrer Lieblingsmusik und bringen damit die Interessen von Musikern, Musik-Fans und Rechteverwertern unter einen Hut.“

Unser Hörtipp fürs Wochenende: Die Playlist "Weekend-Hangouts"

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