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Sparkassen-Chef im InterviewUlrich Voigt: „Krawatten stellen Distanz her“

6 min
Ulrich Voigt

Sparkassen-Chef Ulrich Voigt

  1. Ulrich Voigt ist neuer Chef der Sparkasse Köln-Bonn.
  2. Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ lehnt der Manager einen Krawattenzwang für Banker ab.
  3. Wegen Filialschließungen gibt es keine Kundenverluste.

Herr Voigt, Verleihen von Geld gegen Zinsen ist das Geschäft einer Bank, doch der Zins ist bei Null. Womit verdienen Sie Geld? Denken Sie über Strafzinsen nach?

Ganz bei Null ist der Zins zum Glück nicht, aber klar, die Passivseite sieht furchtbar aus. Dort verdienen wir nichts.Was Sie Strafzinsen nennen, also Verwahrentgelte, erheben wir diese bei 99,9 Prozent unserer Kunden nicht. Denn die Ersparnisbildung unserer Kunden ist die originäre Aufgabe einer Sparkasse. Einen Großteil der Verwahrentgelte von rund zehn Millionen Euro mit steigender Tendenz, die wir an die Bundesbank zahlen, müssen wir durch anderes Geschäft kompensieren. Das ist zum einen risikoarmes Kreditgeschäft, zum anderen hat das Provisionsgeschäft eine wachsende Bedeutung.

Werden Ihre Sparer nun alle Aktionäre?

Das Wertpapiergeschäft hat eine tragende Rolle, auch wenn die deutschen Sparer sicher nie leidenschaftliche Aktionäre waren. Fonds und Aktien versprechen aber auch in zinsschwachen Zeiten ordentliche Erträge.

Sie sprechen von risikoarmen Krediten und meinen damit sicher Baufinanzierungen. Doch die Immobilienpreise sind überhitzt. Droht eine Blase?

Wir haben meines Erachtens noch keine Blase in Köln oder Bonn. Wir müssen als Bank darauf achten, dass die Kunden auch nachhaltig tilgungsfähig sind. Und natürlich muss mehr getilgt werden, was angesichts der Niedrigzinsen auch tragbar ist. Früher war eine Tilgung von einem Prozent pro Jahr normal, heute sind bei uns zwei oder drei Prozent schon Standard. Und so überhitzt sind die Immobilienpreise nicht. Der Zinssatz ist im Mittel von fünf auf gut ein Prozent gesunken, im Gegenzug haben sich aber die Hauspreise nicht verfünffacht.

Seit der neuen EU-Kreditvergabe-Richtlinie werden Darlehen an ältere Menschen oft abgelehnt. Wie gehen Sie damit um?

Im Alltag ist es weniger problematisch, als geschildert. Oft kommen Kunden Mitte 50 zu uns, mit guten Jobs, die ihr Haus im Umland verkaufen und für eine Wohnung im Kölner Zentrum zusätzlich Kredit brauchen. Und das ist problemlos darstellbar. Insgesamt muss man sagen, dass diese Gruppe durch ihre hohe Bonität und Liquidität ungewollt auch zu den Preistreibern im Kölner Immobilienmarkt gehört.

Und was ist mit Rentnern?

Rentner bekommen natürlich noch Kredite, in der Regel aber keine 100-Prozent-Finanzierungen. Wir können beispielsweise einem 65-Jährigen keine Vollfinanzierung mit 35 Jahren Laufzeit anbieten.

In Düsseldorf gab es zwischen Sparkasse und Oberbürgermeister Thomas Geisel lange Streit um die Höhe der Ausschüttungen, die den Vorstandchef Job kostete. Wie halten Sie es mit Ausschüttungen?

Die Sparkasse Köln-Bonn hat im eigentlichen Sinne noch nie ausgeschüttet. Den Trägern ist an einer Stärkung des Eigenkapitals gelegen. Und diese ist gelungen. Die Eigenkapitalquote ist in den vergangenen fünf oder sechs Jahren von 8,5 auf heute zwölf Prozent gestiegen. Ausschüttungen sind weiterhin nicht geplant. Auf die Stille Einlage von 500 Millionen Euro, die wir nach der Finanzkrise von den Städten Köln und Bonn erhalten haben, schütten wir aus.

Sie haben einen Teil der Filialen geschlossen. Wie sehr nehmen die Kunden Ihnen das übel?

Sieht man sich das Kündigungsverhalten der Kunden an, dann spüren wir keine wesentlichen Auswirkungen. Betrachtet man das Beschwerdeverhalten, dann schon. Aber da gibt es auch manchmal Kuriositäten. Bei näherer Betrachtung einer Protestliste gegen eine Filialschließung stellten wir fest, dass nur 15 von 200 Unterzeichnern überhaupt Kunde bei uns waren.

Und Ihre Gebührenerhöhungen?

Auch dabei konnten wir keine signifikante Zahl von Kündigungen feststellen.

Sie haben im März gesagt, es würden keine Stellen abgebaut oder Filialen geschlossen. Für welchen Zeitraum gilt die Zusage? An welcher Stelle können Sie noch sparen?

Wir bauen im Grunde unseren Personalkörper derzeit um. Wir nutzen die natürliche Fluktuation, um Effizienzen zu heben und in anderen Arbeitsbereichen neu einzustellen. Was die Geschäftsstellen angeht, ist es unser Alleinstellungsmerkmal. Bevor man so etwas aufgibt, muss man sich gut überlegen, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt. Deswegen denken wir in diesem Jahr darüber nach, wie wir unsere Geschäftsstellen mit anderen Formaten versehen können. Wir wollen innerhalb der nächsten zwölf Monate in einer Filiale etwas Neues ausprobieren und sehen, ob das vielleicht den Nerv der Kunden und der Zeit trifft. Vorstellbar sind etwa separate Beratungsräume, die der Kunde mit seiner Sparkassen-Karte öffnet. Hier kann er sich dann per Knopfdruck in unsere neue Direktfiliale zuschalten und sich beraten lassen, etwa in der Mittagspause. Das ist eine Idee, mit der wir uns beschäftigen, ob das so kommt, ist aber noch offen.

Welche Pläne haben Sie für die Kulturförderung, die über die Sparkassenstiftung betrieben wird?

Wir denken darüber nach, die Förderung umzubauen. Wir müssen uns gemeinsam mit allen Akteuren fragen, ob das, was wir tun, tatsächlich das ist, was gebraucht wird? Entfaltet unsere Förderung für die Stadtgesellschaft die richtige Wirkung? Das werden wir diskutieren.

Was könnte sich ändern?

Da halte ich vieles für denkbar. Machen wir vielleicht auch Sportförderung oder Bildung? Das muss man einfach einmal austarieren, welcher Mix sinnvoll ist.

Köln ist eine der Städte, die mit Kreissparkasse und Sparkasse Köln-Bonn noch zwei getrennte öffentlich-rechtliche Institute hat, die obendrein auch noch fast gleich groß sind. Wann werden Sie fusionieren?

Ich habe 1984 meine Lehre bei der Stadtsparkasse Köln angefangen, und jeder prophezeite mir, dass spätestens ein Jahr danach die Banken fusionieren werden. Doch das ist bis heute nicht geschehen. Und zwar, weil es keine Notwendigkeit dazu gibt. Ganz im Gegenteil. Unser Institut liegt mit seiner Bilanzsumme knapp unter der Grenze von 30 Milliarden Euro. Jede Fusion, ob mit kleiner oder großer Sparkasse, würde uns über diese Grenze bringen, dann würden wir von der EU-Bankenaufsicht wie eine Großbank behandelt, mit enormen Auflagen und hohen Kosten.

Das Bild des Bankers hat sich gewandelt. Sie tragen keine Krawatte, das wäre vor 20 Jahren undenkbar gewesen...

Die Kleidung unserer Mitarbeiter hat sich in Teilen gewaltig geändert. Früher hätte man gesagt: Es ist wichtig, dass ein Banker seriös aussieht, und das hieß Krawatte. Doch dieser Krawattenzwang stellt auch manchmal emotionale Distanz her. Wir brauchen zu unseren Kunden aber emotionale Nähe. Die Auswahl der Kleidung hat aber auch etwas mit Respekt gegenüber dem Anderen zu tun. Es gibt Kunden, die erwarten von mir, dass ich zu einem Geschäftstreffen mit Krawatte erscheine, und dann mache ich das auch. Darüber nachzudenken, was will eigentlich der Kunde von mir haben, ist ein Aspekt der Kundenorientierung.

Heißt das etwa auch, dass Sie Ihre Kunden bald duzen, wie bei Ikea oder Starbucks?

Sicherlich nicht. Ich persönlich halte so etwas in unserer Branche für übergriffig. Das „Sie“ gegenüber einem Bankkunden ist höflich, professionell und keineswegs überholt. Kunden zu duzen, ist nicht unser Stil. Auch untereinander gibt es kein Standard-Du. Bei uns gilt die alte Regel: Wenn man sich mag, dann sagt man Du.

Kennen Sie eigentlich Ihre IBAN-Nummer auswendig?

Sie meinen, meine persönliche? Ja, die habe ich im Kopf. Man muss ja dafür nur zu der früheren Kontonummer und der Bankleitzahl zwei Ziffern hinzufügen und den Banken-Code kennen.

Ulrich Voigt wurde im Mai zum Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Köln-Bonn berufen, der größten kommunalen Sparkasse Deutschlands. Er ist seit dem Jahr 2008 Mitglied des Vorstandes und wurde im Januar 2018 stellvertretender Vorstandschef.

Er verantwortet die Ressorts Strategie, Revision und Personal. Nach der Ausbildung zum Bankkaufmann war der gebürtige Kölner zunächst in verschiedenen Funktionen für die Stadtsparkasse Köln tätig.