Waffen und SchwarzarbeitWie geheime Kölner Spezialkräfte Zollverbrechen bekämpfen

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Beamtinnen und Beamten der Zentralen Unterstützungsgruppe Zoll.

Köln – Ein sonniger Vormittag in einer Kölner Außengastronomie. Auf der anderen Seite des Holztischs sitzt ein mittelalter Mann, sportlicher Typ, braune Lederjacke, und trinkt den dritten Cappuccino. Der Mann, den wir in diesem Artikel nur unter seinem Decknamen „Auge“ nennen dürfen, leitet eine deutsche Spezialeinheit. Genauer: die Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll. Was sich nach Steuerfahndung und Schreibtischen voller Akten anhört, ist in Wahrheit vergleichbar mit Einheiten wie dem Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei. 

Kaum jemand kennt die ZUZ

Doch im Gegensatz zu diesen Spezialeinheiten kennt die ZUZ, wie die Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll sich abkürzt, kaum jemand. Und so geht mitten im Gespräch in Köln ein älteres Ehepaar am Tisch vorbei – „Auges“ Nachbarn. Er grinst und sagt: „Die wissen nicht, was ich beruflich mache.“ Dürfen sie auch nicht. Aber was hat es mit der Spezialeinheit gegen Zollkriminalität auf sich?

Über das Zollkriminalamt

Das Zollkriminalamt (ZKA) mit Sitz in Köln-Dellbrück ist die Zentrale des deutschen Zollfahndungsdienstes, der mittlere bis schwere und organisierte Zollkriminalität verfolgt. Es koordiniert die bundesweit acht Zollfahndungsämter, die Ermittlungen durchführen und je über eine eigene Oberservationseinheit verfügen. Am ZKA in Köln ist die einzige Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ) angesiedelt, eine Spezialeinheit, die von den Zollfahndungsämtern, der Finanzkontrolle Schwarzarbeit bei den Hauptzollämtern und der Polizei bei gefährlichen Zugriffen angefordert werden kann. 

Der Zoll untersteht dem Bundesministerium für Finanzen. Neben der Erhebung von Zoll- und Steuerabgaben überwacht der Zoll den grenzüberschreitenden Warenverkehr, verfolgt und verhindert Schwarzarbeit und ermittelt unter anderem in Fällen von Zigaretten- und Rauschgiftkriminalität oder Produktpiraterie.

www.zoll.de

Eine wachsende Gewaltbereitschaft bei Straftätern in den Ermittlungsverfahren des Zolls führte 1994 zur Einrichtung der Zentralen Unterstützungsgruppe Zoll. Der damalige Finanzminister Theo Waigel erwirkte den entsprechenden Einrichtungserlass. Die Einsatzbeamten sollten speziell dafür ausgebildet sein, in Einsatzsituationen, in denen „eine Gefahr für Leib und Leben besteht“, den Zugriff auf verdächtige Personen zu übernehmen, heißt es vom Zollkriminalamt. 

ZUZ führt gefährliche Einsätze in ganz Deutschland durch

„Die Spezialeinheiten der Polizei waren immer weniger in der Lage, das alles auch für die Zollfahndung zu leisten“, erklärt Kommandoführer „Auge“. Eine eigene Truppe für den Zoll sollte her. Fünf Jahre dauerte die Einrichtung des Kommandos und die Auswahl und Ausbildung der ersten Beamten. 1998 war die ZUZ dann einsatzbereit. Ihren Sitz hat sie am Zollkriminalamt in Köln-Dellbrück. „Die Einheit fühlt sich in Köln sehr wohl. Rein geografisch hätte es sicherlich auch andere Orte gegeben“, so der Kommandoführer. Schließlich sind die Einsatzkräfte der ZUZ täglich an unterschiedlichen Orten in ganz Deutschland gefragt.

ZUZ-Wohnung

ZUZ-Beamte üben den Zugriff in einem Wohngebäude. (Symbolbild)

Seine Einheit könne man sich als „Servicedienstleister für die Zolldienststellen“ vorstellen, sagt „Auge“. Wenn die Zollfahndungsstellen ihre Ermittlungen abgeschlossen hätten und der Zugriff auf einen mutmaßlichen Täter erfolgen soll, der als gewaltbereit eingeschätzt wird, wird die ZUZ hinzugezogen. Dabei kann es sich um Taten aus der organisierten Form der Schwarzarbeit handeln, Zigarettenschmuggel und Drogen, aber auch den Artenschutz, wenn es um den illegalen Handel mit exotischen Tieren geht.

Waffenhändler nach Anschlag von München festgenommen

„In den vergangenen Jahren haben Gruppen die Wirtschaftskriminalität für sich entdeckt, deren Gewaltbereitschaft wir nicht vermutet hätten, darunter viele organisierte Kriminelle aus dem gesamten europäischen Raum“, sagt auch ZKA-Sprecherin Ruth Haliti. Die Tätergruppierungen haben sich extrem professionalisiert, weitreichende Verbindungen ins Ausland sind keine Seltenheit, auch der Handel über das Darknet macht neue Formen der Wirtschaftskriminalität erst möglich.

Wie brisant die Einsätze der ZUZ sein können, zeigt der Fall der Festnahme des Waffenhändlers im Zusammenhang mit dem Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum in München. Da der Fall als abgeschlossen gilt, darf „Auge“ darüber berichten. Ein 18-Jähriger erschoss am 22. Juli 2016 aus rechtsradikalen Motiven neun Menschen, fünf weitere wurden durch Schüsse verletzt. Die Tatwaffe hatte sich der 18-Jährige aus dem Darknet besorgt. Am 16. August 2016, nur wenige Wochen nach der Tat, wurde der 31-jährige Waffenhändler in Marburg festgenommen – von der ZUZ.

ZUZ-Beamter

Ein Beamter der ZUZ.

„Die Ermittler aus Frankfurt waren schon seit einigen Wochen an ihm dran“, so der Kommandoführer. Um den Mann identifizieren und festnehmen zu können, fingierte die ZUZ einen Waffenankauf. Vor Ort konnte der 31-Jährige dann wie geplant festgenommen werden. Als uneingeschränkten Erfolg möchte „Auge“ den Einsatz trotzdem nicht verbuchen. „Ich habe öfter gedacht, wenn das Glück uns mehr Hold gewesen wäre, hätten wir ihn schon ein paar Wochen früher gehabt. Und er hätte dem Jungen die Waffe nicht verkauft.“

Das Personal ist die Achillesferse

Dass die ZUZ an derart großen Einsätzen beteiligt ist, wissen nur die wenigsten Bürgerinnen und Bürger. Wenn die Spezialeinheit eingreift, trägt sie auf ihrer Ausrüstung nämlich das Wort „Polizei“. „Das ist in jeder Sprache und in jeder Situation verständlich“, erklärt „Auge“.

Mit wie vielen Beamtinnen und Beamten die ZUZ ihre zahlreichen Einsätze bestreitet, will der Kommandoführer nicht verraten. Klar ist jedoch: „Das Personal ist unsere große Achillesferse. Die Messlatte an die Bewerberinnen und Bewerber ist sehr hoch: Von zehn Leuten kommen vielleicht zwei bis drei durch das Auswahlverfahren. Wir sind immer auf der Suche nach Nachwuchs.“

ZUZ Einsatz

Eine Waffe und Schutzausrüstung gehören zu den Einsätzen der ZUZ dazu.

Bewerben dürfen sich Zollbeamtinnen und –beamte. Aber auch von der deutschen Rentenversicherung oder der Bundespolizei seien schon Kollegen zur ZUZ gewechselt. Doch obwohl der Kommandoführer immer von „Beamtinnen und Beamten“ spricht – Frauen gibt es bei der ZUZ kaum. In seiner Amtszeit habe sich nur eine Hand voll Frauen beworben, räumt er ein.

„Man muss wissen, worauf man sich einlässt“

„Wir sind total offen dafür“, sagt „Auge“. „Aber die Anforderungen im Auswahlverfahren sind für Frauen genau die gleichen wie für die Männer. Denn der Täter macht am Ende auch keinen Unterschied, wer da vor ihm steht.“ Einen Teil der Ausbildung absolvieren die ZUZler zusammen mit dem SEK, dazu kommen psychologische Tests vor der Einstellung. Die Messlatte liegt hoch. „Die ZUZ ist keine Rambotruppe“, erklärt auch Ruth Haliti. „Ich erlebe die Beamten als sehr reflektiert. Sie versuchen immer, das Risiko bei jedem Einsatz so gering wie möglich zu halten.“

Dass ein Spezialeinsatzkommando kein Job wie jeder andere ist, sollte Interessentinnen und Interessenten aber klar sein, sagen beide. Es herrscht ein Extremschichtbetrieb, der ganze Alltag ist von „der Einsatzlage“ geprägt, heißt es im Sicherheitsjargon. Hinzu kommen die körperlichen Herausforderungen. „Wenn man jemand ist, der jeden Abend um 18 Uhr pünktlich zu Hause bei seiner Familie sein will, dann ist man bei uns nicht richtig. Man muss wissen, worauf man sich einlässt“, sagt „Auge“.

Dass dem Beruf nicht nur besondere Zeiten, sondern auch eine besondere Gefahr eigen ist, sieht der Kommandoführer professionell. „Ein Streifenpolizist ist in seinem Job fast gefährdeter, weil für ihn nicht vorhersehbar ist, auf wen er trifft. Wir wissen immer, wo wir hinkommen. Wir sind sehr gut ausgebildet und wir sind sehr gut ausgestattet. Zum Glück sind wir bis dato von tödlichen Folgen verschont geblieben.“

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Tödliche Verletzungen können passieren

Selbst bei geplanten Einsätzen kommt es dennoch gelegentlich zu teils tödlichen Verletzungen von Spezialeinheitsbeamtinnen und -beamten. „Der Zugriff auf den Nürnberger Reichsbürger war geplant. Trotzdem ist dort ein Polizist zu Tode gekommen.“ 2017 war der selbst ernannte „Reichsbürger“ Wolfgang P. zu lebenslanger Haft verurteilt worden, nachdem er bei einem Polizeieinsatz in Franken einen SEK-Beamten erschossen hatte.

Für die Sicherheit der ZUZ habe es Vorteile, nicht so bekannt zu sein. „Schade ist natürlich, dass die Öffentlichkeit dadurch nicht mitbekommt, was der Zoll alles leistet“, so der Kommandoführer. Außer dem engsten Umfeld der Beamten weiß niemand, dass sie in einer Spezialeinheit arbeiten. „Wenn mich jemand in der Kneipe nach meinem Job fragt, sage ich meist, ich bin Finanzbeamter – was ja theoretisch auch stimmt“, sagt „Auge“ und lacht. „Dann ist das Interesse an meiner Arbeit ganz schnell erloschen.“

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