Verspätung und EntschädigungWas die Nato-Übung für Flugpassagiere aus NRW bedeutet

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Flugzeuge Luftwaffe - Nato-Übung Air Defender 2023

Vier Tornados der deutschen Luftwaffe

Das Manöver „Air Defender 23“ soll ab 12. Juni massive Auswirkungen auf den deutschen Luftraum haben.

Die größte militärische Übung der Nato im deutschen Luftraum wird ausgerechnet vor Beginn der NRW-Sommerferien zu möglicherweise erheblichen Einschränkungen im zivilen Flugbetrieb führen. Warum die Übung stattfindet, ob Flüge ausfallen, ob es Entschädigungsansprüche bei Verspätungen gibt und vieles mehr:

Was ist „Air Defender 23“ für eine Übung?

Es ist ein Manöver der Superlative, das unter Führung der deutschen Luftwaffe ab dem 12. Juni im deutschen Luftraum starten soll. Zwei Wochen lang üben 25 Staaten bei der „Air Defender 23“ die Verlegung großer Luftstreitkräfte, die größte Übung dieser Art seit Bestehen der Nato. Der Einsatz von mehr als 250 Militärmaschinen vom Transporter bis zum Kampfjet wird nicht ohne Folgen für den zivilen Luftverkehr in Deutschland bleiben.

Welche Auswirkungen hat „Air Defender 23“ auf den zivilen Flugverkehr?

Ob es nur zu einzelnen Flugverspätungen kommen wird, wie es die Bundeswehr angekündigt hat, ist umstritten. Denn in Bereichen, in denen Militärpiloten auf Sicht fliegen, haben zivile Maschinen aus Sicherheitsgründen nichts verloren.

„Die Militärübung ,Air Defender' wird natürlich massive Auswirkungen auf den Ablauf der zivilen Luftfahrt haben“, sagt der Chef der Lotsengewerkschaft GdF, Matthias Maas. Hintergrund ist, dass riesige Korridore für die Militärmaschinen stundenlang gesperrt werden.

Welche Korridore werden für Passagierflieger gesperrt?

Die Übungsflüge sollen in drei eng definierten Lufträumen stattfinden, die wochentags jeweils im Wechsel genutzt werden. Dabei soll ein Übungsraum Ost über Mecklenburg-Vorpommern und der Ostsee jeweils von 10 bis 14 Uhr als einziger auch für Tiefflüge reserviert sein. Der Raum Süd erstreckt sich von Lechfeld in Bayern nach Rheinland-Pfalz und soll von 13 bis 17 Uhr genutzt werden, bevor an den Raum Nord über der Nordsee von 16 bis 20 Uhr abgegeben wird. Passagiere ziviler Flüge können also vor allem in den frühen Morgenstunden sowie am Wochenende auf pünktliche Starts und Landungen hoffen.

Karte, die anzeigt, wo der deutsche Luftraum gesperrt wird

Verlegeübung Air Defender 23'

Welche Verspätungen werden durch „Air Defender 23“ erwartet?

Das Analysehaus A3M erwartet für die Flughäfen in Frankfurt und Berlin größere Probleme, weil sie in oder an den Übungsgebieten liegen. Im Laufe des Tages könnten sich Verspätungen bei einzelnen Flugzeugen addieren und so auch an anderen Einsatzorten für Verspätungen sorgen. Auch Ausfälle und Flugverlegungen hält man für möglich. Die Deutsche Flugsicherung will während der Übung ihr Personal aufstocken.

Zum Übungsbetrieb kommen noch Transferflüge von und zu außerhalb gelegenen Stützpunkten hinzu. Letztendlich könne das Manöver daher Auswirkungen auf sämtliche zivile Flughäfen in Deutschland haben. Wo Militärs üben, müssen die zivilen Maschinen umgeleitet werden – in ohnehin eng besetzte Luftsektoren, die nach und nach ebenfalls volllaufen. „Wo reguliert wird, sind Verspätungen unvermeidlich“, sagt ein Lotse.

Nato-Übung „Air Defender 23“: Was erwartet der Flughafen Köln/Bonn?

Der Flughafen Köln/Bonn stehe mit allen Partnern und den Luftverkehrsverbänden ADV und BDL in Austausch, teilt er mit. Diese setzten sich beim Bundesverkehrsministerium für Maßnahmen ein, die zur Reduzierung der Auswirkungen beitragen können, sagte ein Sprecher des Flughafens dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Luftfahrtexperten schätzen, dass die Nato-Übung Köln/Bonn weniger trifft als andere Standorte, denn Köln ist kein Drehkreuz für Passagierflüge und liegt außerhalb der Übungsgebiete. Und drittens: Anders als Düsseldorf hat Köln/Bonn kein Nachtflugverbot, Verspätungen führen also nicht zwingend zu Flugausfällen, Jets können später landen oder starten als geplant, müssen aber nicht auf andere Airports ausweichen.

Nato-Übung „Air Defender 23“: Was passiert am Flughafen Düsseldorf?

Der Airport Düsseldorf hat ein Nachtflugverbot. Flughafenchef Lars Redeligx hat deswegen seit Wochen in der Politik darauf gedrängt, es vorübergehend aufzuweichen. Mit Erfolg. Das NRW-Verkehrsministerium wird die zuständige Bezirksregierung anweisen, das Nachtflugverbot in Düsseldorf zwischen 12. und 23. Juni nur teilweise anzuwenden. Auch der Bund hatte die Länder darum gebeten. Die Anweisung des Landes sieht vor, „zeitlich befristete Einzelfallausnahmen von den Nachtflugbeschränkungen zu genehmigen.“ Flieger dürfen also häufiger auch nach Mitternacht landen. 

Nato-Übung „Air Defender 23“: Was unternehmen die Fluggesellschaften?

„Flugstreichungen sind nicht geplant“, sagte ein Sprecher der Eurowings dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Dienstag. Eurowings ergreife alle Maßnahmen, um den Flugbetrieb trotz der Militärübung so stabil und zuverlässig wie möglich durchzuführen. „Wie auch sonst bei möglichen Beeinträchtigungen im Flugbetrieb wird Eurowings ihre Fluggäste zeitnah informieren“, so der Sprecher. 

Haben Passagiere Anrecht auf Entschädigung durch Verspätungen?

Eher nicht. „Sofern ein Flug wegen einer durch die Nato-Übung entstandenen Verzögerung annulliert werden muss, handelt es sich um einen außergewöhnlichen Umstand und es sind keine Entschädigungszahlungen zu erbringen“, ist der Standpunkt von Eurowings.

Das sehen auch Verbraucheranwälte ähnlich. „Die kommende Nato-Übung ist als ein außergewöhnlicher Umstand einzustufen und daher bestehen geringe Aussichten auf eine Entschädigungszahlung nach der Fluggastrechteverordnung für Betroffene des Chaos“, so Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin beim Verbraucherportal Flightright. Anders sieht das aus, wenn der Flug komplett entfällt: „Wenn der eigene Flug aufgrund der Nato-Übung ausfällt, haben Reisende die Wahl, ob sie eine Ersatzbeförderung erhalten oder die Ticketkosten zurückbekommen möchten“, so Brosche.

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