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Tragbare AssistenzsystemeWarum Exoskelette das Handwerk revolutionieren könnten

4 min
09.07.2025, Köln: „Exoskelette im Handwerk“, eine Informationsveranstaltung der Handwerkskammer zu Köln.
Im Bild Ursula Esser

Foto: Michael Bause

Die Dachdeckerin Ursula Esser wechselt mithilfe eines Exoskeletts einen Autoreifen.

Nur wenige Kölner Handwerksbetriebe setzen Exoskelette ein. Dabei könnten sie die Arbeitsbedingungen verbessern.

Der Tischler Meinhardt Kreinjobst greift nach einem 35 Kilogramm schweren Betonfuß und hebt ihn hoch. Sein Blick ist konzentriert, die Bewegungen vorsichtig. Eigentlich dürfe der 58-Jährige nicht mehr schwer heben, sagen seine Ärzte. Wegen seiner Hüfte. Doch das Exoskelett auf seinem Rücken hilft ihm.

Ein kleiner Impuls reicht, dann zieht das futuristisch anmutende Gerät seinen Rücken kraftvoll wieder in eine aufrechte Position. So kompensiert es das Gewicht des Steins um bis zu 38 Kilogramm. Henning Habel vom Augsburger Hersteller „German Bionic“ hat ihm das Gerät wie einen Rucksack auf den Rücken gesetzt und sorgsam an Brustkorb, Hüfte und Oberschenkeln fixiert. In Höhe von Kreinjobsts unterem Rücken blinkt ein Akku.

„Man merkt es erst, wenn es schon zu spät ist“

Hätte sein Tischlerbetrieb bereits vor 25 Jahren Exoskelette eingesetzt, würde Kreinjobst heute vielleicht noch arbeiten können. Langsam schädigte die körperliche Arbeit die Hüftgelenke des gelernten Tischlers. Vor fünfeinhalb Jahren ging schließlich nichts mehr. Da war er gerade einmal 52 Jahre alt. Er bekam ein künstliches Hüftgelenk, das zweite wird vermutlich bald folgen. „Man merkt es erst, wenn es schon zu spät ist“, sagt Kreinjobst leise. Er vermisst seinen Job sehr.

Der Tischler Manfred Kreinjobst kann seinen Beruf nicht mehr ausführen, weil er von Jahrzehnten der Arbeit Hüftprobleme hat. Bei der Handwerkskammer Köln hebt er einen 35 Kilogramm schweren Betonfuß mithilfe eines Exoskeletts mühelos hoch.

Der Tischler Manfred Kreinjobst kann seinen Beruf nicht mehr ausführen, weil er von Jahrzehnten der Arbeit Hüftprobleme hat.

Die Themen Gesundheit und Ergonomie im Handwerk sind längst keine Randthemen mehr. Bei der Handwerkskammer zu Köln stellen an diesem Tag vier Hersteller ihre Exoskelette aus. „Es geht nicht um Leistungssteigerung, sondern darum, die Arbeitsbedingungen zu verbessern“, sagt die Geschäftsführerin der Handwerkskammer, Stephanie Bargfrede, in ihrer Begrüßungsrede. Rund 200 Teilnehmende aus Handwerk und Pflege haben sich bei den Veranstaltern angemeldet, darunter eine gesamte Klasse der Meisterschule der Handwerkskammer.

Ein junger Handwerker testet das Exoskelett von Festool. Es stützt seine Arme, während er mit dem Langhalsschleifer an Balken über seinem Kopf entlangfährt. Wer die Exoskelett-Hand des Herstellers Carl Stahl trägt, hat plötzlich deutlich mehr Griffkraft. Am Stand von Htrius wechselt die Meisterschülerin Ursula Esser mithilfe eines Exoskeletts die Reifen eines Kleinwagens. Die schweren Reifen anzuheben, falle ihr jetzt leichter, sagt sie. Das Exoskelett, das sie trägt, funktioniert mit einer Feder, die sich beim Bücken auflädt und beim Aufrichten wieder expandiert.

Mit 50 schon den Rücken kaputt – oder in Gesundheit investieren?

„Die Exoskelette sind auf jeden Fall noch ausbaufähig“, befindet Esser. Sie arbeitet seit 2019 als Dachdeckerin in einem Betrieb aus Wesseling. Bei manchen Bewegungen sei so ein Exoskelett sogar hinderlich, unter anderem könne man den Oberkörper nicht gut eindrehen. Für andere, monotone Arbeiten könne sie es sich hingegen gut vorstellen. Beispielsweise, wenn Ziegel auf dem Dach verteilt oder lange PVC-Bahnen in gebückter Haltung mit dem Föhn angebracht werden müssten. „Vielleicht ist sowas auch gut fürs Pfannenwerfen“, sagt ein weiterer Handwerker über ein anderes Modell und lacht. „Wobei, vielleicht fegt man die andere Person dann auch vor lauter Kraft vom Dach.“

09.07.2025, Köln: „Exoskelette im Handwerk“, eine Informationsveranstaltung der Handwerkskammer zu Köln.

Foto: Michael Bause

Ein Exoskelett hilft beim Einsatz eines Langhalsschleifers.

Der Markt für Exoskelette wächst stetig. Zwei der Aussteller berichten, ihr Umsatz habe sich von 2023 zu 2024 verdoppelt. Genaue Zahlen nennen sie nicht. Für viele Besucher ist es der erste Kontakt mit Exoskeletten, denn in Köln sind diese bislang kaum verbreitet. Aktuell setzten lediglich zehn Handwerksbetriebe in Köln solche Geräte ein – vor allem in den Bereichen Trockenbau, Malerarbeiten und Elektrohandwerk, sagt Jochen Albert vom Baustoffhandel Fassbender Tenten. Er vertreibt Exoskelette an Unternehmen in der Region Köln.

An den Kosten liege das nicht. Die Exoskelette der Aussteller kosten zwar zwischen 2.000 und 30.000 Euro pro Stück, doch „wem Gesundheit wichtig ist, der hat auch das Geld dafür übrig“, sagt Albert. „Gerade die Jüngeren haben keine Lust mehr, wie ihr Meister mit 50 schon den Rücken kaputt zu haben.“ Dachdeckerin Esser hat das in ihrem Umfeld ähnlich erlebt. „Die Altgesellen sind schon etwas steifer im Denken“, sagt sie. „So nach dem Motto: Wir haben es Jahrzehnte ohne geschafft, wir brauchen sowas nicht.“ Die junge Generation sei offener gegenüber neuen Technologien und sensibler, was das Thema Gesundheit angeht.

Der Tischler Meinhardt Kreinjobst legt das Exoskelett wieder ab. Es entlaste zwar den Wirbelbereich, sein künstliches Hüftgelenk allerdings weniger. „Ich könnte mir aber vorstellen, dass es andere Modelle gibt, die besser für meine Hüfte geeignet sind“, sagt er. Vielleicht könne ihm ein Exoskelett sogar ermöglichen, wieder zu arbeiten. Er nickt zu einem Plakat herüber, auf dem ein Mann mit Ganzkörper-Exoskelett abgebildet ist. „Der Mensch der Zukunft?“, fragt er und lacht.