Am Freitagmorgen kam für die Verhandlungsführer das erlösende Signal aus dem amerikanischen Dearborn: Die Ford Motor Company hatte dem Sicherungspaket zugestimmt. Ein Überblick
US-Konzern-Mutter stimmt zuSo werden die Mitarbeiter von Ford in Köln im Ernstfall abgesichert

Marcus Wassenberg, Geschäftsführer von Ford Deutschland, nach der Entscheidung aus den USA am Werkstor in Köln.
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Das Verhandlungsergebnis, auf das sich die deutsche Geschäftsführung unter Leitung von Marcus Wassenberg und Betriebsrat unter Benjamin Gruschka sowie die IG Metall nach hartem Ringen und 17 Sitzungen im Mai geeinigt hatten, spannt für die Fordler ein Sicherheitsnetz. Unabhängig davon, wie es am Standort Köln weitergeht, ist die Belegschaft mit 11.500 Beschäftigten nun für den Ernstfall zumindest finanziell gut abgesichert.
Ob der sogenannte „Insolvenzschutz“ auch wirklich durchkommen sollte, hatte im Werk seit Wochen für starke Anspannung gesorgt. In insgesamt drei Betriebsversammlungen wurden die Ford-Beschäftigten am Freitag über die Ergebnisse informiert, die erste um 9.45 Uhr, eine weitere am Nachmittag und die letzte am späten Abend für die Spätschicht. Teilnehmer sprechen davon, dass die Erleichterung in den Versammlungen groß gewesen sei. „Sicher keine Euphorie, aber wenigstens wissen wir jetzt, dass wir im Krisenfall nicht mit leeren Händen gehen müssen“, sagte ein Ford-Mitarbeiter am Werkstor. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Mit dem erzielten Gesamtpaket haben wir ein sicheres Netz für alle geschaffen
Worum geht es? Die deutsche Ford-Geschäftsführung, die IG Metall und der Gesamtbetriebsrat haben zusammen mit dem US-Konzern ein „Schutzpaket“ für die Beschäftigten geschnürt. Damit sei eine Absicherung für alle Beschäftigten bis Ende 2032 vereinbart. „Mit dem erzielten Gesamtpaket haben wir ein sicheres Netz für alle geschaffen“, so der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Benjamin Gruschka. „Die Kolleginnen und Kollegen haben jetzt eine garantierte Planungssicherheit für unterschiedlichste Szenarien“, sagt Kerstin Klein, Verhandlungsführerin von der IG Metall. Geschäftsführer Marcus Wassenberg spricht von einem „guten Tag für die Beschäftigten“. Die Verhandlungen seien hart und intensiv gewesen. Das Unternehmen habe nun Flexibilität und Handlungsspielraum.
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Benjamin Gruschka, Gesamtbetriebsrat von Ford Deutschland und Europa, erklärt vor Tor 24 in Köln-Niehl die Verhandlungsergebnisse vor der Presse.
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Was heißt das konkret? Ford will bis Ende 2027 in Europa 4000 Jobs streichen, darunter 2900 in Deutschland, vor allem in Köln. Das war bislang nicht durchsetzbar, denn bis 2032 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Die Arbeitnehmerseite muss also zustimmen. Diese Garantie brachte Betriebsrat und Gewerkschaft in den Verhandlungen in eine relativ starke Position. Als die Gespräche stockten, riefen die Gewerkschaften im Mai zum ersten Mal in der Kölner Ford-Geschichte zum Streik auf. Einen Tag lang ruhte die Arbeit in den Werken. Das führte dem Vernehmen nach auch in den USA zu Irritationen. Die Gewerkschafter bekräftigten mit der Arbeitsniederlegung ihre Forderung, dem Jobabbau nur zuzustimmen, wenn es eine Absicherung für alle 11.500 Beschäftigte gäbe – etwa für den theoretischen Fall einer Insolvenz von Ford Deutschland.
Konzernmutter sicher Abfindungen ab
Warum war eine komplette Absicherung notwendig geworden? Die US-Konzern-Mutter hatte im März verkündet, künftig nicht mehr für ihre deutsche Tochter in weitreichendem Umfang zu bürgen und Schulden zu übernehmen. Damit wäre nach Einschätzung der Arbeitnehmerseite eine Insolvenz theoretisch möglich. Sollte der Fall tatsächlich eintreten, wären auf einen Schlag alle Vereinbarungen zugunsten der Arbeitnehmer wie etwa Abfindungsprogramme, Altersteilzeit etc. hinfällig. Die Fordler bekämen durch einen Insolvenzverwalter nur das gesetzliche Minimum. Das sollte auf jeden Fall verhindert werden. Die Konzernmutter sollte sich verpflichten, auch im Ernstfall für die Abfindungszahlungen finanziell geradezustehen. Dem hat sie nun zugestimmt.

Kerstin Klein von der IG Metall. Bei Ford wird die Entscheidung der US-Mutter verkündet, inwieweit die Belegschaft von 11.500 Menschen in Köln im Falle einer Insolvenz trotzdem mit Abfindungen abgesichert sind.
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Was bekommt das Unternehmen im Gegenzug? Ford kann jetzt die angekündigten 2900 Stellen bis Ende 2027 abbauen. Man setzt dabei zwar vor allem auf das freiwillige Annehmen von Abfindungen. Die neue Vereinbarung sieht nach Firmenangaben aber vor, dass betriebsbedingte Kündigungen möglich sind, sollten alle sozialverträglichen Maßnahmen ausgeschöpft sein. Sollten sich also nicht genug Arbeitnehmer finden, die freiwillig gehen, könnte die Firma letztendlich doch noch auf betriebsbedingte Kündigungen setzen.
Wird es genug Freiwillige geben? Da gehen die Meinungen auseinander, denn Ford hat bereits mehrere Sparrunden hinter sich, und mehrere tausend Menschen haben die Firma bereits verlassen. Zudem gibt es etwa in der Produktentwicklung mit vielen gut bezahlten Designern und Ingenieuren noch rund 500 Stellen aus der letzten Sparrunde, die noch nicht abgebaut sind. Mit dem neuen Anlauf sollen nun nochmal über 600 dazukommen, die gehen müssen. Ob das gelingt, ist fraglich, da der Wechsel innerhalb der krisengeschüttelten Autobranche nicht mehr so einfach ist. Auch angrenzende Bereiche schwächeln derzeit– mit Ausnahme der Rüstungsindustrie.
Sechsstellige Abfindungen wahrscheinlich
Um welche Summen geht bei dem gesamten Paket, die die Ford Motor Company im schlimmsten Fall bereitstellen müsste? Nach Informationen dieser Zeitung umfasst das 60-seitige Vertragswerk – für alle worst-case-Szenarien, von denen bislang noch unklar ist, ob sie eintreten – ein finanzielles Volumen von einem mittleren einstelligen Milliardenbetrag.
Wie sehen die Konditionen für die Beschäftigten genau aus? Weder Arbeitnehmer noch das Unternehmen möchten sich dazu derzeit öffentlich äußern. Laut Teilnehmern der Betriebsversammlungen sind die Abfindungen aber sehr lukrativ und besser als manche Programme in der Vergangenheit. Zu erfahren war, dass es einen Sockelbetrag von 80.000 Euro gibt und drei Modelle je nach Alter gestaffelt. Mehr als 300.000 Euro könnten dabei unter dem Strich unter Umständen rauskommen. Zudem gibt es Zuschläge für Menschen mit unterhaltspflichtigen Kindern, Schwerbehinderung sowie einen Extra-Bonus für IG Metallmitglieder, so Kerstin Klein von der IG Metall.
Die Möglichkeit über Altersteilzeitprogramme aus dem Unternehmen auszuscheiden wurde erweitert. „Zudem wurde vereinbart, dass vom Abbau betroffene Beschäftigte ihren Arbeitsplatz mit ausscheidewilligen Beschäftigten aus anderen Bereichen tauschen können“, sagt David Lüdtke, Vertrauenskörperleiter Ford Werke Niehl-Merkenich. Für den Fall von Betriebsübergängen wurden laut IG Metall Prozesse und Absicherungen für die Betroffenen vereinbart. Für potenzielle Investoren seien Mindestanforderungen gestellt worden. Für die Beschäftigten blieben die bestehenden Arbeitskonditionen unangetastet.
Was bedeuten Betriebsübergänge konkret? Ford möchte sich von einzelnen Teilen der Produktionsanlagen auf dem Niehler Gelände trennen, die für den Bau von E-Autos nicht mehr gebraucht werden. So soll nach Informationen dieser Zeitung das Druckguß-Werk komplett mit Hallen, Maschinen und Belegschaft von rund 1500 Fordlern an einen ausländischen Investor verkauft werden.
Wie geht es weiter? Im Herbst muss die Belegschaft in einer Urabstimmung entscheiden, nicht weiter zu streiken – und damit indirekt dem Paket zustimmen. Beobachter gehen davon aus, dass das gelingt. Dann werden Unternehmen und Betriebsrat im Detail in Gespräche gehen, welche Positionen in welchen Bereichen genau gestrichen werden sollen. Wie es dann aber darüber hinaus mittelfristig am Standort Köln grundsätzlich weitergeht, ist derzeit noch unklar.