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CSD-DemonstrationIst Köln wirklich so tolerant wie gerne behauptet?

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Die Parade beim Start auf der Deutzer Brücke im vergangenen Jahr.

Die Demonstration beim Start auf der Deutzer Brücke im vergangenen Jahr.

Am Sonntag, 6. Juli, zieht die CSD-Demonstration durch Köln. Wie ist die Stimmung angesichts wachsender Hasskriminalität?

Hape Kerkeling und sein Mann sind Anfang 2024 nach zehn Jahren in Berlin zurück nach Köln gezogen. Die Begründung: Die Atmosphäre in der Hauptstadt sei „deutlich homophober geworden“. Und, wie Kerkeling in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte: „Eine gewisse Toleranz, leben und leben lassen, liegt in den Genen des Rheinländers. Kulturell trägt das sicher dazu bei, dass das Leben hier insgesamt leichter genommen wird. Das macht Köln zu einer besonders toleranten Stadt in Deutschland.“

Viel Lob für die sonst oft kritisierte Stadt. Gerade in den Tagen der Feierlichkeiten zum Cologne Pride, der sein Finale in der großen Demonstration am Sonntag hat, steht dies nun wieder auf dem Prüfstand. Uwe Weiler ist hauptamtlicher Geschäftsführer des Vereins Cologne Pride und organisiert das Riesenevent. Vor dem Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor einigen Tage hatte er gerade eine Mail an die 240 Gruppen herausgeschickt, die diesmal in der Parade dabei sind. Darin wird die Reihenfolge der Wagen und Fußgruppen bekannt gegeben. „Da werden gleich viele Nachfragen und Änderungswünsche kommen“, weiß er aus Erfahrung und lacht. 

Kölner CSD-Demonstration ist die größte Europas

Zehntausende Teilnehmer, mehr als eine Million Zuschauer, vier Bühnen mit 70 Stunden Programm in der Innenstadt. Die Sache läuft, seit vielen Jahren. 1991 gab es die erste Parade, damals mit nur 500 Teilnehmern. Inzwischen ist es die größte in Europa.

21.07.2028, Köln: Cologne Pride Demo.Foto:Dirk Borm

Wie schrill soll die Parade sein?

Also alles eitel Sonnenschein in Köln? Uwe Weiler differenziert. „Ich wohne hier seit 25 Jahren, die ersten Jahre in der Schaafenstraße, also mitten in der Szene. Da hat sich schon einiges verändert. Es kommt immer häufiger vor, dass Autos durch die Straße fahren und man beschimpft oder sogar bespuckt wird. Die Hemmschwelle ist gesunken.“ Vor zehn Jahren sei er noch abends Hand in Hand mit seinem Freund über die Ringe gegangen. „Das mache ich nicht mehr.“

Wachsende Hasskriminalität gegen queere Menschen verzeichnet auch die Kölner Staatsanwaltschaft. 2023 waren es 156 Verfahren, ein Anstieg von 17 Prozent im Vergleich zu 2022. 2021 gab es 36 Fälle. „Diese Entwicklung ist besorgniserregend“, sagt Uwe Weiler. „Das ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die nicht nur die queere Community betrifft.“

Die Polizei ist krass auf unserer Seite
Uwe Weiler

Beim CSD 2024 war es zu einem Zwischenfall gekommen: Mehrere Personen hatten auf der Ehrenstraße mit rechtsextremen Parolen gestört und Regenbogenfahnen abgerissen. Die Polizei stellte Strafanzeige gegen 13 Männer im Alter zwischen 18 und 30 Jahren und erteilte ihnen Platzverweise. Uwe Weiler erinnert sich aber an keine weiteren Vorfälle. Einmal habe sich eine kleine Gegendemo auf dem Breslauer Platz formiert. „Doch die hat die Polizei so schnell aufgelöst, dass wir gar nichts davon mitbekommen haben.“ Überhaupt sei die Zusammenarbeit mit der Kölner Polizei ganz hervorragend. „Die Polizei ist krass auf unserer Seite.“ Das sei nicht in allen Städten so, vor allem in Ostdeutschland. Queere Polizeibeamtinnen und Beamte fahren schon seit langem in eigenen Wagen in der Kölner Parade mit. „Ich bin froh, dass ich hier in Köln den CSD organisiere. Kollegen in anderen Städten haben es da wesentlich schwerer.“

21.07.2028, Köln: Cologne Pride Demo.Foto:Dirk Borm

Wie politisch soll die Parade sein?

Auch gebe es in Köln eine Community, die gut zusammenhalte – dazu gehöre zum Beispiel die Aidshilfe. Er wisse aus anderen Orten, dass die Szene dort wesentlich fragmentierter sei. „Köln ist auch irgendwie ein Dorf.“ Man habe starke Partner und seit 2006 mit der Stadtarbeitsgemeinschaft Queerpolitik einen direkten Kontakt zum Rat. Städtische Mitarbeiter sind zum siebten Mal bei der Parade dabei.

Uwe Weiler, Geschäftsführer von Cologne Pride

Uwe Weiler, Geschäftsführer von Cologne Pride

„Die Parade richtet sich auch an die heteronormative Gesellschaft“, sagt Weiler. Denn der eigenen Community müsse man die Ziele ja nicht mehr erklären. Dabei gelte auch: „Man darf die Gesellschaft nicht überfordern.“ Und er erinnert daran, dass die meisten queeren Menschen ein völlig unauffälliges Leben führen.  

Genau das ist jedes Jahr aufs Neue der Anlass zu Diskussionen im Verein: Wie schrill darf die Parade sein? Wie schrill muss sie sein? Wie groß, wie kommerziell, wie politisch? Welche Politiker und Medien sind erwünscht, muss dieser Schlagerfuzzi auftreten? Zum „Schrillheitsfaktor“ sagt Uwe Weiler: „Es darf jeder mitgehen, wie er will – solange er sich ans Gesetz hält. Wir machen da keine Einschränkungen.“

Partnerschaft mit Ford, dem 1. FC Köln, Rewe und der Rheinenergie

Die Veranstaltung finanziert sich durch Sponsorengelder. Rewe, die Rheinenergie und Ford gehöre zu den großen Förderern. Wobei Weiler betont: „Der Anstoß kommt aus den Belegschaften.“ Schon seit 2013 besteht die Partnerschaft mit dem 1. FC Köln. Es gibt Bandenwerbung im Stadion, Gespräche mit Fans und Mitarbeitern. „Das ist die perfekte Art, um unsere Themen rüber zu bringen.“ Ford ist seit 28 Jahren beim CSD dabei. Wegen der Anti-Queer-Politik von Donald Trump sei die Unterstützung nun „leicht zurückgefahren“, sagt Weiler. Ford stelle aber weiterhin den gesamten Fuhrpark für die Parade.

21.07.2028, Köln: Cologne Pride Demo.Foto:Dirk Borm

Teilnehmer bei der CSD-Parade 2024

Dass die queere Community in Köln eine feste Größe ist, zeigen die Ergebnisse einer Studie, die die Stadt 2019  auf Initiative der Stadtarbeitsgemeinschaft Queerpolitik in Auftrag gegeben hatte. Danach bezeichnen sich 10,6 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner zwischen 18 und 75 Jahren als lesbisch, schwul, bisexuell, trans, inter oder queer. Das sind mehr als 87.000 Kölnerinnen und Kölner. Der Anteil in Köln liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt (6,9 Prozent). 53 Prozent aller Kölner finden das gut, 17 Prozent bewerten das als negativ. Überdurchschnittlich viele queere Menschen (78 Prozent) sind nicht in Köln geboren, sondern im Erwachsenenalter hierhergezogen. Die eigene sexuelle Orientierung war mit 51 Prozent der meistgenannte Umzugsgrund.

Kölner CSD ist der beliebteste in Deutschland

Auch für Firmen ist das Klima wichtig: 86 Prozent der befragten Unternehmens-Chefs in Köln sagen: „Das Klima von Toleranz und Weltoffenheit macht Köln attraktiv für hoch qualifizierte Fachkräfte.“ Eine Mehrheit der Unternehmen (53 Prozent) sagt, dass dies bei der Entscheidung, sich in Köln anzusiedeln, wichtig gewesen sei. Bei jüngeren Unternehmen sind es sogar 67 Prozent.

Zum Ruf von Köln haben sicherlich auch die vielen offen schwulen und lesbischen Prominenten beigetragen, die hier leben und arbeiten. Und Hape Kerkeling ist nun auch wieder dabei.

Uwe Weiler hat inzwischen die ersten Rückmeldungen auf seine Mail bekommen – wie erwartet, sind viele Änderungswünsche dabei.


Die CSD-Demonstration findet am Sonntag, 6. Juli, statt. Sie startet um 11.30 Uhr auf der Deutzer Brücke und zieht dann durch die Innenstadt. Bei der Eröffnung dabei sind Oberbürgermeisterin Henriette Reker, NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne), Staatsministerin Serap Güler (CDU), Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und EU-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).

Das CSD-Straßenfest findet auf Heumarkt, Alter Markt, Gürzenichstraße und Elogiusplatz von Freitag bis Sonntag statt. Freitag gibt es Programm von 16 bis 23 Uhr, Samstag von 12 bis 23 Uhr und Sonntag von 12 bis 22 Uhr.