Die Zahl der Bio-Betriebe sinkt, besonders in NRW. Was treibt den 30-jährigen Kilian Busch aus Düren, dieses schwierige Terrain zu betreten?
„Werden nicht in Geld schwimmen“Wie ein junger Landwirt aus der Region auf Bio umstellt

Mit seinen schottischen Hochlandrindern beweidet Kilian Busch in einem Nachhaltigkeitsprojekt die Drover Heide im Kreis Düren.
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Ein bisschen sieht es aus wie das Paradies, zumindest in den Augen von Kilian Busch: eine karge, weitläufige Heidelandschaft, zufrieden grasende Kühe, Ruhe. Keine Melkroboter, kein Stall, keine Schlachtbank in der Nähe. Stattdessen hält der Dürener Jung-Landwirt seinen schottischen Hochlandrindern ein paar Äpfel hin – Fallobst vom eigenen Hof in Stockheim. Zwischen seinen Beinen wuselt Hündin Wilma hin und her. „Nach Möglichkeit sollte Tierhaltung doch genau so aussehen“, sagt der 30-Jährige, der vor drei Jahren in das kleine Familienunternehmen, ein Mix aus Viehhaltung und Ackerbau, eingestiegen ist und den Betrieb gemeinsam mit Vater Friedel im Juli zusätzlich auf Bio umgestellt hat.
Damit schwimmen die Buschs in gleich zweifacher Hinsicht gegen den Strom. Über die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebsleiter in Nordrhein-Westfalen sind älter als 55 Jahre, das geht aus der Agrarstrukturerhebung von 2023 hervor. Gerade einmal 7,1 Prozent sind zwischen 25 und 34 Jahre alt, so jung wie Kilian Busch.
Höfesterben in Deutschland: Rückgang der Bio-Betriebe um 2,2 Prozent
Zudem ist Höfesterben nicht nur in der konventionellen Landwirtschaft ein Problem. Es gibt sie zwar, diejenigen, die den Kurs wechseln, oder neu ins Ökogeschäft einsteigen. Im Saldo ging die Anzahl der Bio-Betriebe im Jahr 2024 aber um 2,2 Prozent zurück. 35.881 Höfe wirtschaften laut Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) in Deutschland ökologisch, also in etwa jeder siebte Betrieb. „Strukturwandel, schwieriger Generationswechsel und ökonomischer Druck machen auch vor dem Öko-Sektor nicht Halt“, begründet Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer den Abwärtstrend.
In Nordrhein-Westfalen ist der Anteil mit 2212 Höfen und etwa 6,5 Prozent nochmals deutlich geringer als im bundesweiten Schnitt. Zwar nimmt die bewirtschaftete Bio-Fläche leicht zu – fast 92.000 Hektar listet das Ministerium für NRW auf. Doch auch das sind nur 6,1 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche. Das Ziel, das sich die Landesregierung mit der Nachhaltigkeitsstrategie gesteckt hat, scheint in weiter Ferne: Eigentlich sollte der Ökolandbau bis 2030 auf 20 Prozent ausgebaut werden. Er sei das Leitbild „für eine zukunftsfähige, ökologisch verträgliche und zugleich ökonomisch erfolgreiche Landbewirtschaftung.“ Gehemmt wurde die Umstellungsbereitschaft laut Landwirtschaftsministerium etwa durch die Verunsicherung der Verbraucher als Reaktion auf den Ukrainekrieg und höhere Inflationsraten – die spürten auch die Bauern. Nicht zuletzt sei die Entscheidung für Bio freiwillig und individuell.
Infrastruktur und Logistik für Bio-Landwirte im Rheinland „nebulös“
Dass viele Kollegen verhalten sind und weiterhin auf konservative Bewirtschaftung setzen, kann Kilian Busch verstehen. Allein die Öko-Flächenprämie – das Land und der Bund zahlten allein im Jahr 2024 insgesamt 22,4 Millionen Euro an über 1900 Öko-Betriebe in NRW – würde nicht genügend Anreize schaffen. Die Krux liege in der Infrastruktur: „Ich kriege die Kulturen angebaut, da habe ich keinen Zweifel. Aber die Logistik ist nebulös.“ Getreidelager oder Umschlagplätze für Bioerzeugnisse würden insbesondere im Rheinland fehlen. Auch die regionalen Vermarktungsstrukturen müssten seiner Meinung nach ausgebaut werden, „anstatt durch überregionales Einkaufen und Importe einen Abfluss an Wirtschaftsleistung aus der Region zu verschärfen“. Das sieht auch das Land NRW: „Zunehmend richten wir unseren Blick auf den Markt: Hier insbesondere auf bioregionale Wertschöpfungsketten, den Bereich der Außer-Haus-Verpflegung, die Verbraucherkommunikation und die Absatzförderung.“ Schließlich seien die Bauern auf die Nachfrage angewiesen, um stabile Preise und ihr Überleben zu sichern, sagt Busch.
Aus wirtschaftlichen und familiären Gründen hatte auch sein Hof, den er nun in fünfter Generation betreibt, bislang wenig mit Bio am Hut. Doch anders als seine Vorfahren, die das Zepter nur schwerlich aus der Hand gegeben hätten, sei sein Vater offen gewesen, es anders zu machen. Statt seinen Sohn im Betrieb anzustellen, haben die beiden eine GbR gegründet – mit gleichem Stimmrecht. „Die Freude, die ich an dem Beruf empfinde, hätte ich nicht, wenn ich nur auf Zuruf arbeiten würde. Die Entscheidungshoheit darüber zu haben, kreative Prozesse anzuschieben ist das, was es spannend macht.“
Die Umstellung auf Bio etwa, „ist ganz klar Kilians Ding“, sagt Friedel Busch. Er könne zwar seine Erfahrung einbringen, er kenne schließlich den Boden, auf dem er seit über 40 Jahren arbeitet. Die Verantwortung tragen Vater und Sohn jedoch seit 2022 gemeinsam.
Ich war nie das Bauernkind, das aus der Schule gekommen ist, Rucksack in die Ecke und ab auf den Trecker. Geholfen wurde nur, wenn wirklich Not am Mann war
Dass es einmal dazu kommen würde, war nicht immer klar. Der Generationswechsel sei in allen Betrieben ein Problem - Bio oder nicht. „Viele junge Menschen sehen sich nicht in dem Berufsfeld“, sagt Kilian Busch. Das höre er von befreundeten Familien und anderen Höfen. „Dadurch, dass Job und Leben an einem Fleck stattfinden, kriegst du den Stress von klein auf mit. Es ist immer zu viel Arbeit und wenn es ganz schlecht läuft auch zu wenig Geld.“ Von dem häufig romantisierten Bauernleben sei die Realität manchmal weit entfernt. Für einige sei das Grund genug zu sagen: „Das tu ich mir nicht an.“ Oder die Eltern raten der Jugend sogar davon ab, den gleichen Weg zu beschreiten.

Gelungener Generationenwechsel: Kilian Busch (Mitte) ist 2022 in den Familienbetrieb mit Vater Friedel (links) eingestiegen und mit seiner Frau Sophia und Sohn Ferdinand zurück auf den elterlichen Hof gezogen.
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Auch Kilian Busch hat seine Zukunft lange Zeit nicht in der Landwirtschaft gesehen. „Ich war nie das Bauernkind, das aus der Schule gekommen ist, Rucksack in die Ecke und ab auf den Trecker. Geholfen wurde nur, wenn wirklich Not am Mann war.“ Er interessierte sich fürs Klettern, Kultur und Konzerte, wollte Lehrer werden. Ein Praktikum bei Farmern in Kanada, fernab von eigenen familiären Verpflichtungen, ließ ihn schließlich umdenken.
„Das war eine andere Freiheit. Die Entspanntheit der Menschen hat mich begeistert und das Teamwork irgendwie angesteckt.“ Er kam zurück, studierte Sustainable Agriculture (Nachhaltige Landwirtschaft) an der Hochschule in Rhein-Waal. „Da hat man gemerkt, dass Landwirtschaft auch anders sein kann.“
Beim rheinland-pfälzischen Ableger des Öko-Anbauverbands Bioland, bei dem die Buschs jetzt Mitglied sind, ging er in die Ackerbauberatung. Und: Er unterstützte andere Betriebe bei der Umstellung auf Bio. „Irgendwann hat es mich doch in den Fingern gejuckt, zurück in die Praxis zu gehen. Und bei Papa hat es auch gepasst.“
Familienbetrieb in fünfter Generation
Sein 60-jähriger Vater muss sich nun keine Sorgen mehr darüber machen, wie es mit dem Hof in Zukunft weitergeht – verpachten oder verkaufen? „Der Jung macht’s“, sagt Friedel Busch. Auf dem 1870 erschlossenen Grundstück lebt er nun Tür an Tür mit seinem Sohn, seiner Schwiegertochter Sophia und dem einjährigen Enkel.
Genauso wie ihr Mann hat auch Sophia Busch nachhaltige Landwirtschaft studiert, auf einem Hof aufgewachsen ist sie nicht, erzählt sie, während sie herzhafte Pfannkuchen in der Bauernküche brät. Der Job habe nicht den besten Ruf: Berichte über Umweltverschmutzung durch Landwirte prägten das Bild. „Ich glaube, es liegt auch daran, dass die Menschen kaum noch Berührungspunkte haben. Wer weiß denn noch, wo die Produkte herkommen oder wie viel Aufwand darin steckt?“ Das Hofleben und die viele Arbeit seien selbst für sie „ein kleiner Kulturschock“ gewesen.
Dass Sophia Busch noch eine Stelle bei der Stiftung Rheinländische Kulturlandschaft hat, gebe ihnen Sicherheit. „Als Familie ist es gut, nicht voll am Hof zu hängen – und auch als Frau unabhängig zu sein“, sagt sie. Ihr Mann könne sich in der Selbstständigkeit zum Beispiel keine Elternzeit nehmen, sie schon. Irgendwann mit einzusteigen, sei trotzdem eine Option.

„Biologische Düngung“: Kilian Busch pflanzt Zwischenfrüchte auf seinen Feldern, die im Winter mit ihren Wurzeln den Boden schützen und folgende Kulturen mit Nährstoffen versorgen
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Denn das Hofleben habe auch seine Vorteile: „Kilian kann Mittags bei uns sein, seinen Sohn sehen. Da, wo andere wandern gehen, dürfen wir arbeiten. Es gibt Hoffeste, einen Platz für einen eigenen Gemüsegarten, ganz viel Potenzial – das hat doch irgendwie Teile dieser Romantik.“ Aber es sei nicht nur schön. „Man muss schon dahinter stehen, Bock drauf haben und dafür leben. Sonst würde man sich aufreiben.“
Kilian Busch ist anzumerken: Er hat Bock. „Das macht so viel Spaß, hier zu arbeiten“, sagt er. Nachhaltige Konzepte spornen ihn an. Mit der Bioumstellung versucht er, die Fruchtfolge auf seinen Feldern zu optimieren. Zwischenfrüchte wie die Phacelia etwa lasse er im Winter auf dem Feld stehen, um den Boden zu schützen und die Nährstoffe für folgende Kulturen zu sichern. „Im besten Fall wirkt das wie eine biologische Düngung“, erklärt er.
Nachhaltigkeitskonzept: Beweidung der Drover Heide mit schottischen Hochlandrindern
Selbst dem Zäune stecken im Regen könne er etwas abgewinnen. Im Naturschutzgebiet der Drover Heide sind die Buschs mit ihrer Viehhaltung Teil eines Nachhaltigkeitsprojekts, das der Kreis Düren vorantreibt. Was bis Ende 2004 rund 100 Jahre lang als Truppenübungsplatz genutzt wurde, wo Panzer das Gebiet prägten, dehnt sich heute eine moderne Kulturlandschaft. Seltene Pflanzenarten holen sich dort die Natur zurück – auch dank der 19 Kühe und 30 Ziegen von Kilian und Friedel Busch. Ihre Herde hält Gehölze wie die dominante Birke klein und pflegt die Heide und das Offenland, ohne bodenbrütende Vogelarten zu beeinträchtigen. Extensive Beweidung nennt sich das. Die Tiere sind natürliche Landschaftspfleger, sie leben, um zu fressen. „Nutztierhaltung, die so funktioniert, ist natürlich was Tolles“, sagt Kilian Busch. Aber er ist kein Träumer. „Das sind hier keine Tiere, die mit ihrem Fleisch Menschen ernähren, man kriegt auch keine Milch. Mir ist bewusst, dass das nicht für alle funktioniert.“
Die Buschs werden für die Dienstleistung bezahlt. Finanziell sei die Arbeit ein wichtiges Standbein ihres Betriebs. Den anderen Teil macht der Ackerbau aus, 70 Hektar Land bewirtschaften er und sein Vater mit Druschfrüchten: Getreide, Erbsen, Ackerbohnen, die während der zweijährigen Umstellungszeit zu Viehfutter verarbeitet werden. Danach dürfen sie auch Produkte für die menschliche Ernährung erzeugen, neben Mehl auch Zuckerrüben für Raffinadezucker oder Raps und Sonnenblumen für Speiseöle. Perspektivisch eröffne das neue Märkte.
Derzeit geben ihnen die Einnahmen durch den Viehbetrieb in der Drover Heide noch ein Polster, falls die Bioumstellung nicht so reibungslos läuft, wie erhofft.
Umsatz von 17 Milliarden Euro – Nachfrage nach Bio auf Rekordniveau
Denn eine wirtschaftliche Entscheidung sei der Wechsel nicht gewesen. Man verdiene nicht pauschal mehr mit Bio – „obwohl der Preis für Bio-Rohware in den letzten Jahren ungefähr doppelt so hoch war wie für konventionelles Getreide“. Gleichzeitig sagt man – zumindest für Betriebe der Art von Kilian Busch –, der Ertrag gehe um knapp die Hälfte zurück. „Man erntet weniger, weil man weniger düngen kann, vielleicht mal von Pilzbefall betroffen ist oder die Pflanzen nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen können“, erklärt Busch. Eine Nullrechnung also? Nicht ganz. Kilian Busch zumindest ist optimistisch, „dass wir mehr als die Hälfte ernten werden und einen vernünftigen Preis bekommen“.
Die steigende Nachfrage nach Bioprodukten stimme ihn zuversichtlich. Laut Bund der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft lag der Umsatz im vergangenen Jahr mit 17 Milliarden Euro und einem Plus von sechs Prozent „auf Rekordniveau“.
Mit dem Ackerbau machten die Buschs 2024, damals noch konventionell, einen Umsatz im niedrigen sechsstelligen Bereich. Nach der zweijährigen Umstellungszeit „kommen da vielleicht zehn Prozent drauf“, kalkuliert Busch. „Wir werden nicht in Geld schwimmen, aber machen hoffentlich kein Minusgeschäft.“
Es sei ein unternehmerisches Risiko. Warum er sich trotzdem für den unsicher scheinenden Weg entschieden hat? „Bio“, sagt Kilian Busch, „ist zwar anspruchsvoller, aber auch vielschichtiger und spannender. Für die Probleme müssen Lösungen gefunden werden. Da tut es nicht einfach das Spritzmittel vom Händler“. Außerdem sei die Branche zukunftsträchtiger, für seinen Betrieb, für die Umwelt und die Gesellschaft. „Wenn ich da nicht mitmache, wäre meine Überzeugung nur eine hohle Phrase.“

