Die Vogelgrippe ist auch in NRW angekommen – und am 11. November beginnt die Gänsesaison. Was das für Landwirte und Verbraucher bedeutet.
„Ausbruch würde Supergau bedeuten“Wie sich Gänsebauern in NRW gegen die Vogelgrippe wappnen

Bislang sind noch keine Gänsehalter in der Region rund um Köln von der Vogelgrippe betroffen.
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Eine große Gruppe Stare landet auf dem Stiftshof von Peter Eßer in Ramrath, einem kleinen Dorf nahe Rommerskirchen. „Eigentlich schöne Tiere“, sagt der Landwirt, der sich als „Gänsepeter“ auf die Haltung von Geflügel – einige Tausend Gänse und Hunderte Enten – spezialisiert hat. Dieser Tage ist die Sichtung fremder Vögel auf dem Grundstück aber mit Sorgen verbunden: „Hoffentlich kacken die uns nicht aufs Gelände“, sagt Eßer.
Denn die Vogelgrippe-Welle setzt die Branche in ganz Deutschland in Alarmbereitschaft. Das bundeseigene Friedrich-Loeffler-Institut rechnet damit, dass die Zahl der Fälle weiter steigt. „Der Vogelzug ist im vollen Gange und der Virusdruck durch infizierte Wildvögel und deren Ausscheidungen sehr hoch“, sagte Präsidentin Christa Kühn. Seit Anfang September wurden bisher 31 Ausbrüche in Geflügelhaltungen sowie 131 Fälle von Geflügelpest bei Wildvögeln registriert.
Zwei Betriebe in Nordrhein-Westfalen von Vogelgrippe betroffen
Mittlerweile mussten nach Angaben des Instituts mehr als 500.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten in Betrieben getötet werden – und das in insgesamt acht Bundesländern. Betroffen sind insbesondere Ostdeutschland und Niedersachsen, wo deutschlandweit die meisten Vögel, insbesondere Hühner und Puten, in Mastbetrieben gehalten werden.
Auch Nordrhein-Westfalen vermeldet die ersten Fälle: Neben dem Fund von fünf kranken Wildvögeln seien ein Legehennenbetrieb im Kreis Paderborn und ein Putenbestand im Kreis Kleve betroffen, teilt das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit. Demnach gelten in den um die Ausbrüche eingerichteten Restriktionszonen besonders strenge Auflagen für Geflügelhaltungen.
Landwirte aus der Region rund um Köln blieben davon bislang verschont. Peter Eßer sei zwar besorgt, sagt aber auch: „Man darf nicht zu viel darüber nachdenken – denn ein Ausbruch würde den Supergau bedeuten.“ Zwar können Schäden über die Tierseuchenkasse geltend gemacht werden. Aktuell liegt die Entschädigungsgrenze bei 50 Euro pro Vogel. Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) will diesen Höchstsatz auf bis zu 110 Euro pro Zuchttier anheben. Der Ertragsausfall könne so allerdings nicht ersetzt werden, sagt Eßer. Einigen Betrieben bedrohe der Ernstfall die Existenz.
Bauerngut Schiefelbusch würde ein Schaden von einer halben Million Euro drohen
Andreas Trimborn vom Bauerngut Schiefelbusch in Lohmar macht es konkret: Er hält eine Herde von etwa 2000 Enten und Gänsen, hinzu kommen Puten. Im allerschlimmsten Fall, wenn das Virus seinen Betrieb jetzt erwischen würde, der gesamte Bestand noch vor der Weihnachtssaison getötet werden müsste und sowohl Fleisch- als auch Eierbetrieb eingestellt werden würden, rechne er mit einem Schaden von einer halben Million Euro. Die Situation sei gravierend, das Virus verbreite sich in diesem Jahr sehr früh. Doch in den vergangenen Jahren seien andere Orte betroffen gewesen. „Wir sind wachsam, aber nicht überaus beunruhigt“, sagt der 38-Jährige.
Um dem Worst-Case-Szenario vorzubeugen, hat das Bauerngut Schiefelbusch in Sicherheits- und Hygienemaßnahmen investiert. Für 250.000 Euro baute die Familie Trimborn bereits vor einigen Jahren einen 15 mal 65 Meter großen Strohstall, samt Hygieneschleuse und Kaltscharr-Raum – „eine Art Wintergarten, der trotz Stallhaltung für Kältereize und Tageslicht sorgt, aber den Kontakt zu Wildvögeln vermeidet“. Um das Risiko für eine Infektion zu minimieren und zum Schutz seiner Tiere, habe er die Herden bereits reingeholt – solange, bis der Vogelzug vorbei sei, so Trimborn. „Das schadet den Tieren wenig. Besser einige Tage im Stall, als eine Infektion.“

Auf dem Bauerngut Schiefelbusch bei Lohmar hält die Familie Trimborn rund 2000 Gänse.
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Mit einer flächendeckenden Stallpflicht halten sich die Behörden in NRW dennoch zurück. Die Geflügelbranche macht sich derweil für ein bundesweites „Aufstallungsgebot“ stark. „Das ist eine der wichtigsten Maßnahmen, die die Politik treffen kann“, sagte der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Hans-Peter Goldnick, im ZDF.
NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) lehnt die Forderung nach einer flächendeckenden Stallpflicht für Geflügel jedoch ab. Stichwort sei das Tierwohl. Es müsse abgewogen werden, „ob die Aufstallung ein angemessenes Instrument ist, weil sie insbesondere bei Wassergeflügel, also vor allem bei Enten und Gänsen, zu Tierwohlproblemen führen kann“, schreibt das Landwirtschaftsministerium auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Und weiter: „Wenn gehaltenes Geflügel, das tagsüber im Freien gehalten wird, dazu nicht mehr die Möglichkeit hat, führt dies zu enormem Stress für Tiere.“ Zusätzlich könne die wirtschaftliche Belastung „letztendlich auch Betriebe platt machen“, sagte Ministerin Gorißen.
Versorgungssicherheit mit regionalen Gänsen und Enten nicht in Gefahr
Der Gänsepeter in Ramrath schätzt die Aufstallung für seinen Betrieb als machbar ein. „Wir sind ohnehin schon am Schlachten“ – genug Platz pro Tier sei da und es werde im Lauf der Saison eher mehr, so Eßer. Allerdings müsse er bei der Fütterung nachjustieren, um sicherzustellen, dass die Tiere bei weniger Auslauf nicht verfetten. „Das kann man steuern.“ Genauso wie Andreas Trimborn hat er weitere Vorkehrungen getroffen: „keine betriebsfremden Menschen auf dem Hof“ oder das Wechseln von Stiefeln, denn das Virus könnte auch an Schuhen haften. Im Betrieb in Lohmar setzen sie zudem auf einen geschlossenen Kreislauf, unter anderem mit eigenem Futter.
Selbst, wenn es einen der Betriebe im Umland treffen sollte – die Versorgungssicherheit mit regionalen Martins- und Weihnachtsgänsen sowie Enten sehen die beiden Landwirte derzeit nicht in Gefahr. Das bestätigt auch das Landwirtschaftsministerium.
Auch in der Gastronomie lägen die Vögel vielerorts schon im Gefrierschrank, sagt Eßer. Die meisten Gänse in Deutschland, rund 80 Prozent, stammten aus Importen, etwa aus Ungarn und Polen. Die Tiere, die jetzt noch geschlachtet werden, hätten vergleichsweise wenig Einfluss auf den Markt. Beunruhigten Kunden rät er, das Fleisch für den Braten schon jetzt zu kaufen. „Da möchte ich keinen von abhalten – es entzerrt unser Weihnachtsgeschäft.“ Notwendig sei es aber aus seiner Sicht nicht.
Obwohl einige Verbände befürchten, dass sich das Preisniveau der Gänse bei einer Zuspitzung der Lage ändern könnte, sind Eßer und Trimborn auch in dieser Hinsicht zuversichtlich. Beim Gänsepeter kostet das Kilo 22 Euro, das Bauerngut Schiefelbusch nimmt 22,90 Euro. Steigende Preise im Vergleich zu den Vorjahren hängen laut Andreas Trimborn mit anderen Faktoren zusammen wie Energiepreisen und Löhnen, nicht aber mit dem diesjährigen Ausbruch der Vogelgrippe.

