Wo der Prinz im Kerker duscht

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„Inside Strauweiler“ oder: Wo der Prinz im Kerker duscht - 75 Neugierige durften einen Blick ins Schloss werfen.

Odenthal - Hubertus Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg ist „volksnah“, ein Adeliger zum Anfassen, den man im Supermarkt ebenso trifft wie beim Schützenfest. Die Frage „Was ziehe ich an, wenn ich zu Prinzens gehe?“ stellte sich denn auch nicht für die 75 Besucher, die am Samstag durchs Schloss geführt wurden. Man kleidete sich leger, manche kamen gar in Turnschuhen oder trotzten in offenen Sandalen der morgendlichen Kühle.

Gewinner waren sie alle. 75 Einladungen ins Schloss waren unter den Besuchern des Altenberger Kultursommers auf Strauweiler ausgelost worden. Sogar aus Burscheid, Leichlingen und Bergisch Gladbach kamen sie nun, um einmal einen Blick hinter die Kulissen des normalerweise nicht zugänglichen Prachtbaus werfen zu können.

Einen Einblick in Bau- und Besitzgeschichte vermittelte der Hausherr persönlich. Da erfuhren die Besucher unter anderem, dass das Schloss eigentlich nur ein Haus ist und dass man Strauweiler auch mit „Villa am Strudel“ übersetzen könne. Die Dhünn rauscht denn auch buchstäblich an dem gelben Wahrzeichen Odenthals vorbei; ein Umstand, der schon manchem Gast die Nachtruhe erschwert hat.

Dass im Turm sich einst das örtliche Gefängnis befand, war ebenfalls für viele neu. Mit Bedauern tat Prinz Hubertus kund, dass der ehemalige Kerker den Renovierungsarbeiten in den 50er Jahren zum Opfer fiel und einem Badezimmer weichen musste. Die alte Luke zum Verlies sei aber noch vorhanden. Einen kräftigen Umbau erfuhr auch die Garage in der Durchfahrt, die heute, mit Engelputte über der Tür und Alarmanlage im Innern, die Hauskapelle beherbergt.

Ganz und gar weltlich geht es hingegen im Haupttrakt zu. Ein breites Treppenhaus sowie ein riesiges Tigerfell mit stattlichem Raubkatzenkopf an der Wand (vom Vater des Hausherrn einst auf Einladung eines Maharadschas erlegt) lassen unweigerlich Assoziationen an den Silvester-Klassiker „Diner for one“ aufkommen. Allenthalben hängen prachtvolle Geweihe an den Wänden, sorgsam beschriftet und teilweise mit Medaillen dekoriert.

Ein kurzer Schreck geht durch die Gruppe, als plötzlich unmittelbar hinter einer Besucherin die große Standuhr anschlägt. Historische Zeitmesser melden sich häufiger beim Rundgang; im Schloss gehen die Uhren anders und die Bewohner, versichert der Prinz, hätten sich längst daran gewöhnt. Immer wieder muss man sich angesichts der Exponate in Erinnerung rufen, dass Strauweiler in erster Linie Wohnhaus und nicht Museum ist. Allenthalben finden sich Ahnen in Öl, jagdliche Stilleben oder Porzellan in Leuchtvitrinen. Anschaulich berichtet Prinz Hubertus zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg von den in Lehm gelegten Flußsteinen, die im Küchentrakt einst den Zopfmusterboden bildeten, von den ersten Odenthaler Rittern Heinrich und Arnold, von redenden Wappen sowie von einem finnischen Maler, dessen Ansicht von Schloss Strauweiler heute im Nationalmuseum in Helsinki hängt.

Vorbei an Kurfürst Clemens August, der sich dem Betrachter im Morgenmantel mit türkischem Turban und Mokkatasse präsentiert, geht es einmal quer durchs Erdgeschoss. Nebenbei erzählt der Prinz, wie eng die Verknüpfungen der einst calvinistischen Familie zur katholischen Kirche sind. Auf seinen Schultern ruht nicht nur die Unterhaltung des Schlosses, sondern auch die Baulast der Kirche. Bei der großen Renovierung vor rund 25 Jahren sei da eine „entsetzliche Summe“ fällig geworden, erinnert sich der Patronatsinhaber mit Schrecken.

Hinterher wissen die Besucher auch, dass 1635 in Adelskreisen zum ersten Mal das Wort „Alaaf“ urkundlich erwähnt wurde und dass die hölzerne Brücke, die zum Familienfriedhof führt, in einem bedenklichen Zustand ist. Überhaupt fühlt sich der Gastgeber gleich mehrfach bemüßigt, darauf hinzuweisen, dass „nicht alles tip top gepflegt ist“. Die Hausfrauen sagen darauf hin nichts mehr; lediglich einem männlichen Besucher entfleucht ein anerkennendes „Im Winter haben Sie hier aber gut was zu heizen.“

Tja, meint der Prinz, als er seine Besucher wieder verabschiedet, „tauschen wollte noch niemand.“ Wiederkommen indes möchten die meisten. Und so soll es auch im kommenden Jahr wieder den Altenberger Kultursommer geben - mit einem großen Fest am Schloss.

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