Collien Ulmen-Fernandes über Deepfake-Pornos„Man fühlt sich entblößt und schämt sich“

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Eine künstlerische Darstellung zeigt ein Liebespärchen. Der Mann trägt eine Masken – als Symbol für Deep Fake-Videos, in denen Gesichter auf fremde Körper montiert werden.

Eine künstlerische Darstellung zeigt ein Liebespärchen. Der Mann trägt eine Masken – als Symbol für Deep Fake-Videos, in denen Gesichter auf fremde Körper montiert werden.

Von der Schauspielerin und Moderatorin wurden gefälschte pornografische Darstellungen im Internet verbreitet. Ein Gespräch.

Von der Schauspielerin und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes wurden gefälschte pornografische Darstellungen im Internet verbreitet. „Deepfake“ nennt man solche KI-Bilder, die mit frei zugänglichen Apps erstellt werden. Im Interview erklärt Ulmen-Fernandes, warum sie einen besseren gesetzlichen Schutz fordert.

Frau Ulmen-Fernandes, es wurden gefälschte pornografische Bilder von Ihnen im Netz verbreitet. Hatten Sie sich vorher schon einmal mit dem Thema Deepfake-Pornografie befasst, und wussten Sie, dass es so etwas gibt?

Ich wurde in der Vergangenheit ab und zu gefragt, ob ich an Aufklärungskampagnen zum Thema Deepfake mitwirken möchte. Da ging es aber um gefälschte Inhalte im Allgemeinen, nicht um pornografische Darstellungen. Das Problem ist ja, dass sich diese inzwischen mit Apps herstellen lassen, die für jeden zugänglich sind. Das Ganze hat einen Massenmarkt erreicht.

Von der Schauspielerin und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes wurden gefälschte pornografische Darstellungen im Internet verbreitet.

Von der Schauspielerin und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes wurden gefälschte pornografische Darstellungen im Internet verbreitet.

Wie haben Sie das erste Mal bemerkt, dass es im Netz gefälschte pornografische Darstellungen von Ihnen gibt?

Ich habe das auf eine sehr heftige Art und Weise mitbekommen. Es gab da eine Situation im privaten Umfeld, die so krass war, dass ich nicht detaillierter darüber sprechen möchte. Es gab aber noch andere unangenehme Ereignisse. Zum Beispiel hatte ein gefälschter Social-Media-Account, der sich für mich ausgab, einen beruflichen Kontakt von mir angeschrieben.

Der Austausch ging über Wochen. Irgendwann verließ die Fake-Collien den beruflichen Kontext und fing an, Nacktbilder zu schicken. Zum Glück hat derjenige mich darauf angesprochen, und wir konnten das klären. So etwas kann aber natürlich auch ziemlich rufschädigend sein.

Welche Gedanken und Gefühle hat es bei Ihnen ausgelöst, als Sie wussten, dass es solche Bilder von Ihnen gibt?

Diese Bilder und Videos möchte ich mir selbst gar nicht anschauen. Man fühlt sich entblößt und schämt sich, auch wenn es gar nicht der eigene Körper ist. Ich sehe darin eine massive Form der sexualisierten Gewalt.

Was haben Sie dagegen unternommen, haben Sie rechtliche Schritte eingeleitet?

Ich habe mir einen Anwalt genommen und versucht, die Bilder aus dem Netz zu bekommen. Leider musste ich feststellen, dass das superschwer ist. Es ist uns bei einigen Bildern gelungen, aber nicht bei allen. Und es war sehr mühsam und hat mich viel Geld gekostet – nicht jeder kann sich das leisten. Man ist durch die aktuelle Gesetzeslage einfach nicht ausreichend geschützt.

Sie unterstützen eine Petition der Organisation Hate Aid. Darin wird eine Anpassung der Gesetzeslage gefordert, um Deepfake-Pornografie besser bekämpfen und verhindern zu können.

Ja, denn diese Form der digitalen Gewalt gibt es in großem Ausmaß. Bei 95 Prozent aller Deepfakes handelt es sich um nicht einvernehmliche Pornografie, die eben zu 90 Prozent Frauen betrifft.

Der Staat kommt hier seiner Verantwortung, das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Nichtdiskriminierung zu gewährleisten, nicht nach. Der Paragraf, der sich mit dem Persönlichkeitsrecht in diesem Kontext befasst, greift hier nämlich nicht, weil das Ausgangsmaterial nicht unbefugt hergestellt worden ist. Zur Erstellung dieser Deepnudes wird ja neutrales Bildmaterial verwendet und auf pornografische Inhalte gesetzt.

Es gab Zeiten, da haben „Dickpics“ bis zu 80 Prozent der Nachrichten ausgemacht
Collien Ulmen-Fernandes

Tatsächlich sind Sie wie viele andere prominente Frauen auch weiteren Formen von digitaler sexualisierter Gewalt und Belästigung ausgesetzt. Ist es richtig, dass Sie ständig sogenannte Dickpics zugeschickt bekommen?

Ja, es gab Zeiten, da haben diese „Dickpics“ bis zu 80 Prozent der Nachrichten ausgemacht. Zwischenzeitlich war es besser, zuletzt nahm das Problem wieder massiv zu, sodass ich gar nicht mehr in meinen Nachrichteneingang schauen mag. Das ist schade, weil ich mich eigentlich sehr gerne mit Feedback zu den Themen meiner Arbeit auseinandersetze, das mich vor allem über private Nachrichten auf Social Media erreicht.

Sie sagten in einem Interview einmal, dass Sie Belästigungen, auch in der „echten“ Welt, früher eher hingenommen haben. Heute engagieren Sie sich, nicht nur bei der Hate-Aid-Petition. Sie haben zum Beispiel auch an dem Video „Männerwelten“ von Joko und Klaas mitgewirkt, in dem es um sexuelle Belästigung von Frauen geht.

Darin lese ich zusammen mit Katrin Bauerfeind Nachrichten vor, in denen Frauen sexuell belästigt und beleidigt werden. Frauen, die zum Beispiel online etwas verkaufen möchten und von den Käufern anzügliche Nachrichten bekommen. Danach gab es sehr viel Feedback, das gezeigt hat, wie allgegenwärtig das Thema Alltagssexismus ist.

Das Video hat auch viele Männer zum Nachdenken angeregt. Mein eigener Mann (der Schauspieler Christian Ulmen, Anm. d. Red.) hat mir danach gesagt, dass er einen bestimmten Sketch aus der Vergangenheit heute so nicht mehr machen würde, weil er nun eine andere Wahrnehmung hat, sensibilisierter ist, was diese Themen angeht.


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