Aufgabenaufkommen und zur Verfügung stehende Zeit stehen häufig in einem ungünstigen Verhältnis. Nicht immer muss man dann die Effizienz erhöhen.
Die OptimistinWie Sie sofort zehn Jahre freie Zeit gewinnen


Wenig los, viel Platz - lassen Sie die Aufgaben in Ihrem Gehirn auch einfach mal treiben. Und sortieren Sie Überflüssiges aus!
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Das Leben mit seinen Aufgaben gleicht zuweilen einem Puzzle mit viel zu vielen Teilen. Oft sitze ich da und grüble, wie ich die krummen Stücke möglichst platzsparend ineinander stecken kann, damit sie so wenig Raum wie möglich einnehmen. Schließlich müssen sie am Ende ja in einen vorgegebenen Rahmen passen. Und die Einheit des Rahmens ist die Zeit. Ein Tag, eine Woche, ein Jahr, ein Leben. Das kann ich schütteln und drehen wie ich will, am Ende einer Zeiteinheit bleiben immer Stücke übrig, die ich in der nächsten Zeiteinheit zusätzlich unterbringen muss. Ich bin so gesehen eine lahmende Akkordarbeiterin und das Fließband, das den Nachschub liefert, läuft immer weiter. Das Scheitern steht kurz bevor. Es ist nicht mehr abzuwenden.
Der Saisonabschluss vom Fußballverein des Jüngsten; das Enkelkind abholen, weil pädagogischer Tag; in letzter Minute die Reisepässe für die Kinder verlängern; den Umzug der Ältesten organisieren; einen neuen Scheibenwischer kaufen (möglichst den richtigen!) und installieren; Rechnungen bezahlen; sich um die kaputte Waschmaschine kümmern; darauf achten, dass zumindest alle Kinder ausreichend Nahrung bekommen; der Erwerbsarbeit nachgehen; einen Prostata-Abend moderieren. Das sind die Puzzlestücke einer gewöhnlichen Woche und ich nenne wirklich nur einige ausgewählte. Die liegengebliebenen Teile aus den vergangenen Wochen, Monaten, Jahren (Unkraut jäten, Hecke schneiden, Küche gründlich putzen, zum Wertstoffhof fahren, Joggen gehen, Yoga machen, Altkleider wegbringen, das Wohnzimmer streichen) habe ich längst in einen Schrank gestopft und versucht, die Tür zu verbarrikadieren.
Kleinkind und Heckenschere sind Teile, die nicht gut zusammenpassen
Eine lange Zeit habe ich mein Heil in der Kombination gesucht. Das Puzzlestück Enkelkind abholen schien sich in seiner zackigen Kontur noch ganz gut in die Umrisse des Fußball-Saisonabschlusses einzufügen. Bis ich es ausprobierte und eine Horde sonst sehr kleinkindlieber Achtjähriger die knapp Zweijährige mit einem stramm geschossenen Leder von den kurzen Beinen riss. Die Kombination Kleinkind und Heckenschere habe ich dann vorsichtshalber von vorneherein ausgeschlossen. Ebenso wie Zubettbringen von Achtjährigen und Prostata-Abend. Die Erkenntnis, dass hier nichts platzsparend zueinander passt, hat mein Gehirn regelmäßig in Lösungskrisen gestürzt. Überall türmen sich schließlich die Puzzleteile. Und ich weiß weder, wo ich alle unterbringen, geschweige denn, welches Bild das am Ende ergeben soll.
Es hat aber wenig Sinn, sich dem Nervenzusammenbruch zu ergeben. Wir wollen optimistisch bleiben und Lösungen in den Blick nehmen. Richtig ist: Unsere Zeit ist begrenzt. Mit was wir sie füllen, können wir aber zumindest in Teilen selbst bestimmen. Und weit besser als platzsparendes Kombinieren erscheint hier die Strategie: Puzzleteile ausmisten. Weg können schon mal all die Stücke, die mit Bildschirmzeit zu tun haben. Sie schummeln sich zwar gut zwischen alle anderen Tätigkeiten, weil sie ihre Form sehr flexibel anpassen können, machen aber mittlerweile einen riesigen Anteil am Gesamtbild aus. 48 Stunden wöchentlich verbringen allein 15-Jährige vor dem Smartphone. Macht im Jahr etwa 2500 Stunden. Würde man die ohne Verbindungsstücke aneinanderreihen, ergäben sie eine Kette reinen Vor-sich-hin-Glotzens von 104 Tagen. Hochgerechnet auf ein ganzes Leben macht das mindestens 20 Jahre passive Berieselung.
Genügend Zeit zum Sport, aber am Ende gar für Nutzloses
Die Zahlen mögen erschreckend klingen, vor allem wenn man bedenkt, dass Experten zu Folge die exzessive Handynutzung Angststörungen und Depressionen begünstigt. Dennoch birgt die Rechnung eine gute Nachricht. Würden wir diese blassen Rum-Scroll-Puzzlestücke zumindest zur Hälfte ersatzlos aussortieren, blieben mir jetzt rein mathematisch hochgerechnet zehn Jahre Luft für den Wertstoffhof, das Kindersitten, Renovierungsarbeiten, am Ende müsste ich mir in einem sehr langweiligen Puzzlestück-freien Moment gar eingestehen, dass ich genügend Zeit für Sport hätte. Oder um mal richtig gründlich den Ofen zu schrubben.
Und natürlich würde dann vielleicht zu Tage treten, dass man so ein Leben gar nicht mathematisch bis in jeden Quadratzentimeter durchrechnen muss. Dass es Lücken geben kann. Und Ausfälle. Dass man schummeln sollte und einen dreckverkrusteten Ofen auch mal unangetastet vom Förderband runterfallen lassen kann. Möglicherweise hätte ich dann sogar Zeit, mich mit einer Freundin zu treffen, in der Sonne einen Kuchen zu essen, ein Buch zu lesen, mit den Kindern Rekorde im Tischtennisball-Hochhalten aufzustellen, mit dem Mann zu einem Abendspaziergang aufzubrechen, auf einer Wiese zu sitzen und in den Himmel zu gucken. Zu leben. Nutzlos, aber glücklich.
Am Wochenende habe ich meine neue Strategie zum ersten Mal ausprobiert. Die Aufgaben sind nicht weniger geworden. Aber es gibt schließlich Wichtigeres. Sie ahnen ja nicht, wie souverän man nach sieben Stunden Training mit einem Tischtennisschläger hantieren kann.