Faszination GoldDer ewige Glanz steht für das Göttliche

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Ein Stillleben mit goldenen Teller, Vasen, Stoff, Schmuck

Es ist nicht das wertvollste Metall der Welt, auch nicht das schwerste, teuerste oder seltenste. Aber es ist der Stoff, auf den sich alle einigen können: Gold.

Rot, Grün, Silber und Gold sind die Farben der Weihnachtszeit. Seit Jahrtausenden fasziniert kein Stoff die Menschen so sehr wie Gold. Sein ewiger Glanz steht symbolhaft für das Göttliche. Ein Blick in die Kulturgeschichte eines magischen Metalls.

Sie wählten die wertvollsten Königsgaben ihrer Zeit, um sie dem göttlichen Neugeborenen darzubieten: Weihrauch, Myrrhe und Gold trugen die drei Weisen Kaspar, Melchior und Balthasar auf ihrer Reise durch die Wüste im Gefolge des Kometensterns an die Krippe des Jesuskindes – eine Weihnachtsbescherung in Bethlehem, die noch 2000 Jahre später an Heiligabend in zahllosen Krippenspielen Widerhall findet.

Die Edelharze Weihrauch und Myrrhe haben heute an Zauber eingebüßt. Das dritte Geschenk aber, das Gold, blieb ein unzerstörbares, geheimnisumwittertes Faszinosum. Es ist nicht das wertvollste Metall der Welt, auch nicht das schwerste, teuerste oder seltenste. Aber es ist der Stoff, auf den sich alle einigen können. Eine glamouröse, symbolhaft aufgeladene Kostbarkeit seit Tausenden von Jahren.

Gold ist das Paradox schlechthin. Gold ist Gift und Gnade, Geißel und Glück.
Ralph Dutli, Schweizer Autor

Gold ist – neben Rot, Grün und Silber – auch die Farbe der Weihnacht. An Millionen Tannenbäumen schimmern goldene Kugeln und Sterne. Darunter liegen, mit Liebe verpackt, Kettchen, Ringe und Broschen aus Gold. Goldenes Lametta liegt immer noch auf vielen Tannenzweigen, auch wenn es davon, wie wir alle wissen, früher natürlich mehr gab. Es ist, als sei die christliche Welt zur Weihnachtszeit in sanftes, goldenes Licht getaucht, von dem eine direkte Leuchtspur zu den Anfängen der Menschheit führt.

Denn nicht nur monetär besitzt dieser seltsame und mächtige Stoff, der alles Irdische zu überstrahlen scheint, einen uralten Wert. Das Gold, diese laut William Shakespeare „sichtbare Gottheit“, diese „Kostbarkeit, die jedem, der sie besitzt, alle Wünsche der Welt erfüllt und den Seelen ins Paradies verhilft“ (Christoph Columbus), hat Kriege ausgelöst, Weltreiche geschaffen, Alchemisten betört, Zivilisationen begründet und Goldgräber im Klondike in den Wahnsinn getrieben. Nicht weniger als 289-mal geht es in der Lutherbibel um Gold. Theodor Fontane tadelte des Goldes „entwürdigende Herrschaft“. Vergil beklagte den „fluchwürdigen Hunger nach Gold“, Horaz notierte: „Gold liebt es, mitten durch die Leibwächter zu gehen und, stärker als ein Blitzstrahl, Steinwände zu brechen.“ Bob Marley warnte: „Weisheit ist besser als Silber und Gold.“ Aber ach, es nützt ja alles nichts: Die lockende Magie des Goldes ist stärker als die menschliche Vernunft.

Gold: Ein Geschenk des Himmels

Was ist Gold überhaupt? Woher kommt es? Jede Goldflocke in den Flüssen, jede schimmernde Ader im Geröll ist ein Milliarden Jahre altes Rudiment explodierter Riesensterne, das in der Pubertät des Universums als „Meteoritenfracht“ auf den jungen Planeten Erde donnerte. Gold ist ebenso wie Platin und alle Metalle, die schwerer sind als Eisen, eine kosmische Kostbarkeit, ein Zufallsprodukt aus dem fernen Nirgendwo des Alls. Es ist ein außerirdisches Mitbringsel, das in Jahrmillionen teils in den Erdkern sank und teils den Erdmantel veredelte. Als Berggold im Boden. Als Waschgold in Flüssen. Als in Erz gefangenes Scheidegold. Gold ist also tatsächlich: ein Geschenk des Himmels.

Doch es ist harte Arbeit, in den Besitz dieses Geschenks zu gelangen. In 1000 Tonnen Gestein der Erdkruste finden sich nur vier Gramm Gold. Sein Abbau ist lebensgefährlich, massiv umweltschädlich und teuer. Gut 200.000 Tonnen Gold hat die Menschheit in ihrer gesamten Geschichte bisher gefördert – das entspricht einem goldenen Würfel von 21 Metern Seitenlänge. Der Goldhunger aber wächst mit den technischen Möglichkeiten: Zwei Drittel allen Goldes wurden der Erde erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts abgerungen. In zwei Jahren wird heute mehr Gold gefördert als in den 1000 Jahren des Mittelalters zusammen.

Denn was Gold kann, kann nur Gold. Es ist weich, aber schwer. Es ist dehnbar und bricht nicht. Es lässt sich zu 100 Nanometer dünnem Blattgold auswalzen, 700-mal schmaler als ein menschliches Haar. Aus einem Gramm Gold lässt sich ein 24 Kilometer langer Faden ziehen – oder genügend Blattgold für einen halben Quadratmeter. Gut 3500 Tonnen fördert die Welt pro Jahr, die Hälfte geht in die Schmuckproduktion, ein Viertel wandert als Goldbarren in Bankdepots, 11 Prozent sichern sich die Zentralbanken und 8 Prozent die Industrie, die damit Smartphones baut, Zahnersatz schmiedet oder Kontaktstifte von Mikrofonen überzieht.

Gold verweigert die Vergänglichkeit

Gold leitet perfekt. Gold reagiert nicht auf Sauerstoff, rostet nie und trotzt jeder Verwitterung. Es verweigert sich schlicht der Vergänglichkeit und ist damit das perfekte Symbol für Hoffnung, Trost und Ewigkeit. Das irdische Gold ist in diesen Tagen, wenn man so möchte, das zu Metall geronnene Licht des Sterns von Bethlehem.

Es ist heute unvorstellbar, welche betörende Magie im Mittelalter eine Kathedrale ausgeübt haben muss, in der sich Hunderte von Kerzenflammen in vergoldeten Figuren und Ornamenten spiegelten. Gold diente als Verstärker des göttlichen Scheins, als Reflektor der Heiligenwelt. Der Kontrast zwischen den düsteren Hütten bitterarmer Bauern und dem golden schimmernden Gotteshaus muss überwältigend gewesen sein.

Die spirituelle Energie des Goldes spielt in praktisch allen Kulten und Kulturen der Welt eine Rolle, wenn es um die Verherrlichung von Göttern oder Kaisern ging – von den in Gold gewandeten Göttern des griechischen Olymps bis zu den vergoldeten Buddhastatuen in Südostasien, von den güldenen russisch-orthodoxen Zwiebeltürmen bis zu den Göttern der germanischen Mythen, die dem mittelalterlichen Völuspá-Text zufolge in einem mit Gold bedeckten Saal speisten und sich mit goldenen Brettspielen verlustierten.

Von jeher aber galt die irritierende Verführungskraft des Goldes, die Gier und Gewalt auslöste, ebenso als Auswuchs des Teuflischen. „Gold ist das Paradox schlechthin“, schreibt Ralph Dutli in seiner eleganten Kulturgeschichte des Wunderstoffes („Das Gold der Träume“), „Gold ist Gift und Gnade, Geißel und Glück“. Goethes Faust etwa stellt, von Mephisto angestiftet, ein Kästchen mit Schmuckgold als Lockmittel in Gretchens „kleines, reinliches Zimmer“. Zögernd berührt sie den Köder, stellt sich vor, sie selbst trüge das Geschmeide, würde so vom Niemand zur Edelfrau und seufzt schließlich die weltberühmten Worte: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Ach wir Armen!“

Schon die alten Ägypter ließen Tausende Sklaven in Goldminen schuften – und schufen legendäre Schätze wie die Goldmaske des Tutenchamun, deren Wert heute auf unfassbare 6 Milliarden US-Dollar taxiert wird. Um das Jahr 600 vor unserer Zeitrechnung dann ließ der sprichwörtliche König Krösus in Lydien, der heutigen Westtürkei, die ersten Goldmünzen prägen. Cäsar bezahlte seine Soldaten in Gold. Und es war die Sucht nach Macht und Gold, die spanische und portugiesische Seefahrer über den Atlantik trieb, auf der besessenen Suche nach dem Goldland „El Dorado“.

Allein die Konquistadoren raubten den Inkas seriösen Schätzungen zufolge um die 185.000 Kilogramm Gold und 16 Millionen Kilogramm Silber. Das Raubgold der Inkas, die das göttliche Metall als „Schweißperlen der Sonne“ verehrten, endete als Blattgold auf europäischen Gemälderahmen, auf Stauen, in Verlobungsringen, Barockkirchen und Königskronen.

Der Traum der Alchimisten ist heute Realität: Gold ist herstellbar

Gold hat – an Währungen geknüpft – ab dem 19. Jahrhundert viele Jahre die Weltwirtschaft gezähmt: Den Gegenwert dessen, was an Goldvorräten zum Beispiel in Fort Knox im Bundesstaat Kentucky lagert (4580 Tonnen Gold im Wert von 220 Milliarden Euro), durften die USA, vereinfacht gesagt, als Geldnoten in Umlauf bringen. Seit 1973 ist der „Goldstandard“ Geschichte. China deregulierte ab 2001 seinen Goldmarkt. Und der Goldwert steigt seither ohne feste Umtauschkurse in Rekordhöhen: Anfang Dezember war eine Feinunze (31,1 Gramm) mit 1964 Euro so wertvoll wie noch nie.

Im von Sünde und Moral besessenen christlichen Kulturkreis rühmt man nicht zuletzt die symbolische „Reinheit“ von Gold, seine Unverschmutzbarkeit, die daher rührt, dass Dreck an Gold nicht haften bleibt. Eine römische Goldmünze, die auf einem norddeutschen Acker auftaucht, wirkt, anders als Münzen aus Kupfer oder Silber, nach kurzem Abwischen wieder wie frisch geprägt.

Der alte Traum der mittelalterlichen Alchemisten, aus banaleren Rohstoffen das geliebte Gold zu erzeugen, ist heute Wirklichkeit: Gold ist herstellbar. So könnten in einem Teilchenbeschleuniger wie beim CERN in Genf geladene Atomkerne zum Beispiel von Zinn (Ordnungszahl 50 im Perdiodensystem) auf 10 Prozent der Lichtgeschwindigkeit getrieben werden, um sie mit Kupferatomkernen (Ordnungszahl 29) zu verschmelzen. Das Ergebnis wäre tatsächlich: Gold (Ordnungszahl 79). Der Energiebedarf und die Kosten der Prozedur wären jedoch so hoch, dass sich moderne Alchemie einfach nicht rechnet.

Zu Weihnachten aber geht es ja nicht vorrangig um den materiellen Wert des Zauberstoffes. Es geht um Schönheit, Opulenz, Ewigkeit, Sehnsucht und die Möglichkeit eines Himmels, aus dem vor Urzeiten Gold auf die Erde gelangte, um auch unser irdisches Jammertal mit einem Hauch von Herrlichkeit aufzuwerten. Lassen wir uns also verzaubern. Denn selten war ein bisschen Glanz so wertvoll wie heute.


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