Leben Vegetarier länger?Wann fleischlose Kost wirklich gesünder ist

Lesezeit 4 Minuten
Illustration: Gemüse und Obst als Stillleben angeordnet.

Vegetarische Ernährung ist im Vergleich zu einer Kost, die auch Fleisch beinhaltet, mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden.

Eine fleischlose Ernährung gilt als gesund. Sie soll sogar mit einer längeren Lebenserwartung verbunden sein. Doch stimmt das?

Immer mehr Menschen verzichten auf Fleisch. Die einen aus ethischen Gründen, um nicht zum Leiden von Nutztieren beizutragen. Die anderen, weil sie sich Vorteile für ihre Gesundheit versprechen – und vielleicht auf ein längeres Leben hoffen. Denn vegetarische Ernährung gilt als gesund. Doch wie gesund ist sie wirklich, und vor allem: Ist vegetarische Ernährung am Ende der Schlüssel zu einem längeren Leben? Gerade die Antwort auf die letzte Frage ist knifflig.

Zunächst einmal: Die vegetarische Ernährung kann durchaus beim Thema Gesundheit punkten. So ist sie im Vergleich zu einer Kost, die auch Fleisch beinhaltet, mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden. Schließlich nehmen Vegetarierinnen und Vegetarier weniger tierische Fette und Cholesterin zu sich.

Wer sich nur von Kartoffelchips, Kartoffeln und Popcorn ernährt, stirbt früher.
Matthias Riedl, Ernährungsmediziner

Umgekehrt gibt es Hinweise, dass Fleischkonsum das Risiko für Darm-, Brust- und Prostatakrebs erhöht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat rotes und verarbeitetes Fleisch vor einigen Jahren als krebserregendes Lebensmittel eingestuft.

Tendenziell neigen Vegetarierinnen und Vegetarier zu einem gesünderen Lebensstil, sind körperlich aktiver und trinken weniger Alkohol. Das macht es Forschenden nicht leicht zu erkennen, ob etwaige gesundheitliche Vorteile von Vegetarierinnen und Vegetariern mit der fleischlosen Kost zusammenhängen oder mit ihrem höheren Gesundheitsbewusstsein. Gleichwohl: Wenn die fleischlose Kost das Risiko für bestimmte Erkrankungen senkt, könnte sich das auch positiv auf die Lebenserwartung auswirken.

Widersprüchliche Studienlage

Doch Studien zeichnen bei diesem Thema ein widersprüchliches Bild. Eine Studie der Universität Oxford verglich die Sterblichkeit von rund 60-000 Teilnehmenden – darunter Menschen, die häufig Fleisch aßen, solche, die wenig Fleisch zu sich nahmen, Personen, die Fisch, aber kein Fleisch aßen, und Vegetarier. Die Untersuchung stieß auf keine Unterschiede in der Gesamtsterblichkeit bei den verschiedenen Gruppen.

Eine US-amerikanische Studie kam hingegen zu anderen Ergebnissen. Sie hatte 70.000 Siebenten-Tags-Adventistinnen und -Adventisten unter die Lupe genommen, Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft. Die Vegetarier und Vegetarierinnen unter ihnen hatten im Verlauf von fast sechs Jahren verglichen mit Fleischessern eine um 12 Prozent niedrigere Sterblichkeit. Die Forschenden fanden mögliche Gründe dafür: Vegetarierinnen und Vegetarier hatten seltener tödliche Herz- und Gefäßerkrankungen. Hinsichtlich Krebserkrankungen unterschieden sich Vegetarierinnen und Vegetarier und Fleischesserinnen und Fleischesser hingegen nicht.


Die Deutschen essen weniger Fleisch

Laut der aktuellen Auflage einer jährlichen Umfrage, die das Bundesernährungsministerium durchführt, essen 20 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren täglich Fleisch und Wurst. 2022 sagten das 25 Prozent und 2015 noch 34 Prozent. Zugleich werden vegane oder vegetarische Alternativen zu Fleisch und Milch beliebter. 10 Prozent greifen inzwischen täglich zu solchen pflanzlichen Produkten – nach 9 Prozent im vergangenen Jahr und 5 Prozent bei der ersten Abfrage 2020. Unter 14- bis 29-Jährigen sind es laut der repräsentativen Umfrage mit 18 Prozent am meisten.


Ein möglicher Grund für solche widersprüchlichen Ergebnisse: Vegetarische Kost ist nicht gleich vegetarische Kost. „Wir hantierten oft mit Etiketten wie ‚vegetarische Ernährung‘“, sagt Matthias Riedl, Diabetologe, Ernährungsmediziner, Internist, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor am Medicum Hamburg. „Dabei kann vegetarische Ernährung sehr unterschiedlich sein.“ Eine vegetarische Ernährung könne auch ungesund gestaltet sein, wenn man verarbeitete Produkte, viel raffinierte Kohlenhydrate oder ungesündere Fette wie Palmöl esse. „Überspitzt: Wer sich nur von Kartoffelchips und Popcorn ernährt, stirbt früher“, so Riedl. Gesund ernähre man sich, wenn man sich ausgewogen ernähre.

Veganer können Vitaminmangel haben

Je vegetarischer man sich ernähre, desto kritischer könne das für die Gesundheit werden. Die extremste Variante ist es, sich vegan zu ernähren, also auch auf tierische Produkte wie Eier und Milch zu verzichten. Veganerinnen und Veganer können leicht einen Mangel an Vitamin B12 bekommen, das für Nervensystem und Stoffwechsel wichtig ist. „Auch das Risiko für einen Eisen-, Selen-, Jod-, und Vitamin-D-Mangel ist hoch“, sagt Riedl. „Dabei sind Eisen und Selen sehr wichtig für das Immunsystem.“

In Sachen Lebenserwartung kommt es also darauf an, auf welche Weise man sich vegetarisch ernährt. Die Studienlage sei nicht besonders gut, sagt der Ernährungsmediziner Hans Hauner von der TU München. Allerdings könne man nach dem derzeitigen Forschungsstand sagen: „Es gibt keine Hinweise, dass eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise die Lebenszeit im Vergleich zu einer gesunden Mischkost verlängert.“

Wann fleischlose Kost wirklich gesünder ist

Anders ist die Sachlage allerdings, wenn man die vegetarische Ernährung einer Durchschnittsmischkost gegenüberstellt, wie sie in Deutschland üblich ist. Wenn Menschen also auch viel Fast Food und zu viele Kalorien zu sich nehmen. „Bei solch einem Vergleich sollte man Vorteile für die Gesundheit der Vegetarier erwarten“, sagt Hauner. Vegetarierinnen und Vegetarier hätten im Schnitt ein geringeres Gewicht, ein geringeres Risiko für Diabetes und bessere Blutdruckwerte. „Das sollte sich allgemein positiv auf den Gesundheitszustand auswirken und auch auf die Lebenserwartung“, erläutert der Ernährungsmediziner. (RND)


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.

KStA abonnieren