Modelabel kooperierenDer Trend zu gemeinsamen Sachen

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Gedränge in einer H&M-Filiale zum Auftakt des Verkaufs der „Karl Lagerfeld for H&M- Kollektion“  2004.

Gedränge in einer H&M-Filiale zum Auftakt des Verkaufs der „Karl Lagerfeld for H&M- Kollektion“ 2004.

In der Mode nur auf eine Marke zu setzen, kann auf Dauer ziemlich langweilig sein. Das finden die Labels offenbar auch selbst – und tun sich immer öfter mit anderen zusammen. Kooperationen boomen, doch wovon hängt ihr Erfolg ab, und was hat die Kundschaft davon?

In Japan steht das Jahr 2024 im Zeichen des Drachens. Passend dazu ist die Modewelt seit Anfang Januar um eine Kooperation reicher: Das italienische Luxuslabel Fendi kooperiert mit der Streetwearmarke Fragment (FRGMT) – und dem Medien-Franchise Pokémon. Teil der gemeinsamen Kollektion ist unter anderem eine spezielle Version von Fendis berühmtestem Handtaschenmodell: Auf der „Baguette“ prangt der quietschgelbe Pokémon-Charakter Dragoran. Kostenpunkt: ab 3000 Euro aufwärts. Wer braucht beziehungsweise kauft so was?

Mittlerweile scheint es kaum mehr ein Label zu geben, das nicht schon mindestens eine Kooperation mit einer anderen Marke vollzogen hat. Dabei werden die Konstellationen und Produkte immer abenteuerlicher. Aktuell gibt es etwa eine gemeinsame Frühjahrskollektion des britischen Wachsjackenherstellers Barbour und der Londoner Edelmarke Erdem, bekannt für romantische Roben. Karomuster und Blumenprints passen da auf den ersten Blick ebenso wenig zusammen wie Skikleidung und Schmuck. Dennoch fanden Fusalp und Swarovski zueinander. Ebenso wie die bisher eher konservative Lederwarenmarke Mulberry nun gebrauchte Modelle mit bunten Applikationen und Troddeln verkauft, weil das It-Label Stefan Cooke ihnen seine Handschrift aufgedrückt hat.

Es geht darum, neue Zielgruppen zu erschließen und eine Brücke zu bauen, quasi eine Einladung auszusprechen.
Arnold Gevers, Professor für Modedesign an der Münchner AMD Akademie Mode & Design

Arnold Gevers, Professor für Modedesign an der Münchner AMD Akademie Mode & Design, begründet den Trend, gemeinsame Sache(n) zu machen, so: „Es geht darum, neue Zielgruppen zu erschließen und eine Brücke zu bauen, quasi eine Einladung auszusprechen.“ Als Beispiel nennt Gevers die Kooperation zwischen der Outdoor-Marke The North Face und dem Luxuslabel Gucci, bei der 2021/2022 Luxuskollektionen für Abenteuerlustige entstanden. Darüber hinaus sei eine Kooperation immer eine Möglichkeit, um Gespräche zu eröffnen und Aufmerksamkeit zu kreieren. „Und bei einer guten Kooperation ist ein Moment der Überraschung dabei“, sagt der Modeexperte.

So wie 2004 bei Karl Lagerfeld. Als bekannt wurde, dass sich der Modezar dazu herabließ, für die Textilkette H&M tragbare und erschwingliche Mode zu entwerfen, war die Begeisterung groß: Ein Hauch Luxus für den Alltag lockte. „Das war die erste Kooperation dieser Art“, sagt Gevers. „Hier war es gelungen, die DNA der Marke und damit bestimmte Charakteristiken, Ästhetiken, den Style in eine günstige Form zu übersetzen – also die Essenz der Marke Karl Lagerfeld für einen kleinen Preis herzustellen. So wurde bei den Kleidern oft das Logo benutzt, viel Schwarz und Weiß und klare Linien.“ Heute haben die Teile von vor 20 Jahren fast schon Sammlerwert: Bei Kleinanzeigenportalen gibt es sie vielfach für einen höheren Preis als damals zu kaufen – und das, obwohl sie aus zweiter Hand stammen.

Coolness ist schwer zu definieren

Allerdings ist nicht jede gemeinsame Aktion automatisch ein Erfolg, wie ein jüngeres Beispiel zeigt. So wurde die Kooperation zwischen Nike und Tiffany im Frühjahr 2023 mit Spannung erwartet. Doch das Ergebnis war eher enttäuschend: Herausgekommen war ein unspektakulärer Sportschuh in Tiffany-Grün.

Nutznießer von Zusammenschlüssen sind insbesondere kleine Labels und noch eher unbekannte Designer und Designerinnen. „Für sie ist das immer eine Möglichkeit, ein Objekt oder Produkt zu entwickeln, das eigentlich außerhalb der eigenen Reichweite liegt“, sagt Gevers.

Erfolgreiche Produkte spiegeln ihm zufolge den Zeitgeist wider. Was genau Menschen als cool, dem Zeitgeist entsprechend und damit als kaufenswert empfinden, ist allerdings nicht so leicht zu definieren. Neben dem, was als innovativ und „frisch“ gelte, ziehe zuweilen auch Nostalgie. „Und es gibt dann noch so eine Unterkategorie von Ästhetik“, ergänzt Gevers, „nach dem Motto: Cool ist uncool und uncool ist cool.“

Eine Marke, die oft auf diese Strategie setzt, ist Balenciaga. So entwarf das Label unter anderem einen Hoodie, der an manchen Stellen Löcher aufweist und damit aussieht, als habe er seine besten Zeiten bereits hinter sich. „Nun ist ein löchriger Hoodie eigentlich nicht besonders schön und auch nicht besonders cool“, sagt Gevers. „Aber das gehört zu der Vision, die der Balenciaga-Kreativdirektor Demna Gvasalia entwickelte, es geht um die Frage: ‚Was ist eigentlich Mode?‘“ Das wird sich so mancher auch angesichts der „Ugly-Shoe“-Modelle von Balenciaga und Crocs gefragt haben, die 2022 aufkamen. Dennoch waren die Gummischuhe damals innerhalb kurzer Zeit ausverkauft. Verknappung heizt das Geschäft mit den Marken zusätzlich an.

Doch der Trend zu Kooperationen könnte nach Einschätzung von Gevers bald ein Ende haben: Es stelle sich langsam ein Gewöhnungseffekt bei den Konsumenten ein. Da wird es schwer, noch zu überraschen.


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