Wohnen im Erdhügelhaus

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Erdhügelhäuser sollen Geborgenheit und Gemütlichkeit bieten.

Erdhügelhäuser sollen Geborgenheit und Gemütlichkeit bieten.

Als die Journalistin und Schriftstellerin Gabriella Wollenhaupt vor vielen Jahren in Dortmund ein Haus für sich und ihren damaligen Lebensgefährten suchte, da machte sie eine ganz besondere Entdeckung: Ein Zeitungsinserat führte sie zu einem Haus, auf dessen Dach Birken und Haselnüsse wachsen, Blumen und Kräuter blühen. Ein Haus, das sich ganz natürlich in die grüne Pflanzenwelt einfügt. „Ich wusste sofort: Das will ich haben“, erinnert sie sich. Ein Erdhügelhaus. Das ist ein Haus unter einem tonnenförmigen Dach, auf dem sich dicke Erdschichten türmen. Solche Häuser zu bauen, darauf hat sich Gerd Hansen spezialisiert, ein Architekt und Bauingenieur aus Süddeutschland. Inspiriert wurde er bereits 1980 bei einer USA-Reise. Damals besuchte er die Höhlenwohnungen amerikanischer Ureinwohner, der Sioux-Indianer. Die Vorzüge, die diese Höhlenwohnungen gegenüber konventionellen Häusern bieten, beeindruckten ihn stark: die ausgezeichnete Dämmung und die Sicherheit vor Unwettern.

Solche Häuser mit modernen Wohnstandards zu verbinden - das war nun sein Traum. Und der hat längst Gestalt angenommen: in Form von Häusern, die wie Höhlen ein hohes Maß an Geborgenheit und Gemütlichkeit vermitteln. Häuser, die Hagel und Stürmen trotzen, aber hell sind. Der Grund: Sie öffnen sich an beiden Giebelseiten mit großen Fensterfronten dem Sonnenlicht. Die von Hansen 1994 gegründete Baufirma Archy Nova in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart hat bisher 25 so genannter SolArc-Häuser verkauft. Sie zeichnen sich durch ein angenehmes Raumklima aus: im Sommer angenehm kühl, im Winter behaglich warm. Ausschlaggebend für diesen Effekt ist die halbrunde Form: Sie reduziert die Außenfläche des Hauses, durch die Wärme entweichen kann, um 20 Prozent - verglichen mit einem Satteldachhaus. „Zudem ist die Erde ein Klimapuffer“, erklärt der Architekt Jürgen Carstens, der bei der Archy Nova die Erdhügelhauser plant. Ein Test der Baufirma hat ergeben: Selbst wenn draußen wochenlang ein bitterkalter Frost von minus 15 Grad herrscht, im Inneren bleibt es - ohne Heizung - mindestens drei Grad warm. „In einem konventionell gebauten Haus würde die Temperatur auf etwa minus fünf Grad sinken“, schätzt Carstens. Nur wenig Energie ist demnach nötig, um das Haus im Winter warmzuhalten - und das schont den Geldbeutel.

Wartungskosten sparen

Carstens: „Die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und die Solartechnik drücken die laufenden Heizkosten auf unter 200 Euro im Jahr.“ Auch Wartungskosten können Bewohner von Erdhügelhäusern sparen. Wo kein konventionelles Dach ist, müssen keine Ziegel und Regenrinnen erneuert werden. Die Gesamtkosten für ein schlüsselfertiges Haus einschließlich Heizung, Lüftung und Solar mit 135 Quadratmetern Wohnfläche, verteilt auf Erd- und Obergeschoss, liegen bei rund 235 000 Euro.

Dafür braucht man allerdings ein großes Grundstück - 350 Quadratmeter sollten es schon sein, weil die Erdanhäufungen rechts und links insgesamt acht Meter beanspruchen. Außerdem benötigt man eine Baugenehmigung, die in neu erschlossenen Baugebieten erfahrungsgemäß meist nur schwer zu bekommen ist. Der Grund: Die Bebauungspläne schreiben vor, wie die Häuser auszusehen haben - und die Bauämter wollen mit dem ungewöhnlichen Erscheinungsbild der Erdhügelhäuser nicht direkt Ausnahmen machen.

Carstens: „Besser ist die Situation in weitgehend bebauten Gebieten mit Baulücken. Dort wird eher ein Auge zugedrückt.“ Carstens, der selbst den Prototyp bewohnt, der 1991 in Bönnigheim bei Stuttgart gebaut wurde, schwört auf die Wohlfühl-Atmosphäre, die die runde und harmonische Form der Häuser vermittelt. Weil die Gewölbekonstruktion selbsttragend ist, lässt sich der Grundriss frei gestalten. Eine Einschränkung gibt es allerdings: „Im Obergeschoss kann man natürlich an den runden Wänden keine hohen Schränke aufstellen“, sagt Carstens. Auch Gabriella Wollenhaupt fühlt sich unter der Erde wohl: Für sie ist ihr Erdhöhlenhaus der richtige Ort, um Inspiration für ihre Krimis zu finden und ihre Romanheldin Maria Grappa wieder einmal in gefährliche Abenteuer stürzen zu lassen.

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