Zug um Zug auf sicherer Fahrt

Lesezeit 5 Minuten
Zugansager bei der Arbeit

Zugansager bei der Arbeit

Mitarbeiter haben fahrtechnische Organisation im Blick, sorgen für Sauberkeit und Sicherheit auf Bahnhöfen und warten den Fahrzeugpark.

Raphaela Knipp hat den Bahnhof Deutz im Blick. Der Regionalexpress 5 und die Regionalbahn 48 rollen ein, das sieht sie auf einem ihrer Bildschirme. Die Türen gleiten auf - für die 23-Jährige das Signal, zwei Knöpfe auf ihrem Schaltpult zu drücken. „Jetzt werden auf den Bahnsteigen die Anschlussverbindungen durchgesagt“, sagt die Mitarbeiterin der Regionalen Zugansage im Kölner Hauptbahnhof. Was auf zahlreichen Bahnhöfen in Köln und der Region aus den Lautsprechern schallt oder auf den Anzeigetafeln erscheint, das wird vom Kölner Hauptbahnhof aus weitgehend automatisch gesteuert. Weitgehend. Am Platz nebenan nämlich musste Kollege Erdal Cevik gerade selbst zum Mikrofon greifen: Die Wagen des in Kürze einfahrenden ICE 615, hören ihn Fahrgäste am Bahnhof Siegburg sagen, sind in umgekehrter Reihenfolge gehängt als auf dem Wagenstandsanzeiger ausgewiesen.

„Die Mitarbeiter müssen in erster Linie überwachen, ob die Technik

für die Ansagen und Anzeigen funktioniert“, sagt Bahnhofs-Manager Peter Kradepohl. Und dann eingreifen, wenn Unregelmäßigkeiten im Bahnverkehr abzusehen sind. 45 Bahnhöfe sind nach seinen Angaben bislang an die Kölner Zentrale angeschlossen - das Netz soll „sukzessive ausgebaut“ werden. Raphaela Knipp bekommt von zwei zentralen Bahn-Einrichtungen in Duisburg die Information, welcher Zug wie viel Verspätung hat. Mit einem einfachen Knopfdruck kann sie die programmierten Durchsagen abändern und mit dem Grund für die Verzögerung versehen. Dabei liefert ihr der Computer eine ganze Reihe von Möglichkeiten: Technische Störung, Streik, Tiere im Gleis, witterungsbedingte Störung, Unfall - oder auch Hochwasser-Schäden. „Das hatten wir hier aber noch nicht“, sagt Knipp lachend.

Kurios: Während an allen anderen Bahnhöfen die Bahn-Kunden mit programmierter Stimme über den Betrieb auf dem Laufenden gehalten werden, werden im Hauptbahnhof, wo täglich rund 1200 Züge ein- und auslaufen, alle Durchsagen von zwei Mitarbeitern „live“ gesprochen. Da dort jedes Gleis mit bis zu drei Zügen gleichzeitig „belegt“ werden könne, sei eine automatisierte Fahrgast-Information zu kompliziert. Bis zum nächsten Jahr, hofft Kradepohl, soll die Technik so ausgereift sein, dass auch der Hauptbahnhof ans automatische Info-Netz angeschlossen werden kann.

Kontrolle an Monitoren

Nur wenige Meter entfernt geht bei den Kollegen der „3-S-Zentrale“ die Meldung ein, dass bei Mc Donalds sechs Jugendliche andere Gäste anpöbeln. Zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes werden losgeschickt - als sie im Schnellrestaurant eintreffen, haben die Jugendlichen schon das Weite gesucht. Sicherheit, Sauberkeit, Service - dafür stehen die drei „S“. Ob und wo Handlungsbedarf in einem der Bereiche besteht, das verfolgen die Mitarbeiter auf ihren zahlreichen Monitoren, auf denen sie die Bilder der insgesamt 75 im Hauptbahnhof

installierten Kameras abrufen können - die Atmosphäre erinnert ein bisschen ans Nasa-Kontrollzentrum. „Sehr oft geht es um Service-Leistungen“, sagt Mitarbeiter Rüdiger Lewy. Eine alte Frau, die nur mit Mühe ihren Koffer schleppen kann, ein Rollstuhlfahrer, der umsteigen will, Passagiere, die im Fahrstuhl stecken geblieben sind oder ein Fahrgast, der seinen Kaffee verschüttet hat - in solchen Fällen schicken die Frauen und Männer der 3-S-Zentrale das entsprechende Personal auf den Weg. „Beobachten unsere Mitarbeiter strafrechtliche Vergehen, schalten wir die Bundespolizei ein“, sagt Kradepohl.

ICE auf dem Werkstattgleis

Mit bis zu 300 Stundenkilometern rast der ICE 3 normalerweise über die Gleise - jetzt fährt Manfred Reuter ihn beinahe im Schritttempo vom Hauptbahnhof in den wenige Hundert Meter entfernten Betriebsbahnhof Köln. Reuter, der fast alle ICE-Baureihen fahren kann, ist „Zugbereitsteller“, eine Art Rangierer, und er bringt den Zug zur planmäßigen Laufwerkskontrolle, eine der unterschiedlichen vorgeschrieben Wartungen, in die Werkstatt. Die Laufwerkskontrolle ist alle 5500 Kilometer fällig. Das klingt viel, ein ICE schafft die aber „in zwei bis drei Tagen“, so Werkstattleiter Wolfgang

Groß. Links blinken rote Lichter, rechts gelbe, als das mehr als 400 Tonnen schwere Gefährt auf das 220 Meter lange Werkstattgleis rollt - als Warnung für die Mitarbeiter, die den Bereich räumen müssen. Vier Kollegen nehmen von oben und unten all das in Augenschein, „was für die Betriebssicherheit des Zuges eine Rolle spielt“. Bremsen, Räder, Kupplungen, die Hochspannungseinrichtungen auf dem Dach und einiges mehr. Ein Mechaniker entdeckt einen Bremsbelag, der nicht mehr in Ordnung ist - der Austausch dauert Sekunden. In etwas mehr als einer Stunde soll die Prüfung abgeschlossen sein. „Wir untersuchen zwischen sechs und acht Züge pro Nacht“, sagt Groß. Knapp hundert Mitarbeiter sind in der Werkstatt im Drei-Schicht-Betrieb im Einsatz.

Signalreihe zum „Einflug“

Im Stellwerk Mülheim erlauben riesige Fensterscheiben einen 180-Grad-Blick nach draußen auf Gleise und Züge - die drei Mitarbeiter gucken allerdings konzentriert in die andere Richtung. Auf die Wand, auf der weiße, rote und grüne Lämpchen leuchten: Lämpchen, die freie Strecken, Züge und Signale anzeigen. „Das Stellwerk steuert die erste Einflugschneise in den Knoten Köln“, sagt Micha Wipper, Bezirksleiter Betrieb. Sechs Fern- und vier Nahverkehrslinien müssten „so zusammengeführt werden, dass die Züge wie an einer Perlenkette aufgereiht Richtung Hauptbahnhof rollen“.

Rund 15 Kilometer Strecke, 86 Signale, 85 Weichen, sieben Gleise im Bahnhof Mülheim, ein Bahnübergang, im Schnitt rund 900 Züge pro Tag - das alles müssen die Kollegen unter Kontrolle haben. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr.

Fahrdienstleiterin Katrin Andryk tippt einen Zahlencode in ihr Schaltpult, eine Signalreihe wird frei geschaltet, die S-Bahn-Linie 6 erscheint in Form schmaler roter Striche auf der Schalttafel. Das Telefon klingelt, der Anrufer will Andryk einen Zug der Bayer-Werksbahn aus Leverkusen „anbieten“. „Bei eingleisigen Strecken müssen wir das Zugmeldeverfahren per Telefon abwickeln“, sagt die Fahrdienstleiterin. Und jedes Gespräch wird auf Tonband aufgezeichnet.

KStA abonnieren