Frauke Brosius-Gersdorf steht im Mittelpunkt einer beispiellosen Kontroverse um die Besetzung von drei Richterposten in Karlsruhe.
Streit um RichterwahlBrosius-Gersdorf kontert Plagiatsvorwurf und bekommt Lob für Lanz-Auftritt

Frauke Brosius-Gersdorf war am Dienstagabend (15. Juli) in der Talk-Sendung „Markus Lanz“ zu Gast.
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Im Streit um die Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht hat ein vorläufiges Gutachten die Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf von den gegen sie erhobenen Plagiatsvorwürfen entlastet. „Die Prüfung hat ergeben, dass die Vorwürfe unbegründet sind und keine Substanz haben“, heißt es einem Begleitschreiben der Anwälte Michael Quaas und Peter Sieben zu dem Kurzgutachten vom Mittwoch. Brosius-Gersdorf und ihr Mann, der Rechtsprofessor Hubertus Gersdorf, hatten das Gutachten in Auftrag gegeben.
Brosius-Gersdorf steht seit vergangener Woche im Mittelpunkt einer beispiellosen Auseinandersetzung um die Besetzung von drei Richterposten in Karlsruhe. Nachdem die Unionsführung zunächst grünes Licht für ihre Wahl zusammen mit zwei weiteren Bewerbern gegeben hatte, zogen CDU und CSU am Freitag die Notbremse und forderten den Koalitionspartner SPD auf, die Kandidatur von Brosius-Gersdorf zurückzuziehen. Daraufhin musste im Bundestag die Neubesetzung aller drei Richterposten von der Tagesordnung genommen werden.
Brosius-Gersdorf kontert Plagiatsvorwürfe mit Gutachten
In dem Kurzgutachten der Stuttgarter Kanzlei Quaas und Partner heißt es nun, die „teilweise ähnlichen Ausführungen in den Texten“ deuteten „allenfalls auf einen gedanklichen Austausch hin, nicht aber darauf, dass einer der Beteiligten von der oder dem anderen, ohne dies kenntlich zu machen, Inhalte übernommen hätte“. Das heiße, ein Plagiatsvorwurf „steht schon per Definition nicht im Raum“, auch ein Zweifel an der wissenschaftlichen Qualität der Arbeit sei nicht angebracht. „Die hierzu erforderliche Schwelle wird sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht bei Weitem nicht erreicht“, heißt es in dem Gutachten.
Brosius-Gersdorf hat ihre umstrittenen Positionen zur Abtreibung unterdessen verteidigt. „Ich bin nie eingetreten für eine Legalisierung oder Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt“, betonte sie am späten Dienstagabend in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz. „Es ist auch falsch, dass ich gesagt haben soll oder geschrieben haben soll, dass der Embryo kein Lebensrecht hat.“
Juristin nimmt bei „Markus Lanz“ Stellung zu Falschbehauptungen
Richtig sei vielmehr, dass sie für eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase eingetreten sei, so die Potsdamer Verfassungsrechtlerin. „Straffrei ist er schon heute, aber er ist rechtswidrig, und ich bin der Meinung, dass er aus verfassungsrechtlichen Gründen rechtmäßig sein sollte.“ Dahinter stehe „ein ganz schwieriger und hochsensibler Güterkonflikt zwischen den Grundrechten des Embryos auf der einen Seite, seinem Lebensrecht, und den Grundrechten der Frau auf der anderen Seite“.
Als entscheidend für die Auflösung dieses Güterkonflikts wertete Brosius-Gersdorf, „dass die Grundrechte des Embryos und die Grundrechte der Frau nicht in allen Phasen der Schwangerschaft gleich zu gewichten waren. Sondern dem Lebensrecht des Embryos habe ich in der Frühphase der Schwangerschaft ein geringeres Gewicht in der Gegenüberstellung mit den Grundrechten der Frau beigemessen und in den späteren Phasen ein höheres.“
Frauke Brosius-Gersdorf berichtet von Drohungen
Die Juristin berichtete im ZDF auch von Drohungen gegen ihre Person. „Ich musste vorsorglich meine Mitarbeitenden bitten, nicht mehr am Lehrstuhl zu arbeiten“, sagte Brosius-Gersdorf. Die Berichterstattung über die Verfassungsrichterwahl und ihre Person sei „nicht spurlos an mir vorbeigegangen, nicht an mir, nicht an meinem Mann, an meiner Familie, meinem gesamten sozialen Umfeld.“

Frauke Brosius-Gersdorf. (Archivbild)
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Explizite Kritik äußerte Brosius-Gersdorf auch an einer Predigt des Bamberger Erzbischofs Herwig Gössl. Sie finde es besonders verstörend, dass der Erzbischof in Bezug auf ihre Person von einem „Abgrund von Intoleranz und Menschenverachtung“ gesprochen habe, sagte sie bei „Markus Lanz“ und fügte an: „Ich finde das infam.“
Zuspruch von Grünen und FDP für Brosius-Gersdorf
Nach ihrem Auftritt in der ZDF-Sendung bekommt die Juristin nun Zuspruch. „Ich wünsche mir, dass sie bei ihrer Kandidatur bleibt und ich wünsche mir vor allen Dingen, dass die CDU/CSU sich nicht von der AfD so treiben lässt“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“. Ziel der AfD sei die „Zerstörung der CDU/CSU“, fügte Haßelmann an.
Die Grünen-Politikerin forderte erneut eine Sondersitzung des Bundestags, um die am Freitag vorläufig abgesagte Richterwahl abzuhalten. Nach dem „Desaster am Freitag“ dürfe es keine „Hängepartie bis September“ geben, betonte Haßelmann. „Denn das Gericht nimmt Schaden. Die Frau nimmt Schaden. Und wir sind doch eigentlich in einer Krise dieser Regierung.“ Niemand wisse, „wie die beiden Partner zusammenkommen“, sagte die Grünen-Politikerin über Union und SPD.
„Ich habe Respekt vor Frau Brosius-Gersdorf und ihrem Auftritt bei Lanz“
Auch Grünen-Politiker Johannes Wagner stellte sich hinter Brosius-Gersdorf. „Die große Mehrheit der deutschen möchte den Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche aus dem Strafgesetzbuch streichen“, schrieb Wagner bei X. Nichts anderes habe die Kommission gefordert, in der Brosius-Gersdorf saß, schrieb der Grünen-Politiker weiter und fügte an: „Rechte schaffen es, diese Mainstream-Meinung als ‚linksradikal‘ darzustellen.“
Aus der FDP gab es ebenfalls Zuspruch für die Juristin. „Ich habe Respekt vor Frau Brosius-Gersdorf und ihrem Auftritt bei Lanz“, schrieb FDP-Politiker Zyon Braun bei X. „Ich habe mehr Differenzierung und Tiefgang erlebt, als in der bisherigen Diskussion. Auch wenn ich nicht jede Überlegung teile, ist sie sicher keine Aktivistin. Mehr Sorge macht mir unsere Debattenkultur“, hieß es weiter.
CDU-Politikerin: Frage wird nicht in Talkshows entschieden
Bei der CDU zeigte man sich unterdessen unbeeindruckt vom TV-Auftritt der Juristin. „Eine solche Frage wird am Ende weder in Talkshows noch in den Medien entschieden, sondern es ist eine Frage, die im Gespräch zwischen den Koalitionsfraktionen zwischen SPD, CDU und CSU entschieden werden muss“, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann im Gespräch mit RTL/ntv mit Blick auf die Zukunft der Kandidatur von Brosius-Gersdorf.
Nach ihrer Ansicht ist die Personalfrage zu stark emotionalisiert. Zudem könne sie nicht öffentlich entschieden werden. Mit Verweis auf Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte Connemann: „Das Gespräch muss zwischen SPD, CDU und CSU erfolgen, und zwar miteinander.“ (das/dpa/afp/kna)