Afghanische Dolmetscher in KölnDas Jahr der Ankunft und des Neuanfangs

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Mohammad Daoud Maqsudi mit den Töchtern Arya,Ghezal und Donya, (v.l.) in seiner Wohnung in Weiden.

Mohammad Daoud Maqsudi mit den Töchtern Arya,Ghezal und Donya, (v.l.) in seiner Wohnung in Weiden.

Köln – Es war ein Jahr des Abschieds und der Flucht aus der Heimat. Doch es wurde auch ein Jahr der Ankunft, des Neuanfangs. Im Winter mussten Mohammad Daoud Maqsudi und Abdul Ahad Samim mit ihren Familien Afghanistan verlassen. Jahrelang hatten sie für die Bundeswehr im Kriegsgebiet aus dem Persischen ins Englische übersetzt. Sie sind in Gefechte geraten, haben Anschläge nur knapp überlebt und sich für die deutschen Truppen in Lebensgefahr begeben. Mit diesem Job wurden sie zu Feinden der Taliban und lebten in ständiger Bedrohung.

Sogenannte Ortshelfer wie Samim und Maqsudi sind keine Flüchtlinge oder Asylbewerber. Die Bundesregierung hat für sie einen eigenen Rechtsstatus mit unbegrenztem Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis geschaffen. Sie dürfen sich in Deutschland niederlassen. Doch in der Umsetzung hakt es gewaltig. So hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ Ende Mai über die ersten Monate der beiden Männer in Köln berichtet – über ihren Kampf mit den Behörden und darüber, dass sich niemand für sie zuständig fühlte. Die Empörung der Leser war groß, ebenso ihre Hilfsbereitschaft.

Domblick vom Balkon

Wie ist es den beiden Familien in der Zwischenzeit ergangen? „Wir haben uns an das Leben in Deutschland gewöhnt“, sagt Samim. Er sieht zufrieden aus, zeigt stolz die kleine Wohnung in Weiden. Sie ist hell und modern eingerichtet, liegt im 13. Stock. „Ich kann vom Balkon sogar den Dom sehen“, sagt er. Auf dem Glastisch steht Weihnachtsgebäck. „Das hat eine deutsche Freundin vorbei gebracht.“ Samim macht einen entspannteren Eindruck als vor einem halben Jahr. Zusammen mit dem deutschen Hauptmann Markus Matthes war er 2011 in Afghanistan in eine Sprengfalle geraten. Matthes wurde in Stücke gerissen. Samim überlebte traumatisiert, litt fortan unter Ängsten, Schlafstörungen und Alpträumen. Doch therapeutische Hilfe bekam der 24-Jährige nicht. Nach dem „Stadt-Anzeiger“-Artikel meldete sich eine Psychologin in der Redaktion. „Ich hatte einige Sitzungen und es geht mir viel besser“, sagt Samim. Endlich könne er sich auch richtig aufs Deutschlernen konzentrieren. Seit dem Sommer besucht er täglich einen Sprachkurs. Inzwischen kann er selbst Arzttermine für seine zweieinhalbjährige Tochter auf Deutsch vereinbaren – „und meinen Wohnsitz habe ich auch alleine umgemeldet.“

Nur ein Haus weiter wohnt sein Dolmetscher-Kollege Mohammad Daoud Maqsudi, ebenfalls im obersten Stockwerk. Vorher waren beide Familien in einem Hotel für Flüchtlinge in Godorf untergebracht. Zu fünft teilten sich die Maqsudis ein winziges Zimmer und zwei Betten. „Es war wie im Gefängnis“, sagt der 33-Jährige.

In Weiden fühlt er sich endlich wohl. Die beiden ältesten Töchter besuchen die Grundschule, die Jüngste geht in den Kindergarten. Söhnchen Adib kam im Mai zur Welt.

Familie wird bedroht

Rund 6000 afghanische Ortshelfer haben die Bundeswehr bei ihrem Einsatz unterstützt. Laut Bundesinnenministerium sind bisher 126 von ihnen mit insgesamt 275 Familienangehörigen nach Deutschland eingereist. Sie sind weder Flüchtlinge noch Asylbewerber. Für sie gilt ein eigens geschaffener Rechtsstatus. Dieser umfasst unbegrenztes Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis. (kst)

Wenn Maqsudi an seine Verwandten in Masar-i-Scharif denkt, verfinstert sich sein Blick. „Meine Familie wird bedroht und verfolgt, weil die Taliban wissen, dass ich für die Deutschen gearbeitet habe. Ich bin glücklich, dass meine Kinder, meine Frau und ich hier in Sicherheit leben.“ Aber so lange seine restliche Familie in Afghanistan ist, könne er nicht entspannt sein. Für Samim ist die Situation in seiner Heimat so schwer zu ertragen, dass er wegschaltet, wenn im Fernsehen darüber berichtet wird.

Die beiden Männer wollen sich auf die Zukunft konzentrieren. Samims größter Wunsch ist es, zu studieren. Eine „Stadt-Anzeiger“-Leserin fertigte kostenlos Übersetzungen der Zeugnisse und anderer Dokumente aus Afghanistan an. „Ich bin jung und motiviert. Ich möchte für meine Familie sorgen können und mich aktiv in die Gesellschaft einbringen“, sagt er voller Entschlossenheit.

Maqsudi hat in Afghanistan unter anderem als Elektronikmechaniker, Übersetzer und Busfahrer gearbeitet. „Ich bin also sehr flexibel“, sagt er und lacht. Hauptsache, er kann finanziell auf eigenen Beinen stehen.

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