Ärger über BundeskriminalamtKölner Polizei war über mögliches Anschlagsziel Deutzer Kirmes nicht informiert

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08.04.2023, Köln: Auf der Frühjahrskirmes in Deutz herrscht gute Stimmung. Foto: Uwe Weiser

Polizisten der Kölner Polizei auf der Deutzer Kirmes, wenige Tage, bevor Islamisten diese als Anschlagsziel ausspähten.

Das BKA soll zudem angeregt haben, die Öffentlichkeit kurz vor Weihnachten nicht über Anschlagspläne auf den Kölner Dom zu informieren.

Die Kölner Polizei hat erst durch einen Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“ davon erfahren, dass mutmaßliche islamistische Terroristen die Deutzer Kirmes am Ostermontag 2023 als mögliches Anschlagsziel ausspähten. Auf Anfrage sagte Behördensprecher Wolfgang Baldes, man habe erst „durch Ihre Berichterstattung von der Observation“ des Volksfestes im Rechtsrheinischen erfahren.

Am 10. April des vergangenen Jahres hatten verdeckte Fahnder der Bundespolizei drei Mitglieder einer zentralasiatischen Zelle des „Islamischen Staats“ in der afghanischen Provinz Khorasan (ISPK) vom Kölner Hauptbahnhof auf die Deutzer Kirmes verfolgt. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte entsprechende Vermerke des BKA einsehen können. Die wenige Monate später festgenommenen Terrorverdächtigen kundschafteten demnach zahlreiche Fahrgeschäfte aus und fotografierten diese und die Umgebung. Die Ankläger der Bundesanwaltschaft gehen davon aus, dass die Männer die Kirmes ausspähten, „um abzuklären, ob es sich um einen geeigneten Anschlagsort handelt“.

Die Herbstkirmes fand ohne Vorwarnung statt

Nun wirft der Vorgang Fragen zur Kommunikation zwischen dem BKA und der Landespolizei in Köln auf. Auch nach der Razzia gegen die neunköpfige islamistische Terror-Gruppe am 6. Juli 2023 teilte das BKA die Erkenntnisse über die Spähaktion nicht mit der größten Polizeibehörde in NRW. In der Folge fand die Herbstkirmes am Deutzer Rheinufer Ende Oktober und Anfang November ohne entsprechende Vorwarnung an die Kölner Staatsschützer statt.

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Ein Versäumnis, das in NRW-Sicherheitskreisen auf Unverständnis stößt. Zumal inzwischen Personen aus dem Umfeld der inhaftierten Terror-Gruppe verdächtigt werden, an Silvester einen Anschlag auf den Kölner Dom geplant zu haben. Aber auch hier bemängeln Insider einen unbefriedigenden Informationsfluss. So fragt man sich in Düsseldorf und Köln, warum die Warnhinweise auf einen möglichen Anschlag so spät eingingen – und zwar kurz vor Heiligabend und zwei Tage vor Silvester.

BKA wünschte, dass Bevölkerung nicht informiert wird

Während die Kölner Polizei Hunderte Beamte zum Schutz der Kathedrale aus dem Weihnachtsurlaub zurückholte, teilte das BKA offenbar nur das Nötigste zu den Hintergründen der Terrorwarnung mit. Insbesondere bei Informationen zur Zelle, die im Juli verhaftet wurde, hielt man sich bedeckt. Die Zurückhaltung gipfelte nach Informationen dieser Zeitung gar in dem Wunsch an die Kölner Polizei, die Bevölkerung nicht über eine mögliche Anschlagsgefahr am Dom zu informieren.

Wie weiter zu erfahren war, soll man im Gemeinsamen Terror-Abwehrzentrum (GTAZ) in Berlin beschlossen haben, die Kölner Behörden nur mit den nötigsten Informationen zu versorgen. Während die Kölner Polizei im Zuge der Gefahrenabwehr fünf Tatverdächtige suchte und fleißig ihre Erkenntnisse mit den BKA-Terrorfahndern teilte, hielten Letztere sich mehr als bedeckt.

„Die gesamte Kommunikation in diesem Fall war stümperhaft“, heißt es in hochrangigen Sicherheitskreisen in Berlin.

BKA bezeichnet Zusammenarbeit als „vertrauensvoll“

Seit Bekanntwerden des Sachverhaltes stehe das Bundeskriminalamt mit den zuständigen Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen „über die etablierten Wege des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums und auch unmittelbar in einem fortwährenden Austausch“, teilte eine Sprecherin des BKA auf Anfrage mit. Die Zusammenarbeit bezeichnete das BKA als „vertrauensvoll und von einem anspruchsvollen fachlichen Austausch in einem dynamischen Gefahrenabwehrvorgang getragen“.

Auch bekundete die Pressesprecherin in ihrer Stellungnahme, dass es keine Anweisung an Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen gegeben habe, die Bevölkerung nicht über die Terrorgefahr zu informieren. „Die Entscheidung über Maßnahmen der Gefahrenabwehr, wozu auch öffentliche Gefahrenhinweise zählen können, ist zudem grundsätzlich Aufgabe und Zuständigkeit der Landesbehörden“, heißt es. Zu weiteren Einzelheiten wollte sich das BKA vor dem Hintergrund des laufenden Ermittlungsverfahrens der Bundesanwaltschaft nicht äußern.

Hinter den Kulissen, so war aus Sicherheitskreisen zu erfahren, wollen die NRW-Strafverfolger mit den BKA-Kollegen auf Arbeitsebene die Kommunikationslücken in dem Fall erörtern.

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