Anspruch nicht eingelöstWeiter auf dem Propagandapfad

Lesezeit 4 Minuten
Vorstandsgruppenbild mit Damen: Kuno haberbusch (hinten), Thomas Schnedler, Albrecht Ude, Brigitte Alfter, Manfred Redelfs (mittlere Reihe von links nach rechts), Thomas Schuler, Steffen Grimberg; Hans Leyendecker, Julia Salden, Thomas Leif, Christoph M. Fröhder, Freier (vordere Reihe von links nach rechts). (Bild: Netzwerk)

Vorstandsgruppenbild mit Damen: Kuno haberbusch (hinten), Thomas Schnedler, Albrecht Ude, Brigitte Alfter, Manfred Redelfs (mittlere Reihe von links nach rechts), Thomas Schuler, Steffen Grimberg; Hans Leyendecker, Julia Salden, Thomas Leif, Christoph M. Fröhder, Freier (vordere Reihe von links nach rechts). (Bild: Netzwerk)

Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hält sich selbst für „das Beste am Norden“. Auf dem weitläufigen Areal der Anstalt in Hamburg begegnet man dem Werbespruch alle paar Meter. Für das „Netzwerk Recherche“, dessen Jahrestagung am Wochenende im Kongresszentrum des öffentlich-rechtlichen Senders stattfand, ist so eine Aussage Tiefstapelei. Der Journalistenverein hält sich für das Sammelbecken der Elite, also „die Besten im ganzen Lande“.

Übermächtige Konkurrenten

In den letzten Tagen geriet das Netzwerk in der Branche unter Beschuss. In der heftigen Auseinandersetzung zwischen Verlagen und Öffentlich-Rechtlichen um die Frage, was Letztere im Internet dürfen, war der Verein Schaltzentrale der Kampagne von ARD und ZDF gegen die Verleger, die im hart umkämpften Online-Markt einen übermächtigen Konkurrenten fürchten, der dank Gebühren ohne ökonomischen Druck agieren könnte. Da war zum Beispiel der ARD-PR-Film „Quoten, Klicks und Kohle“ im Ersten, in dem holzschnittartig erklärt wurde, dass die privaten Medienunternehmen Schund und ARD und ZDF Qualität produzierten. Autor des Films ist der Chefreporter des Südwestrundfunks, Thomas Leif, der gleichzeitig Vorsitzender des „Netzwerks Recherche“ ist. Sein Film wurde landauf, landab als verdrehendes PR-Machwerk qualifiziert. Doch Leif gerät in seinem Netzwerk an diesem Wochenende deswegen nicht unter offenen Beschuss. Da war nicht zuletzt auch das Medienmagazin „Zapp“ vom gastgebenden NDR, das flankierend in die gleiche Kerbe haut und gestern Abend ein Stück über die angeblichen „Verbalattacken“ der Verlage versendet hat. Kritik am eigenen System? Fehlanzeige! „Zapp“-Chef Kuno Haberbusch und sein Team organisierten die Hamburger Tagung.

Alles zum Thema Film und Fernsehen

So geriet das elitäre Branchentreffen streckenweise zu einer Propagandaveranstaltung für öffentlich-rechtliche Sender. NDR-Intendant Lutz Marmor konnte nicht nur in einer Begrüßungsrede ausführlich die Argumente seines Lagers wiederholen. Auch in einer anschließenden Fragerunde war kein Vertreter der Verlage gekommen. Es sei niemand bereit gewesen, sich zu stellen, so Organisator Kuno Haberbusch. Wie sich das alles mit den hohen journalistischen Ansprüchen decken sollte, die das Netzwerk dauernd formuliert, wurde nicht geklärt. Stattdessen ätzten am Rande NDR-Mitarbeiter gegen freie Printjournalisten, die als Söldner von den Verlegern ins Gefecht zwischen Privaten und Öffentlich-Rechtlichen geschickt würden.

Aber es gab mehr als PR. Die Netzwerker hatten, wenn sie als Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen nicht gerade in eigener Sache organisierten, ein dichtes und informatives Programm auf die Beine gestellt. Telekom-Sprecher Philipp Schindera diskutierte mit „Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo über die Abhöraffäre des Fernmelderiesen. Mit dabei Klaus Kocks. Der PR-Experte, der Kommunikationsvorstand bei VW war, ratterte anschaulich das Einmaleins der Krisen-PR runter und machte Journalisten klar, was in einem großen Laden passiert, der unter Beschuss gerät: „Wenn die Vorwürfe kommen, belügen dich deine eigenen Leute“, so Kocks. Im Zusammenhang mit dem ins Gerede gekommenen Telekom-Medienbeirat sprach Kocks von „Lustreisen für Chefredakteure“, die schon mal mit dem Hubschrauber zu Veranstaltungen gebracht worden seien. Die VW-Affäre ließ grüßen - allerdings ohne Rotlicht.

Ulrich Tilgner, Urgestein der Orient-Korrespondenten, rechnete auf einem Podium mit dem ZDF ab, für das er bis vor kurzem noch die Krisenherde der Welt bereiste. „Wenn dann Anforderungen kamen, die afghanische Polizei zu loben, war das nicht meine Sache“, so der 60-jährige TV-Journalist. Den deutschen Medien fehlte es generell an einer „angloamerikanischen Distanz zur Macht“. Die Berichterstattung würde immer „redaktionszentrierter“. Es fänden sich dann „designte Projekte“ in den Medien. Mittlerweile arbeitet Tilgner für das Schweizer Fernsehen.

Viele Podien liefen auf diesem Niveau. Hans Leyendecker, leitender Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, der mittlerweile als Oberermittler der deutschen Journaille gilt, verzettelte sich mit Ernst Uhrlau, dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) gar in den Details. Am Ende konnte der Debatte um das Thema „Das Wirken der Anderen - Geheimdienste und Journalismus“ kaum noch einer folgen.

Anspruch nicht eingelöst

Es waren viele Themen, die da unter dem Tagungsmotto „Wir könn(t)en auch anders: Wenn Recherche wieder wichtig wird“ subsumiert wurden. Beim alles überschattenden Thema konnte das Netzwerk seinen Anspruch leider nicht einlösen. ARD und ZDF sind in Sachen Onlineaktivitäten weiterhin auf dem Propagandapfad - und das Netzwerk vorneweg.

KStA abonnieren