Großrazzia beim Al-Zein-Clan„Unwahrscheinlich, dass wir dieses Geld jemals wiedersehen“

Lesezeit 4 Minuten
Solingen: Polizisten tragen sichergestellte Beweismittel nach einer groß angelegten Razzia zu ihren Fahrzeugen.

Solingen: Polizisten tragen sichergestellte Beweismittel nach einer groß angelegten Razzia zu ihren Fahrzeugen.

Betrügerisches Geschäft mit geleasten Luxusautos und Betrug mit Corona-Hilfen in großem Stil: Al-Zein-Clan-Mitglieder sind Ermittlern ins Netz gegangen.

Die Angebote auf den Online-Autoplattformen klangen verlockend. Da wurde ein Audi Q7 offeriert, ein Porsche-Panamera oder ein Mercedes S 350 D oder auch mal ein Audi A1. Alles zu günstigen Preisen. Bald meldeten sich Kaufinteressenten, die nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in der Regel zwischen 30.000 bis 45.000 Euro für die Luxusautos zahlten. Die Abnehmer stammten aus Deutschland, Frankreich, Belgien und Afrika. Das Geschäft florierte. Keiner der Kunden ahnte, dass es sich um einen Schwindel handelte.

Eine 17-köpfige Bande von Autoschiebern, an deren Spitze zwei Strippenzieher des Al Zein-Clans aus Solingen standen, hatten hochwertige Leasingfahrzeuge unterschlagen. Das kurdisch-libanesische Familiensyndikat mit seinen bundesweit geschätzten 3000 Mitgliedern gilt als eine der führenden Organisationen im Organisierten Verbrechen. Die mutmaßlichen Täter mieteten die Luxus-Modelle teils über Scheinfirmen an, versahen diese mit neuen Kennzeichen, fälschten die Papiere und verhökerten die Wagen übers Internet.

Als die Zahlungen ausblieben, informierten die Unternehmen die Polizei

Das Betrugsmodell funktionierte längere Zeit, weil die Bande zunächst einmal die Mietraten weiter bediente, so dass die Leasingfirmen keinen Verdacht schöpften. Bis dann plötzlich die monatlichen Zahlungen ausblieben. Erst dann schalteten die betrogenen Unternehmen Polizei und Justiz ein.

Alles zum Thema Herbert Reul

Nach intensiven Nachforschungen holte das Landeskriminalamt NRW und die Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen (ZeOS NRW) bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf am Mittwochmorgen bundesweit zu einem großen Schlag aus. Gut 300 Polizeibeamte und zehn Steuerfahnder präsentierten an 55 Objekten Durchsuchungsbeschlüsse, darunter allein in NRW in 20 Städten. Neben Köln, Leverkusen, Düsseldorf und Solingen waren vor allem auch Ruhrmetropolen betroffen. Darüber hinaus stürmten die Einsatzkräfte in einer konzertierten Aktion Büros und Wohnungen in Berlin, Hamburg, Niedersachsen und in Hessen. Dabei fanden sich zwei Schusswaffen.

Corona-Subventionen in Höhe von sieben Millionen Euro

Zugleich hoben die Ermittler eine Betrüger-Connection aus, die nach Angaben der Staatsanwaltschaft sieben Millionen Euro staatlicher Corona-Sofort- sowie Überbrückungshilfen und Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) abgezockt hatten. In dem Komplex listen die Strafverfolger insgesamt 40 Tatverdächtige auf. Eine vierköpfige Betrüger-Clique soll den Schwindel  inszeniert haben. Über Strohleute gründete das Quartett Scheinfirmen, die dann seit 2020 Corona-Subventionen abkassierten. Einerseits hob die Bande Beträge in bar ab, außerdem soll es Investitionen in den betrügerischen Auto-Leasing-Komplex der Al Zein-Familie gegeben haben. Den größten Teil aber schleusten die Corona-Betrüger in die Türkei. „Angesichts der enormen Rechtshilfe-Probleme mit Ankara“, so ein Ermittler, „ist es äußerst unwahrscheinlich, dass wir dieses Geld jemals wiedersehen.“

Insgesamt wird in beiden Fällen gegen 57 Beschuldigte ermittelt, darunter gegen fünf Angehörige des Al Zein-Clans. Die acht mutmaßlichen Drahtzieher aus beiden Großverfahren wanderten inzwischen in Untersuchungshaft. Wie NRW-Innenminister Herbert Reul am Mittwoch berichtete, handelt es sich um fünf türkische Staatsbürger und drei Deutsche. Mit dem Hinweis auf das Corona-Verfahren sprach der CDU-Politiker von „Berufsbetrügern“, die ihren Lebensunterhalt bereits in der Vergangenheit auf diese Weise finanziert hatten. In beiden Fällen seien „große Fische“ ins Netz gegangen, betonte der Minister. Der Einsatz zeige: „Wir verstehen, was die Banden treiben. Wir verstehen kriminelle Strukturen. Und wir verstehen, wie Clankriminelle arbeiten.“ Mit Blick auf den Koalitionsstreit mit den Grünen zum Clanbegriff sandte Reul eine Spitze an den Regierungspartner aus: „Wir werden nicht aufhören, diese Machenschaften zu beenden. Die anderen Fische kriegen wir auch noch.“

Die verdeckten Ermittlungen gegen die beiden Banden förderten Hinweise auf weitere Straftaten zu Tage. So versuchte eine beschuldigte Clan-Größe einen Kneipier aus Solingen zu erpressen. Im Hinterzimmer des Lokals wurde illegal gespielt. Der Erpresser, der sich als Statthalter von Solingen aufgespielt haben soll, verlangte nach Informationen dieser Zeitung eine 20 prozentige Beteiligung vom Glückspieltisch. Dafür bot er seinen Schutz an. Als der Wirt ablehnte, stürmte eine Clan-Truppe den Laden und zertrümmerte das Inventar. Daraufhin einigten sich beide Seiten, ein neues Zocker-Event Anfang 2022 abzuhalten, von dem die zwei Streitenden gleichermaßen profitieren wollten. Das Unternehmen scheiterte. Denn die Polizei hatte Wind von dem Vorhaben bekommen. Die Beamten stürmte die Kneipe in der Nacht und hoben die Glücksspiel-Runde auf.

KStA abonnieren