Geschmacks-Test „Sorgenfrei“Keine Allüren trotz hoher Qualität

Die Begeisterung für Wein lässt sich im Sorgenfrei bereits am sonst völlig cleanen Interieur ablesen.
Copyright: Peter Rakoczy
Köln – Bei der Definition von gastronomischen Trends halte ich mich gerne zurück. Erstmal den Ball flach halten, abwarten. Die Liste der One-Hit-Wonder ist lang.
Seit einigen Jahren bahnt sich allerdings eine äußerst begrüßenswerte Tendenz ihren Weg: Immer mehr Spitzenköche entscheiden sich gegen die Sterne-Jagd, die dazugehörigen antiquierten Rituale und fordern kulinarische Gelassenheit. Raus aus der Elfenbeinturm-Kantine. Gutes Essen muss alltäglicher werden.
Unentspannte Spitzengastronomie
Wie abschreckend gewisse Eigenschaften der Spitzengastronomie wirken, lässt sich regelmäßig bei entsprechenden Besuchen beobachten. Erwachsene, selbstbewusste Menschen (zahlende Gäste) führen sich beim Betreten des Restaurants plötzlich auf wie beim Erstkontakt mit der Schwiegermutti.
Flüstern. Wohin mit den Händen? Bloß nicht das Silberbesteck berühren. Die Serviette gehört auf den Schoß oder? Gar nicht erst in die Weinkarte gucken. Ich kenn’ mich ja eh nicht aus. Nicht dass der Kellner gleich vor allen anderen Gästen zum großen Rebsorten-Quiz ausholt.
Kulinarische Gelassenheit statt Allüren
Das Restaurant Sorgenfrei verfolgt die gelassene Devise seit beinahe 14 Jahren. Die Qualität ist hoch, die Allüren flach. Der Service ist herzlich und aufmerksam, die Weinberatung außerordentlich treffsicher.
Der Gast sitz an blanken Holztischen, Grundgedeck, ein Menü, eine Seite à la Carte, mehr nicht. Diese Reduzierung auf das Wesentliche findet auch auf dem Teller statt. Küchenchef Sebastian Huppertz setzt auf kleinere, strukturierte Gerichte.
Der Gast wählt entweder, wie viele Gänge er vom aktuelle Menü probieren möchte, oder stellt sich sein eigenes aus den „Sorgenfrei“-Tellern zusammen. Die Gerichte werden als Zwischengangportion serviert und kosten einheitlich 16 Euro.
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Huppertz mag es abwechslungsreich. Er kombiniert verschiedenste Einflüsse. Den peruanischen Klassiker Ceviche serviert er mit Nori-Algen-Pulver und Granatapfelkernen. Die Kalbshüfte zupft er und mischt die Aromen von Riesling, Senfkohl und Linsen dazu.
Dem Cima di Rapa (zu deutsch Stängelkohl) ist direkt ein ganzer Teller gewidmet. Der leicht bittere, erdige Kohl erhält ein paar Röstaromen, drei Kleckse Topinambur-Püree, eine Handvoll Rosinen und etwas geröstete Gerste und könnte als Huppertz’ Visitenkarte durchgehen: klare Struktur, kein Firlefanz, hohe Qualität. Der Sorgenfrei-Klassiker „Steak Frites“ mit Sauce béarnaise ist ein wunderbares Überbleibsel aus den Restaurant-Anfängen.
Chefin Isabel Wilden ist sehr stolz auf die Entwicklung ihres Restaurants. Die ursprüngliche Enoteca-Idee ihres Ehemannes hat sich im Laufe der Jahre verändert. Der Wein steht im Sorgenfrei immer noch im Vordergrund, die Küche legt nach. Kulinarisch gelassen, versteht sich.
Sorgenfrei, Antwerpener Str. 15, 50672 Köln,
0221/ 3557327, Öffnungszeiten: Mo-Sa ab 18 Uhr
Das haben wir gegessen

Weißer Heilbutt mit Bottarga, Bärlauch und Kohlrabi,
Copyright: Peter Rakoczy
Cima di Rapa mit Topinambur, Verjus, Rosine und gerösteter Gerste // 16 Euro
Steak Frites // Entrecôte, Pommes frites, Sauce béarnaise und Salat // 28 Euro
Drei-Gänge-Menü (I, III, IV) // 38 Euro
I Ceviche // Island-Rotbarsch mit Süßkartoffel, Nori-Alge und Granatapfel
III Pulled beef // Kalbshüfte mit Riesling, Senfkohl, Gojibeeren und gelber Linse
IV Zitronen-Tarte // Joghurt-Eis,Walnuss, Rhabarber