„Gebr. Schmachtenberg“Traditionsfirma verlässt Köln – Umzug nach Remscheid

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Dieser Teil der Schmachtenberg-Produktionsstätten an der Subbelrather Straße ist bereits stillgelegt.

Dieser Teil der Schmachtenberg-Produktionsstätten an der Subbelrather Straße ist bereits stillgelegt.

  • Die Metallwaren-Fabrik "Gebr. Schmachtenberg" verlässt Köln nach 110 Jahren - Gelände wird Wohnanlage

Hinter der hellgrau verputzten Fassade des zur Straße gerichteten Hauses erstreckt sich die langgezogene Produktionshalle aus Stahlträgern und Backsteinmauern. Von außen sieht man dem Gebäude nicht an, dass sich hier eine Art High-Tech-Schmiede befindet. Und das seit genau 110 Jahren. Der Firmennamen „Gebr. Schmachtenberg“ ist schlicht, kaum auffällig und auch schon ein wenig verblasst. Bald wird er ganz verschwunden sein. Der Umzug des Unternehmens nach Remscheid ist schon im Gange. Für das Grundstück gibt es bereits Pläne für den Bau einer größeren Wohnanlage.

Patrick (l.) und Alexander Buchholz in der Kölner Werkhalle.

Patrick (l.) und Alexander Buchholz in der Kölner Werkhalle.

Es ist ein stiller Abschied aus Köln. Passend zur eher unauffälligen Präsenz im Viertel, gemessen an der mehr als hundertjährigen Tradition und den Produkten, die von der Subbelrather Straße aus in alle Welt verkauft wurden. „Aus unserer Hand in jedes Land“ lautete ein früher Firmenslogan. Seit 1908 stellt das Unternehmen Schmachtenberg Qualitätswerkzeuge aus Stahl her. Der Firmensitz, tief im Westen von Ehrenfeld, war einst sogar dem Postbezirk Köln-Bickendorf zugeteilt.

So kam es, dass auf Werbeplakaten für „Die besten Bleche der Welt“ als Herkunftsort „Bickendorf“ angegeben war. Schon früh spezialisierten sich die Gründer Friedrich Wilhelm und Max Schmachtenberg auf Erzeugnisse für den industriellen Bedarf. Zunächst Spezialbohrer und Bohrkronen für den Bergbau sowie Scherenmesser für die Walzwerk- und Hüttenindustrie.

Alte Werkbänke

Alte Werkbänke

Die Brüder, Söhne eines Kölner Fabrikanten, waren Tüftler in Sachen Stahl. Ihr Ziel, ein möglichst hartes, aber auch zähes Produkt, das in der Lage sein sollte, Stahl zu zerschneiden, erreichten sie schon nach wenigen Jahren. „Teut“ und „Teutan“ nannten die Gebrüder ihre Entwicklungen. Der international geschützte Markennamen klingt noch nach kaiserlichen Zeiten. Die Schmachtenbergs achteten streng darauf, dass ihre Betriebsgeheimnisse nicht in falsche Hände gerieten. Der Zutritt in die Fertigungshallen war auch unter den nachfolgenden Generationen streng überwacht. Wohl mit ein Grund, weshalb das Unternehmen nahezu im Verborgenen arbeitete.

In Geschichtsbüchern über Ehrenfeld, die in aller Ausführlichkeit von der Leuchtturm-, Schiffsschrauben- und Lackfabrikation berichten, sucht man es vergeblich. Dabei hätte es sich gelohnt, denn das Unternehmen hat sich nicht nur durch Spitzentechnologie, sondern stets auch durch soziales Handeln und lange Betriebszugehörigkeiten hervorgetan.

Selbst die altgedienten „Schmachtenberger“ wollen den Ortswechsel mitmachen. Von Köln nach Remscheid. Und im Bergischen ist vieles ähnlich. Dort ist das 1904 gegründete Unternehmen von Fritz Julius Buchholz über fast denselben Zeitraum in derselben Branche tätig. Der Betrieb fertigt unter dem Markennamen Steinstosser ebenfalls Spezialmesser und Sägeblätter. „Sicher waren es Konkurrenten, aber man begegnete sich mit Respekt. Die Claims waren gewissermaßen abgesteckt“, sagt Alexander Buchholz. Der Urenkel des Firmengründers ist zusammen mit Cousin Patrick Buchholz Geschäftsführer der gleichnamigen Unternehmensgruppe, die vor rund zwei Jahren den Kölner Konkurrenten übernahmen. „Wir wollen den traditionsreichen Namen Schmachtenberg erhalten“, versichert Patrick Buchholz. Bei der Verlagerung des Produktionsstandortes nach Remscheid sollen alle Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Altes Werbeplakat

Altes Werbeplakat

Noch wird in Köln Stahl geschmiedet und gerichtet, vergütet und gehärtet. Das ist unüberhörbar, sobald man die Halle betritt. Den Gang durch die Fertigungsbereiche bezeichnet Alexander Buchholz gern als „Zeitreise“ vom Zeitalter der Robotik bis ins Mittelalter. Tatsächlich empfängt den Besucher zunächst ein hochmoderner Roboter, der in einem abgeschirmten Bereich eine computergesteuerte Fräsmaschine bedient.

Dahinter findet noch vieles in Handarbeit statt, wie die Hammerschläge auf einem Amboss verraten. In manchen Bereichen wirken die Hallen tatsächlich fast vorindustriell. Dampf und Rauch der mit reichlich Hitze betriebenen Fabrikation haben im Lauf der Jahrzehnte ihre Spuren hinterlassen.

Die Kunden kommen nach wie vor aus der Recyclingbranche. Vorwiegend Schrottverwerter haben Bedarf an den Spezialmessern, die in der Lage sind, Bleche, Eisenteile und Stahlträger zu zerkleinern. Ein wachsender Markt, der einem steten Wandel unterliegt und in dem das Thema Kreislaufwirtschaft durch Wiederverwertung immer größere Bedeutung erlangt. Dennoch geriet das Unternehmen Schmachtenberg in die Insolvenz. 2016 übernahm Konkurrent Buchholz die Kölner Firma, wohlwissend um die hohe Qualität der Produkte und die Kompetenz der Beschäftigten. „Wir sind selber ein Familienunternehmen mit ähnlicher Tradition. Trotz der Unterschiede sind wir überzeugt, dass die Verlagerung des Produktionsstandortes gelingen kann und es richtig ist, den Namen Schmachtenberg Qualitätswerkzeuge zu erhalten“, sagt Patrick Buchholz. Das Firmenareal ist mittlerweile ebenfalls verkauft. Die neuen Schmachtenberg-Eigentümer sind nur noch Mieter am einstigen Sitz. Und auch das nicht mehr lange. Voraussichtlich Anfang 2019 werden sie Köln verlassen haben. Der Letzte der einst zahlreichen Industriebetriebe am Rand der Grünanlage Takufeld.

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