„Ich bin auf der Zielgeraden“Martin Semmelrogge über Fitness, Freunde und Theater

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Vor der Vorstellung geht es ins Fitnessstudio.

Vor der Vorstellung geht es ins Fitnessstudio.

  • Schauspieler Martin Semmelrogge wohnt in Köln und ist viel in der Stadt unterwegs.
  • Im Interview spricht er über das Coronavirus und wie ihm Sport im Alltag hilft, außerdem redet er über Theater und Trash-TV.
  • Außerdem verrät der 64-Jährige, ob das Älterwerden eine Rolle für ihn spielt.

Jeden Tag außer montags eine Vorstellung im Theater am Dom, am Wochenende drei. Und das drei Monate lang. Wie schafft man das? Martin Semmelrogge: Sport ist wichtig, ich war heute Morgen schon im Fitnessstudio, und gleich gehe ich noch mal. Nachmittags steige ich auf mein Mountain-Elektrobike, dann geht es am Rhein lang nach Poll oder zum Gremberger Wäldchen. Wenn ich den Rhein überquere, ist das fast, wie zum Meer zu fahren. Ich habe Sehnsucht nach meiner Familie und meinem Zuhause Mallorca, wo ich seit 20 Jahren lebe. Ich jogge oft mit meinem alten Kölner Kumpel Willi Herren (Mallorca-Sänger und Trash-Star, Anm. d. Red.), der hat mir auch das Fitnessstudio empfohlen. Abends nach der Vorstellung gehe ich in meine schöne Theaterwohnung, dann telefoniere ich oder schaue fern. Und dann ist auch Schluss.

Ist die Fitness eine Entdeckung des fortgeschrittenen Alters?

Semmelrogge: Sie wird mit den Jahren wichtiger. Aber ich habe schon immer viel Sport gemacht, ich kann Skifahren und Reiten, habe ein Abzeichen in Dressur und Springen. Sonst hätte ich die Rollen bei den Karl-May-Festspielen in Elspe und Bad Segeberg gar nicht durchgehalten.

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Semmelrogges Handy klingelt. Willi Herren ist dran. Man verabredet sich für später.

Was mögen Sie mehr: Theater oder Film und Fernsehen?

Semmelrogge: Das sind unterschiedliche Jobs. Ich komme vom Film: „Das Boot“, „Bang Boom Bang“, alles Riesenerfolge. Ich drehe auch immer wieder zwischendurch. Gerade werden einige Produktionen wie „Für Umme“ oder „Limbo“ auf Streamingdiensten veröffentlicht. Demnächst bin ich bei dem Independent-Horrorfilm „Rotkäppchen oder die Boten des Bösen“ dabei. Für die Bühne muss man brennen. Das ist wie bei einem Fußballer – der verdient natürlich mehr Geld. Du gehst in deine Garderobe, das ist dein zweites Zuhause, und dann gehst du raus und bist der Star. Du musst dich jeden Tag neu motivieren – man spielt ja immer das Gleiche. Die Kunst ist, es aussehen zu lassen, als wäre es das erste Mal. Ich baue dann ganz gerne mal einen Verhaspler ein. Dann hat man die Leute.

Frage an unseren Fotografen, ob er auch zwei Porträts für eine Netflix-Bewerbung machen könne.

Sie sind oft im Theater am Dom zu Gast. Wie ist Ihr Verhältnis zur Stadt?

Semmelrogge:Ich mag sie. Ich bin schon als Jugendlicher hier gewesen, habe in Nippes eine sozialkritische Jugendserie gedreht, mit Motorradbande und so.

Sie haben auch Ausflüge ins Trash-Fernsehen gemacht: „Promi Big Brother“ (2013) und „Sommerhaus der Stars“ (2017).

Semmelrogge: Na ja, das war einfach wegen der Kohle. Und damit man eine gewisse Präsenz hat. Nach dem „Sommerhaus“ hat mich Dieter Wedel für die Bad Hersfelder Festspiele engagiert. Beim „Sommerhaus“ war ich schon nach zwei Tagen raus, weil ich mir vorgenommen hatte, immer höflich zu den Frauen zu sein, nicht rumzuschreien und nichts von mir preiszugeben. Und bei „Big Brother“ zeigten die natürlich lieber, wie sich irgendeine Bitch die Fußnägel schneidet als mich und David Hasselhoff beim Gespräch um vier Uhr morgens.

Werden Sie von den Leuten auf der Straße erkannt?

Semmelrogge: Ja, trotz der Maske sogar noch eher als vor Corona. Die Leute erkennen mich an der Stimme. Man konzentriert sich jetzt einfach mehr auf das Hören.

Fühlen Sie sich im Theater sicher vor Ansteckung?

Semmelrogge: Ja, wir haben da eine hervorragende Lüftung, das ist alles vom Tüv geprüft. Da ist bessere Luft als in der Fußgängerzone.

Denken Sie über das Alter nach?

Semmelrogge: Ich fühle mich nicht wie 64. Aber ich bin dabei, meine Rente zu beantragen. Was nicht heißt, dass ich aufhöre zu arbeiten.

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Die Rente ist dann aber schon mal eine Einkommensgrundlage, ich habe ja auch viel eingezahlt. Ich kann aber zurzeit meine Rentenversicherungsnummer nicht finden.

Semmelrogge befiehlt seinem Handy, das Landestheater Rheinland-Pfalz anzurufen, wo er lange gearbeitet hat. Ob Frau L. schon die Versicherungsnummer gefunden hat. Noch nicht? Muss erst noch ins Archiv? Kein Stress.

Sie haben ein bewegtes Leben und viele Schlagzeilen wegen Gesetzesübertretungen hinter sich, schauen Sie zurück?

Semmelrogge: Im Lockdown habe ich meine zweite Biografie „Ich bin mir selbst auf ewig ein Rätsel“ geschrieben, die Fortsetzung von „Ein wilder Ritt durch 50 Jahre Paragraphistan – Das Leben ist eine Achterbahn“.

Kreisen Sie noch auf der Achterbahn?

Semmelrogge: Ich bin auf der Zielgeraden.

Was sind Ihre nächsten privaten Pläne?

Semmelrogge: Ich werde demnächst meine Freundin Regine heiraten. Da gibt es noch Probleme mit der Heiratsurkunde meiner vorherigen Ehe. Wir hatten damals in Amerika geheiratet. Behördenirrsinn.

Semmelrogge zeigt ein Familienfoto auf dem Handy.

Semmelrogge: Und ich bin gerade zum zweiten Mal Opa geworden. Der Kleine heißt Zack. Dem werde ich alle Tricks zum Überleben zeigen.

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