„Wegzug des 1. FC Köln wäre undenkbar“Sportausschuss-Vorsitzender über die Klub-Pläne

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Oliver Seeck ist der Vorsitzende des Sportausschusses.

  • Oliver Seeck von der SPD ist der Vorsitzende des Sportausschusses der Stadt Köln.
  • Im Interview spricht er über den Alternativvorschlag, den 1. FC Köln teilweise in Bocklemünd anzusiedeln.
  • Außerdem erklärt er, warum Köln für ihn immer noch eine Sportstadt ist.

Köln – Herr Seeck, was halten Sie als Vorsitzender des Sportausschusses vom Alternativvorschlag, den 1. FC Köln zumindest in Teilen in Bocklemünd anzusiedeln? Oliver Seeck: Der FC kommt im Grüngürtel nicht voran und lehnt den Vorschlag Marsdorf ab, zumal Marsdorf ja die nächste Verzögerung bedeutete. Die Frage ist dann, ob man einfach abwartet. Oder ob man versucht, auch im Sinne des FC weitere Alternativen zu suchen. Bocklemünd als Bezirkssportanlage ist eigentlich für andere Dinge vorgesehen. Daher ist Flexibilität gefragt, und wenn tatsächlich ein Interesse besteht, muss man zunächst darauf achten, dass man nicht die anderen Vereine verprellt, die schon da sind. Das sind die Cologne Crocodiles, die dort große Pläne haben. Das sind aber auch Breitensportvereine mit ihren Jugendabteilungen, die man nicht verdrängen darf.

Es gibt aber ja Möglichkeiten, die Anlage zu erweitern.

Seeck: Es ist eine Erweiterungsfläche vorgesehen, die unbedingt dem Sport zugewiesen werden sollte. Das ist bislang ein Acker, auf den zwei Fußballplätze passen. Der Sportentwicklungsplan sieht außerdem vor, dort Flächen für die Öffentlichkeit herzurichten. Dort soll ein Modellprojekt entstehen.

Der FC, Vereins- und Breitensport sowie Flächen für die Öffentlichkeit – passt das alles nach Bocklemünd?

Seeck: Der Platz dort ist endlich, ganz klar. Mein großer Wunsch an alle Beteiligten wäre, Synergie-Effekte zu suchen und zum Beispiel Plätze gemeinsam zu nutzen. Synergien sind dort allerdings auch hinsichtlich der Gebäude nötig. Auf dem Gelände wird eine neue Dreifach-Turnhalle gebaut, da wäre es unsinnig, wenn der FC dort 100 Meter Luftlinie entfernt ein weiteres Gebäude errichtete. Baulich sehe ich da große Möglichkeiten. Mir ist klar, dass der FC Bereiche haben muss, die man nicht mit den anderen Vereinen teilt. Aber es gibt sicherlich Möglichkeiten einer gemeinsamen Nutzung. Ich habe auch die Hoffnung, dass die benachbarte Max-Ernst-Gesamtschule von dem Projekt profitieren könnte.

Das sind viele Parteien, die sich auf diesem Gelände verwirklichen sollen.

Seeck: Ich glaube, dass die Beteiligten da einander wenig wegnehmen werden. Zeitlich gibt es kaum Überschneidungen: Die Schulen nutzen die Plätze eher am Vormittag, der FC am Nachmittag – und der Breitensport ist vor allem am Abend aktiv. Daher sind Kunstrasenplätze so wichtig, denn ein Naturrasen böte nicht genügend Nutzungsstunden für eine Doppelt- oder Dreifachnutzung.

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Oliver Seeck will Köln weiterhin als Sportstadt sehen.

Halten Sie den Vorschlag für Mehrheitsfähig?

Seeck: Ich kann nur dafür werben. Der FC hat es nicht verdient, noch einmal gegen die Pumpe zu laufen. An der Gleueler Wiese hat sich der Verein aus meiner Sicht korrekt verhalten. Dem FC nun Marsdorf überzustülpen, ohne dass der Verein das will, halte ich für unfair. Egal, wie man zum FC steht: Einem solchen Verein muss man etwas anbieten. Ich unterstelle aber allen politisch Handelnden in der Stadt, das zu wollen. Ich hoffe, wir müssen die Stimmen nicht ernst nehmen, die sich angeblich gut vorstellen können, dass der FC die Stadt verlässt. Denn das wäre eine Katastrophe.

Welche Rolle spielt der FC für die Stadt? Sehen Sie tatsächlich eine Gefahr?

Seeck: Es wäre undenkbar, völlig absurd. Da muss ich gar nicht mit der Tradition argumentieren; das Gefühl Müngersdorf sehen wir alle 14 Tage, da brauche ich nichts zu erläutern. Der 1. FC Köln hat aber auch eine Komponente für den Jugend- und Breitensport. Es laufen so viele Kinder in FC-Trikots durch den Sport-Unterricht, das sehe ich ja jeden Tag. Der FC animiert und sorgt für die Identifikation mit dem Sport, das kann man gar nicht hoch genug bewerten. Außerdem leistet der FC auch Arbeit im Jugendbereich, denn nicht jedes Kind, das beim FC spielt, wird letztlich auch Profi. Das sind Kinder aus Köln, die dort Sport treiben.

Zur Person

Oliver Seeck (SPD) ist Vorsitzender des Sportausschusses und Mitglied des Ausschusses Schule und Weiterbildung. Der 47-Jährige ist Gymnasiallehrer, verheiratet, lebt in Köln-Ehrenfeld und hat zwei Töchter. (og)

Wie schätzen Sie die Zumutungen für die Beteiligten ein, die jeder für sich Kompromiss eingehen müssen?

Seeck: Es darf niemand verdrängt werden, zumal kein Verein, für den dort bereits geplant wurde. Ich habe den FC aber bislang auch als absolut kompromissbereit erlebt. Das ist dann keine Frage des Wünschens. Man muss es hinbekommen. Es kann ruckelig werden. Aber man muss ins Gespräch kommen, und da werde ich mich gern moderierend einbringen.

Denn es darf nicht sein, dass Sport gegen Sport ausgespielt wird. Wir hatten an der Gleueler Wiese den vermeintlichen Konflikt zwischen Klima und Sport. In Marsdorf gibt es den Konflikt mit dem Frischemarkt, also Wirtschaft gegen Sport. Einen Konflikt Sport gegen Sport in Bocklemünd müssen wir unbedingt vermeiden. Wir müssen nach der Kompromisslinie suchen. Ich bin da absolut zuversichtlich.

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Die Trennung zwischen Leistungszentrum und Trainingsplätzen wäre allerdings eine Kröte, die der FC schlucken müsste.

Seeck: Mir wäre es auch lieber, der FC könnte auf der Gleueler Wiese erweitern und alles bliebe an einem Ort. Wenn das aber nicht möglich ist, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Einen Kompromiss zu suchen – oder gar nichts zu tun. Für Letzteres haben wir aber keine Zeit, der FC hat lange genug gewartet. Wir müssen aus dieser Hängepartie raus, es muss endlich gehandelt werden.

Der Plan, am Geißbockheim das Leistungszentrum zu errichten, bleibt von alledem unberührt. Allerdings brauchte der FC auch in Bocklemünd Infrastruktur – und die kostet Geld. Wer würde das bezahlen?

Seeck: Wenn die Halle ohnehin neu gebaut wird, könnten Anbauten dort in einer Partnerschaft errichtet werden. Ich warne grundsätzlich davor, dieses Areal durch Aufbauten zu zersiedeln. Dann wird der Platz wirklich knapp. Wir brauchen Aufbauten, wollen aber vor allem Flächen für den Sport. Klar ist, dass der FC dort mehr braucht als nur eine Umkleidekabine.

Die Kombination aus Leistungs-, Breiten- und Individualsport könnte die Sportstadt Köln nach vorn bringen.

Seeck: Ich hoffe und erwarte, dass dort keine Zäune hochgezogen werden. Wir brauchen einen offenen Charakter, um in einem solchen Sportpark den 1. FC Köln für alle sichtbar werden zu lassen. Der FC kann dort ein Bestandteil des Breitensports werden. Ich verspreche mir insgesamt vom Sportentwicklungsplan, dass die Tendenz dahin geht, Individualsportler auch wieder an Gemeinschaften zu binden. Damit etwa dort, wo die Bürger joggen gehen, Laufgruppen entstehen.

Oder dass Basketballer, die in den Streetball-Anlagen spielen, Hallenzeiten von den Vereinen zum Beispiel für schlechtes Wetter angeboten bekommen. Es gibt keine Rangfolge zwischen Individual- und Vereinssport, das soll kein Gegensatz sein. Ich halte offene Sportanlagen für das exakt richtige Mittel, diese Sportler zusammenzubringen.

Es gab zuletzt den Brandbrief des Stadtsportbundes mit den großen Sportvereinen, in dem sich bitterlich beklagt wurde, dass die Politik zu wenig für den Sport unternimmt. Ist das so?

Seeck: Ich halte uns im Sportausschuss für Lobbyisten des Sports, und zwar im positiven Sinne. Der Sport hat unglaubliche Kraft, ist aber fragmentiert. Deshalb begrüße ich diese Allianz, die den Finger in die Wunde legt. Ich finde das gut, weil es uns antreibt, den Blick nach vorn zu richten und uns die Frage zu stellen, welche Bedeutung der Sport in dieser Stadt haben soll. In den Sonntagsreden wird immer vom Gesundheitssport gesprochen, vom Seniorensport.

Der Sport kann aber noch viel mehr: Integration ist da ein Thema, aber auch die Spaltung der Gesellschaft, die wir zunehmend beobachten. Wer, wenn nicht der Sport, kann das auffangen? Deswegen hoffe ich, dass es auch in der Politik mittlerweile ein Verständnis dafür gibt, dass der Sport in den Mittelpunkt der Stadtgesellschaft gehört. Da reicht es nicht, hier und da einen Kunstrasenplatz zu bauen. Die Probleme Gesundheit, auch Kindergesundheit. Vereinsamung, Integration – auf alle diese Fragen weiß der Sport eine Antwort. Daher muss es dringend mehr Mittel geben. Ich finde die Allianz sehr gut, weil sie alle einschließt und auch die Verbindung zwischen Breiten- und Profisport herstellt. Und da schließt sich aus meiner Sicht ein Kreis. Denn es ist aus meiner Sicht überhaupt kein Widerspruch, wenn Breitensport und Profisport in Bocklemünd in Kontakt sind.

Kann man denn derzeit Köln überhaupt als Sportstadt bezeichnen?

Seeck: Ich persönlich bin nicht bereit, auf den Begriff zu verzichten, denn sonst gebe ich etwas auf. Der Begriff Sportstadt Köln ist ein Antrieb, daher werde ich ihn nicht aufgeben. Köln ist ja eine Sportstadt, wir haben Spitzensport in dieser Stadt. Aber ich verstehe die Kritiker, denn es gibt noch sehr viel zu tun.  

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