Abo

Amtsgericht KölnFreispruch im Verleumdungsprozess – Mögliche Schuldunfähigkeit

3 min
Weiße Fassade des Amtsgerichts mit etlichen Fenstern.

Außenansicht des Landgericht und Amtsgericht Köln auf der Luxemburger Straße in Köln Sülz.

Ein ehemaliger Gewerkschafter musste sich wegen Verleumdung und Beleidigung in einer Vielzahl von Fällen vor dem Kölner Amtsgericht verantworten.

Beleidigung und Verleumdung in einer Vielzahl von Fällen wurden einem 61-jährigen Mann zur Last gelegt, der am Freitag im Kölner Amtsgericht erscheinen musste. Weit weniger an den Vorwürfen nahm er Anstoß als daran, dass die Staatsanwaltschaft davon ausging, er habe die Taten „im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit“ begangen. „Ich bin voll prozess- und schuldfähig“, erklärte er ein ums andere Mal.

Spätestens seitdem ihm im Jahr 2004 im Zusammenhang mit einem Verfahren ein Psychiater Schuld- und Verhandlungsunfähigkeit bescheinigte, fühlt er sich stigmatisiert. Zwar sei er im Alter von 21 Jahren schwer traumatisiert worden, doch es sei ein Unding, ihm deshalb die Zurechnungsfähigkeit abzusprechen. Die Vorwürfe, zu denen auch gehört, dass er die Anklageschrift öffentlich gemacht hat, räumte er ein. Allerdings seien die beanstandeten Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Ehemaliger Gewerkschafter fand Gewaltabsage unsolidarisch

Der 61-Jährige, der von Hartz IV lebt und ehrenamtlich arbeitet, war in der Öffentlichkeit regelmäßig politisch aktiv und bis zum Ausschluss durch den Bundesvorstand Mitglied einer Gewerkschaft. Im Dezember 2020 empörte er sich über die Stellungnahme des hiesigen Bezirksvorstands der Gewerkschaft zu einem Prozess vor dem Hamburger Landgericht, in dem es um die Ausschreitungen beim G20-Gipfel im Juli 2017 ging. Der Angeklagte empfand das Statement, zu dem eine Absage an rechtswidrige Gewalt gehörte, als unsolidarisch gegenüber den Beschuldigten des Prozesses, von denen zwei der Jugendorganisation der Gewerkschaft angehört hatten.

In der Folge verschickte er nahezu täglich E-Mails an einen unüberschaubar großen Kreis von Adressaten, zu denen Bundestagsabgeordnete, diverse Einrichtungen und Organisationen, Pressorgane, Parteien und weitere Empfänger gehörten, darunter der Geschäftsführer des Bezirksvorstands. Die E-Mails enthielten laut Staatsanwaltschaft wiederholt beleidigende und verleumderische Äußerungen.

Gutachter bescheinigte wahnhafte Störung

Da es um die Frage der Schuldfähigkeit ging, wurde ein psychiatrischer Gutachter bestellt. Eine persönliche Untersuchung habe der Angeklagte abgelehnt, sagte der Sachverständige am Freitag; seine Einschätzung stütze sich auf Eindrücke, die er bei Telefonaten mit dem Beschuldigten, von den E-Mails und in der Hauptverhandlung gewonnen habe; berücksichtigt habe er auch das frühere Gutachten. Fazit: Der 61-Jährige sei querulatorisch, und relativ sicher leide er an einer wahnhaften Störung.

Seine Steuerungsfähigkeit sei auf jeden Fall vermindert, wenn nicht gar auszuschließen. Der Befund ließ nach dem Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ nur einen Freispruch zu. Zuvor hatte der Verteidiger seinem Mandanten, auf den die Richterin geduldig eingegangen war, deutlich gemacht, der hartnäckige „Kampf ums Recht“ sei gefährlich: Man könne „sich verstricken“, und dann würden „Grenzen verletzt“. So wie bei Michael Kohlhaas, der vom Opfer von Unrecht zum Täter werde. Der 61-Jährige sagte zum Schluss resigniert: „Ich sehe, ich komme nicht durch.“