Chaos im LandesverbandAfD-Spitze droht NRW-Vorstand mit Amtsenthebung

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Helmut Seifen hat sein Amt innerhalb der AfD niedergelegt. 

Helmut Seifen hat sein Amt innerhalb der AfD niedergelegt. 

  • In der NRW-AfD haben Ultranationalisten das Ruder übernommen. Das sorgt für chaotische Zustände im Landesverband.
  • Nun erhöht der Bundesvorstand der AfD den Druck auf die Chefs des NRW-Landesverbands. Die Berliner Parteispitze fordert eine Neuwahl bis spätestens 6. Oktober
  • Die Berliner Parteispitze fordert eine Neuwahl bis spätestens 6. Oktober. Andernfalls droht sie den drei im Amt verbliebenen Vorstandsmitgliedern mit Amtsenthebung
  • Ein Lagebericht.

Düsseldorf – Es ist gerade mal zwei Jahre her, da stand Marcus Pretzell auf einer Düsseldorfer Bühne und grinste ins Publikum. Seine Partnerin Frauke Petry, damals noch Chefin des Bundesverbands der AfD, wurde vorgefahren, zusammen gab das Paar ein Bild der Genugtuung ab. Den Rechtspopulisten war es unter Landeschef Pretzell gelungen, erstmals in den NRW-Landtag einzuziehen. Zwar blieb die Partei mit 7,4 Prozent hinter den eigenen Erwartungen. Doch nicht wenige AfD-Anhänger glaubten, dass es der Beginn einer glorreichen Ära sein könnte. Es kam anders. Pretzell ist längst weg, Petry auch, zwei Parteivorstände wurden seitdem in einem Richtungsstreit zwischen den Nationalkonservativen und dem völkischen Flügel verschlissen. Der vorgezogene Landesparteitag am Wochenende in Warburg sollte die Befreiung bringen. Wieder kam es anders. Der Vorstand um die Landessprecher, der als gemäßigt geltende Helmut Seifen und der Flügel-Anhänger Thomas Röckemann, sollte den Weg freimachen für einen ehemaligen Offizier aus Euskirchen. Rüdiger Lucassen sollte die Reihen schließen.

Doch Röckemann und Christian Blex, ebenfalls glühender Flügel-Anhänger, machten keine Anstalten, ihre Ämter niederzulegen. Schließlich scheiterte auch ihre Abwahl an der ZweiDrittel-Mehrheit. „Ich für meinen Teil habe die Eier, das, was ich angefangen habe, auch durchzuziehen“, so Röckemann. Und so durfte der Flügel um den Thüringer Landeschef Björn Höcke, der seine „Flügelanten“ zeitgleich beim Kyffhäusertreffen einschärfte, aus der Ferne triumphieren. Die Ultranationalisten hatten den NRW-Parteitag gesprengt, Lucassen brüskiert und den mit 5300 Mitgliedern größten Landesverband wieder ins Chaos gestürzt.

„Röckemann und Blex sind auf einem Egotrip“

„Die Lage des Landesverbands ist schwierig“, sagte Helmut Seifen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Mit dem verbliebenen Vorstand geht er hart ins Gericht. „Röckemann und Blex sind zwei Höcke-Statthalter. Sie sind auf einem Egotrip“, polterte Seifen, dem das Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden geblieben ist. „Ihre Loyalität gehört nicht der NRW-AfD, sondern einer Person, die sich gerne als Landesfürst aufführt. Das müssen die Menschen in der Partei endlich begreifen.“ Indirekt deutet Seifen an, dass er die beiden gern aus der Partei verbannen würde. „Ich bedaure, dass es nach dem Parteiengesetz nicht so einfach ist, solche Leute loszuwerden.“

Am Montagabend hat der Bundesvorstand ein Machtwort gesprochen. Sollte bis zum 6. Oktober keine Neuwahl stattgefunden haben, werde man Höcke-Sympathisant Röckemann und seine Mitstreiter des Amtes entheben, grollte der Vorstand aus Berlin. Doch Höcke selbst will man nicht attackieren – stehen doch jetzt in drei ostdeutschen Bundesländern Landtagswahlen an, wo die AfD mit Ergebnissen jenseits der 20 Prozent rechnet. Auf ihrer Internetseite bewirbt die Bundes-AfD derzeit eine Wahlkampf-Veranstaltung in Cottbus. Mit dabei: Björn Höcke. Es scheint, als würde der Thüringer AfD-Landeschef und der Flügel, der vom Verfassungsschutz zum Verdachtsfall erklärt wurde, die Partei vor sich hertreiben. AfD-Chef Alexander Gauland war am Samstag zwar zum Kyffhäuser-Treffen gereist, um die Scharfmacher zu mäßigen: „Wir sind hier keine Spielwiese zum Austesten, wie weit man gehen kann“, erklärte Gauland und ermahnte seine Mitstreiter, sich auch mal „auf die Lippe zu beißen“. Höcke zeigte sich unbeeindruckt und attackierte sowohl den Bundesvorstand als auch seine parteiinternen Kritiker: „Spalter und Feindzeugen schaden unserer Partei am allermeisten und danach kommt lange, lange nichts.“

Bis zu einem Drittel der AfD-Mitglieder sollen „Flügel“-Sympathisanten sein. Im Bund wie in NRW. „Es ist leider nun so, dass eine kleine Minderheit die Schalthebel in der Hand hält“, sagt Seifen. Ein Zustand, den der Landesverband nun noch bis Oktober ertragen muss. Und vielleicht auch noch darüber hinaus. „Der Flügel wird sich bemühen, in den nächsten Monaten die Machtverhältnisse neu zu justieren“, glaubt eine prominente Stimme aus dem Umfeld der Partei. Es gebe etwa 100 hochaktivistische Personen vom rechten Rand, die schon lange darauf warten würden, in die AfD einzutreten.

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