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Chaos am ChlodwigplatzIst die Kölner Südstadt am 11.11. der neue Hotspot?

7 min
11.11.2025
Köln:
Reportage über den Kneipenkarneval zur Sessionseröffnung „Elfter im Elften“ in der Südstadt und dem Belgisches Viertel.
Übersicht auf dem Clodwigplatz von der Severinstorburg aus 
Foto: Martina Goyert

Auf dem Chlodwigpatz herrschte besonders großer Andrang.

Der Chlodwigplatz wurde von Feiernden überrannt, aber die nötige Infrastruktur fehlte, berichten Anwohner und Gastronomen.

Ins Zülpicher Viertel strömen am 11.11. seit vielen Jahren die Massen, während die Südstadt als Hochburg des traditionellen Kneipenkarnevals gilt. Sind diese Zeiten seit dieser Sessionseröffnung vorbei? Zwar war der Zulauf rund um die Zülpicher Straße am Dienstag größer als erwartet – auch dank des guten Wetters. Allerdings zeichnete sich schon früh am Tag ab, dass es die Massen auch weiter in den Süden zog, Richtung Barbarossa- und Chlodwigplatz. Die Stadt Köln bestätigt auf Anfrage: „In der Südstadt wurde ein hohes Besucheraufkommen festgestellt.“

Im Zülpicher Viertel ging es währenddessen etwas friedlicher zu: „Im letzten Jahr haben Leute vor unsere Haustür geschissen. Solche Eskapaden gab es dieses Jahr zum Glück nicht“, sagt Sven N., Anwohner des Kwartier Latäng. „Überhaupt war es ruhiger: Um 12 Uhr konnte ich die Zülpicher Straße Richtung Universität wieder normal entlang gehen, ohne dass eine schiere Masse von Menschen mir den Weg versperrt hat.“

Anders als das Kwartier Latäng war das Veedel am Chlodwigplatz nicht auf den enormen Andrang vorbereitet

Anders erging es Bewohnern der Südstadt: „Ich hab den Chlodwigplatz und die Bonner Straße noch nie so voll gesehen. Das, was nicht auf der Zülpicher war, war glaube ich in der Südstadt“, sagt der 58-jährige Sven Kalmus. Das Problem: Anders als die Zülpicher Straße war das Veedel nicht auf den enormen Andrang vorbereitet. Es ist Mittwoch, der 12. November, 14 Uhr, „und der Dreck ist noch nicht weg. Das ist schon heftig. Einige Südstädter werden da heute bei der Stadt angerufen haben“, sagt Anwohner Kalmus am Tag nach dem Sessionsstart.

Alles zum Thema Chlodwigplatz

Vor allem jüngere Leute seien vermehrt auf den Chlodwigplatz geströmt, spontan wurden hier DJ-Pulte aufgestellt, Boxen in Bäume gehängt. Insgesamt sei die Infrastruktur nicht auf die Menschenmengen angelegt gewesen, die zum Feiern hier herkamen, sagt Hülya Wolf. Die 56-Jährige betreibt seit fast 30 Jahren die Kneipe „Torburg“.

Sowas wie gestern hab ich noch nie gesehen. Es kann nicht sein, dass die Stadt uns so dermaßen auflaufen lässt.
Hülya Wolf, Betreiberin der „Torburg“

„Sowas wie gestern hab ich noch nie gesehen. Es kann nicht sein, dass die Stadt uns so dermaßen auflaufen lässt“, so Wolf. „Und dann hier zwei Pseudo-Ordner hinzustellen, bei den Tausenden von Menschen, das war 'ne Lachnummer“. Der Zustand mache sie wütend, traurig und hilflos. Gegenüber der „Torburg“ haben zehn Dixiklos gestanden, so die Wirtin, die regelrecht übergelaufen seien. Es habe heftig nach Fäkalien gestunken, Urin sei bis vor die Kneipe gelaufen. Am 12. November versuchen Hülya Wolf und ihr Nachbar, Omar Altouokhi vom Friseursalon Headlounge, gemeinsam das Erbrochene von der Straße zu entfernen.

„Hier am Chlodwigplatz sind wir noch die Oase, die von Südstädtern angesteuert wird“, sagt Wolf, „aber irgendwann gehen wir hier auch durch den Ballermann-Karneval zugrunde.“ Sie verstehe, dass junge Leute feiern möchten, hier brauche es mehr Flächen in der Stadt, die dafür ausgelegt sind. „Dieses Jahr war es so viel schlimmer als sonst, und der 11.11. war an einem Dienstag“, so die Wirtin, „Irgendwann kommt wieder der Freitag, Samstag – und bis dahin sollte die Stadt Köln sich endlich was Ordentliches überlegen.“

Betreiber von Kneipen in der Südstadt äußern Wut auf Stadt Köln

Daniel Rabe, Betreiber der „Bagatelle“, äußerte auf Facebook ähnliche Bedenken: „Seit acht Jahren wird in großen und in kleinen Kreisen darüber gesprochen, wie der Karneval für junge Leute gelenkt und verändert werden kann und ein Scheißdreck ist passiert.“ Statt einer Lösung gebe es nun zwei Hotspots, die Zülpicher Straße und den Chlodwigplatz. Während es für erstere jedoch teure Maßnahmen wie Rasenschutz, Security und genügend Toiletten gebe, werde der Chlodwigplatz sich selbst überlassen. „Junge Leute müssen feiern. Junge Leute sollen sich daneben benehmen“, schreibt Rabe, „Aber du musst als Stadt die Rahmenbedingungen festlegen und Räume schaffen.“

Was heißt das für die Südstadt mit Blick auf die Karnevalstage im Februar und den nächsten Elften im Elften? Von der Stadt Köln heißt es auf Anfrage dieser Zeitung: „Eine Bewertung und mögliche Konsequenzen für den Straßenkarneval wird die Stadt Köln in der Nachbetrachtung vornehmen.“ Ob es für das Veedel um den Chlodwigplatz nach Vorbild des Zülpicher Viertels eventuell einen abgesperrten Bereich oder ein erweitertes Glasverbot geben soll, dazu gibt es aktuell keine Informationen.

Junge Leute müssen feiern. Junge Leute sollen sich daneben benehmen. Aber du musst als Stadt die Rahmenbedingungen festlegen und Räume schaffen.
Daniel Rabe, Betreiber der „Bagatelle“

Aktuell leiden vor allem Kneipen unter den Entwicklungen des Karnevals in der Südstadt, findet Hülya Wolf. Es frustriere sie, dass Gastronomen hohe Auflagen für Musik zahlen müssen, während andere spontan DJ-Pulte auf dem Chlodwigplatz aufstellen könnten. Die Betreiberin der „Torburg“ wünscht sich, dass auch Kiosk- und Supermarktbetreiber verstärkt Verantwortung übernehmen, indem sie darauf achten, an Minderjährige keinen Alkohol zu verkaufen und beim Aufräumen helfen. Sie habe viel zu viele „zu junge Leute, fast Kinder“ gesehen, die an der Grenze zum Kollaps waren.

Stadt Köln setzte in der Altstadt und im Zülpicher Viertel jugendliche Testkäufer ein

Der Schutz von Jugendlichen sei ein Einsatzschwerpunkt des Ordnungsamtes am 11.11. gewesen, heißt es von der Stadt Köln. Etwas mehr als 50 Jugendliche seien verbotenerweise mit Alkohol oder Tabak angetroffen worden. Außerdem seien jugendliche Testkäufer unterwegs gewesen, um Kioske und andere Betriebe zu auf unerlaubte Alkoholabgabe zu prüfen. Aus der Mitteilung geht jedoch auch hervor, dass diese Einsätze vor allem in der Altstadt und im Umfeld der Zülpicher Straße erfolgten.

Einige Südstadt-Kneipen, die nicht unmittelbar am Chlodwigplatz sind, haben das Treiben als weniger heftig erlebt. „Nichts Aufregendes, es war alles so wie immer“, sagt Robert Hilbers, Wirt im Chlodwig-Eck. Er habe noch immer das Gefühl, in der Südstadt werde ein ganz anderer Karneval gelebt als beispielsweise auf der Zülpicher Straße. Im Chlodwig-Eck sei der Eintritt aber auch ab 20 Jahren.

Das Publikum in der Südstadt sei insgesamt jünger geworden, sagt Konrad Siegel von der Ubierschänke: „Ich kann da nur meine 19-jährige Tochter zitieren, die sind früher immer auf die Zülpicher, da wollen die jetzt aber nicht mehr hin.“ Insgesamt sei aber alles friedlich abgelaufen, die Stimmung sei gut gewesen, die Besucher seiner Kneipe höflich. „Es gab keinen Ärger mit Betrunkenen oder sonst was. Gemessen daran, wie voll das mittlerweile ist, gehen die Leute erstaunlich gut miteinander um“.


Das sagen Menschen aus der Südstadt und dem Zülpicher Viertel

11.11. am Chlodwigplatz: Omar Altouokhi (38) vom Frseursalon Headlounge

Omar Altouokhi (38) vom Friseursalon Headlounge

Omar Altouokhi, Südstadt: „Die Leute sollen feiern und glücklich sein, aber das war eine Katastrophe. Überall liegt Kotze, Jugendliche haben gegen unseren Laden gepinkelt. Gestern war ich kurz hier und habe das gesehen, aber was soll ich da sagen?“

11.11. Chlodwigplatz: Melissa Wolf (26) und Marvin Scheben (30)

In der Südstadt am 11.11. war pures Chaos, finden Melissa Wolf (26) und Marvin Scheben (30)

Melissa Wolf und Marvin Scheben, Südstadt: „Das war hier gestern ein Kindergeburtstag, ich hatte gestern das Gefühl, hier war keiner über zwanzig. Jeder hat das Recht, zu feiern, aber nicht unter diesen Umständen, das war hier die Zülpicher 2.0. Keine Absperrungen, es war einfach nur pures Chaos hier. Gläser und Flaschen sind geflogen. Karneval ist schön, aber der Wandel hier in der Südstadt ist nicht positiv, und die Kneipenkultur leidet extrem darunter.“

Ist die Südstadt die neue Zülpicher? Leute aus Gastronomie und Anwohner aus der Südstadt erzählen

Robert Hilbers (65) ist Wirt im Chlodwig-Eck.

Robert Hilbers, Wird des Chlodwig-Eck: „Eigentlich war es ‚Same Procedure as every year‘. Der Laden war voll, die Schlange wird von Jahr zu Jahr länger, aber das liegt daran, dass wir alles ohne Kartenverkauf machen. Ich habe aber das Gefühl, die Klientel vom Zülpi kommt nicht in die Südstadt. Das sind hier eher Leute aus dem Veedel und aus Köln, nicht so Touristen-mäßig.“

Ist die Südstadt die neue Zülpicher? Leute aus Gastronomie und Anwohner aus der Südstadt erzählen

Steffi Böing (38) und Anna Rödinger (30) arbeiten in der Südstadt.

Steffi Böing, Südstadt: „Wir waren selbst nicht unterwegs, aber haben gesehen, wie Leute gegen unser Bürogebäude gepinkelt haben, vor allem sehr junges Publikum. Heute morgen hätte ich mir den Müll aber schlimmer vorgestellt.“

Anna Rödinger, Südstadt: „Ich war gestern Abend noch kurz im Rewe am Bonner Wall - das war krass. Es standen mehrere Security-Leute am Eingang, und die Leute sind trotzdem rein und haben dort ihren Müll verteilt und Glasflaschen abgestellt.“

Ist die Südstadt die neue Zülpicher? Leute aus Gastronomie und Anwohner aus der Südstadt erzählen

Konrad Siegel (70) ist Wirt in der UbierSchänke

Konrad Siegel, Wirt in der Ubierschänke: „Das Publikum ist etwas jünger gewesen als beim normalen Karneval, aber alles unproblematisch. Es gibt keinen Ärger, die Leute halten sich mit dem Trinken eher was zurück. Man weiß ja aber auch nicht, was die sich vorher schon am Kiosk geholt haben, wenn ich die Mengen an Glas, die hier rumliegen so sehe. Das ist ja alles nicht von uns.“

Das Bild zeigt Hasan Bicici, Kioskbetreiber im Zülpicher Viertel.

Hasan Bicici ist Kioskbetreiber im Zülpicher Viertel.

Hasan Bicici, Kioskbetreiber im Zülpicher Viertel: „Der Tag verlief gut und ohne Probleme. Aber er war anstrengend, weil wir wegen des Glasverbots unsere Kühlschränke einmal komplett umräumen mussten. Die Flaschen kamen weg, dafür war alles mit Dosen vollgestellt. Für den normalen Verkauf müssen wir jetzt wieder alles umtauschen. Ich finde das Glasverbot gut, aber ich verstehe die Logik der Stadt nicht: Bei uns, wo es ruhig war, gab es das Verbot, aber am Barbarossaplatz, wo alle Menschen aufeinandertreffen, kein Glasverbot.“

Das Bild zeigt Michael Neumann, Vorsitzender „Bürgergemeinschaft Rathenauplatz“.

Michael Neumann ist Vorsitzender „Bürgergemeinschaft Rathenauplatz“.

Michael Neumann, Vorsitzender der „Bürgergemeinschaft Rathenauplatz“: „Der Andrang in diesem Jahr war deutlich geringer; insgesamt war es akzeptabel. Insbesondere die Absperrungen an den Uniwiesen sind die richtige Maßnahme, um den Ansturm zu regulieren. Auch das Glasverbot ist sinnvoll. Außerdem wurde auf den Uniwiesen dieses Jahr keine Musik gespielt. Man merkt: Wenn das Angebot im Zülpicher Viertel geringer wird, kommen auch weniger Leute dorthin. Nur vor den Frauentoiletten hat es sich gestaut, von ihnen bräuchte es mehr.“