Wasser in KölnDie junge Frau und die Fische

Lesezeit 8 Minuten
Babs Kijewski im Fühlinger See: Weil sie nur 1,58 Meter groß ist, steigt sie ein paar Meter weit ins Wasser, um die Längen-Nachteile beim Auswerfen des Köders wettzumachen.

Babs Kijewski im Fühlinger See: Weil sie nur 1,58 Meter groß ist, steigt sie ein paar Meter weit ins Wasser, um die Längen-Nachteile beim Auswerfen des Köders wettzumachen.

Es ist kurz vor zwölf Uhr mittags, als der Hecht zuschlägt. Eben noch hat Babs Kijewski gequengelt wie ein Kind vor dem Süßigkeitenregal, denn nichts wollte beißen, und die Zeit lief ihr davon. Um die Mittagszeit legen Fische eine Fresspause ein, sie werden träge, das Angeln ergibt dann keinen Sinn mehr. Ein Biss in letzter Sekunde also. Einer, der Babs Kijewskis Vormittag rettet.

Eigentlich geht sie mit Misserfolg am Wasser gelassen um. Nicht jeder Angeltag sei ein Fangtag, sagt sie. Ein guter Durchhaltesatz, den sie allerdings fast nie hervorholen muss. Denn Barbara „Babs“ Kijewski, Wahl-Kölnerin und die wahrscheinlich populärste Profi-Anglerin der Welt, fängt außerordentlich viele Fische.

Der Hecht, den sie an diesem Vormittag aus dem Fühlinger See zieht, ist etwa 65 Zentimeter lang; perfektes Design aus dem Baukasten der Natur. Schnell ein Foto, noch ein Kuss zum Abschied, dann setzt sie den Hecht vorsichtig zurück ins Wasser.

Alles zum Thema Fühlinger See

Überall in Köln gibt es Wasser: In den Parks finden sich Teiche, an deren Ufern die Bürger abseits von Lärm und Hast entspannen. Hinzu kommen zahlreiche Kiesgruben; manche längst verlassen, einige sogar renaturiert und zu Badeseen oder Naturschutzgebieten umgewidmet. Nicht zu vergessen die Schwimmbäder – und durch die Mitte der Stadt fließt der Rhein. Doch was tun mit all dem Wasser?

Der„Kölner Stadt-Anzeiger“ widmet Aktivitätenam und im Kölner Wassereine Themenwoche. Wir gehentauchen, segeln, paddeln, lassenModellboote schwimmen, absolvieren einenSchwimmkurs für Erwachsene underforschen ein Naturschutzgebiet amWasser. Zum Auftakt der Reihewaren wir mit der inKöln lebenden Weltklasse-Anglerin Barbara„Babs“ Kijewski auf Fischwaid –mit Erfolg. Dem Schwimmenaußerhalb ausgewiesener Bäder widmenwir dagegen keinen Serienteil,bei aller Romantik, die einSommertag an der Kiesgrubeverspricht. Denn für die meistenSeen auf Kölner Stadtgebietgilt: Reinspringen verboten. Hinsichtlichder Gewässer in Parkflächen giltdie Grünflächenordnung, und diebesagt: „Das Baden in Gewässernder öffentlichen Grünflächen istnur an hierfür ausgewiesenenBadestellen gestattet.“ Ein Badim Decksteiner Weiher etwa istangesichts lausiger Wasserqualität undder Gesundheitsgefahr durch Blaualgenohnehin nicht zu empfehlen.

An den meisten Seen sindVerbotsschilder aufgestellt, zusätzlich sindviele Kiesgruben eingezäunt. Docheine fehlende Absperrungbedeutet keine Einladung zumSchwimmen. Im Gegenteil. „Wirwarnen davor, weil es totalgefährlich ist“, sagt JoachimBauer vom Kölner Grünflächenamt.Kiesgruben sind in der Regelsteil ausgebaggert, ihre Uferfallen senkrecht in die Tiefe.Da der Kölner Grundwasserspiegelvergleichsweise tief liegt, sindKiesgruben oft von hohenSteilwänden umgeben, die abrutschenkönnen. Dennoch lohnt ein Besuch vielerKölner Gewässer. Der HöhenfelderSee zum Beispiel bietetgroßartige Möglichkeiten für Spaziergänger.Die Kiesgruben von Meschenichsind ein Naturschutzgebiet, andem es wie auch AmGinsterpfad in Weidenpesch Aussichtspunktegibt. Dort kann man innerhalbder Stadtgrenzen einefantastische Tier- und Pflanzenwelterleben – nur eine Aktivitätan den Wasserflächen Kölns.(chl)

Als der Fisch verschwunden ist, kiekst sie vor Glück. So ein schöner Fisch. So ein schöner Tag. Was für ein Leben! Babs Kijewski wirkt wie verliebt. Man könnte sagen, dass der Kuss ein Erkennungszeichen der Marke Babs Kijewski ist. Doch sie ist nicht zur Berühmtheit geworden, weil sie Fische küsst. Babs Kijewski unterscheidet sich in vielen Dingen von anderen erfolgreichen Anglern – und erst recht vom Klischee des älteren Herrn, der gerade in seinem Angelstühlchen eingedöst ist.

Mehr als 18 000 Fans haben ihre Facebook-Seite abonniert, auch das Bild des Hechts aus dem Fühlinger See steht rasch online. Innerhalb einer Stunde kommentieren Hunderte. Einer schreibt: „Wow, schöner 80er!“. Dabei ist der Fisch deutlich kleiner als 80 Zentimeter. Babs Kijewskis Fische werden oft überschätzt, denn sie ist nur 1,58 Meter groß, „und eine Plauze habe ich ja auch nicht“, sagt sie und lacht laut. „Wunderschön – und der Hecht schaut auch gut aus“, schreibt ein Fan auf ihrer Internetseite.

Babs Kijewski ist schön anzusehen beim Angeln. Sie sieht nicht aus wie ein Laufstegmodell und erst recht nicht wie ein Pin-up.Ihre Erscheinung ist stimmig. Es gibt im Internet einen absurden Akt-Kalender mit Fotomodellen zu kaufen, die sich Fische an den Leib drücken und lasziv aus der Unterwäsche schauen. Babs Kijewski trägt Jeans und grüne Gummistiefel. Doch in ihrer Branche ist sie konkurrenzlos attraktiv.

Im Bezirk Köln sind rund 3000 Anglerinnen und Angler in 33 Vereinen organisiert. Ein Angler muss eine amtliche Fischerprüfung bestehen, um einen Fischereischein beantragen zu können. Der Prüfling muss mindestens 13 Jahre alt sein. Nach Vollendung des 14. Lebensjahres kann ihm dann ein Fischereischein ausgestellt werden. Im Alter zwischen zehn und 16 Jahren ist die Ausstellung eines Jugendfischereischeines ohne Prüfung möglich, mit dem darf man allerdings nur angeln, wenn ein Fischereischein-Inhaber dabei ist. Die Prüfung besteht aus einem theoretischen Teil mit 60 Fragen. Im praktischen Teil muss der Prüfling eine Auswahl heimischer Fischarten erkennen sowie ein Angelgerät waidgerecht zusammenbauen.

Vorbereitungskurse sind nicht zwingend, aber hilfreich. Der Rheinische Fischereiverband bietet unterschiedliche Lehrgänge an, die etwa 30 Unterrichtsstunden umfassen, meist verteilt auf zehn Wochen. Es gibt auch Intensivkurse. Die Prüfungen vor der unteren Fischereibehörde sowie die Lehrgänge finden in der Regel zweimal jährlich statt. (ksta) www.rheinischer-fischereiverband.de

Neulich am Ebro hat sie ihre persönliche Bestleistung aufgestellt. Der Wels, den sie in Spanien fing, war 2,32 Meter lang. Es gibt ein Video auf ihrer Internetseite vom Kampf mit dem Fisch: Sie kämpft wie beim Tauziehen, ihre Muskeln treten hervor. In einem auf den Malediven gedrehten Clip ist zu sehen, wie sie einen Giant Trevally fängt, eine Monstermakrele – und dabei Bikini trägt.

Vor 16 Jahren begann Babs Kijewski, die seit ihrem 21. Geburtstag ein Geheimnis aus ihrem Alter macht, regelmäßig mit ihrem damaligen Freund zum Angeln zu gehen. Klassisches Ansitzangeln war das: Man spießt einen Köder auf einen Haken, wirft das System ins Wasser und wartet. Solches Angeln bietet ein fabelhaftes Naturerlebnis. Doch die Beziehung zum angelnden Freund ging vorüber, und weil sie nicht allein angeln wollte, verkaufte sie ihre gesamte Ausrüstung. Doch schon bald fehlte ihr das Hobby.

Sie wechselte die Disziplin und widmete sich dem Raubfischfang. Man bindet eine Fischattrappe an die Angel, wirft aus und holt Schnur ein in der Hoffnung, den Köder attraktiv genug zu führen, dass ein Raubfisch seinem Instinkt folgt und zuschnappt. Diese Abfolge aus Werfen und Einholen nennt Babs Kijewski „aktives Angeln“. Raubfischangeln, auch Spinnfischen genannt, macht süchtig. Denn der nächste Wurf kann immer den Biss bringen.

Spinnfischen bedeutet Bewegung in der Natur, außerdem muss sich der Raubfischangler nicht mit Maden, Würmern oder sonstigen Lebendködern befassen und kann stattdessen an der Materialschlacht teilnehmen, die in der Branche tobt. Allein die Wahl des Köders stellt Angler vor ständige Entscheidungen. Besonders, wenn auch nach hundert Würfen noch kein Biss erfolgt ist. Dann beginnt man zu wechseln, die Möglichkeiten sind grenzenlos. Auf den Rapala-Wobbler Skitter Prop mit Stahlpropeller, der laut Herstellerangabe mit „Wasserverwirbelungen, Luftblasen, Lichteffekten und Geräuschen lockt“. Oder auf den Gummifisch „Iron Claw Wild Cat“, dessen „fantastische Aktion“ angeblich dadurch begünstigt wird, dass „die Schaufel mit aufgesetzter Finne bereits bei langsamen bzw. moderaten Kurbelbewegungen Leben ins Gummi“ bringt.

„Hey, du bist doch Babs from Germany“

Der Köderkauf kann einen Angler an finanzielle Grenzen führen. Doch darüber muss sich Babs Kijewski keine Gedanken mehr machen. Früher arbeitete sie als Bauzeichnerin, heute ist sie Profi. Ihr Sponsor stellt die Ausrüstung und bezahlt dafür, dass sie sein Firmenlogo auf ihrer Kleidung trägt. Angler sind leicht für technischen Schnickschnack zu begeistern und jederzeit bereit, einen erfolglosen Tag mit der falschen Ausrüstung zu begründen.

Wer gerade ohne Biss vom Wasser zurückgekehrt ist und anschließend ein Video von Babs Kijewskis nächstem Spitzenfang sieht, wird versucht sein, das gleiche Material zu benutzen wie sie. Babs Kijewski tritt regelmäßig auf Messen auf, schreibt Kolumnen in Angelzeitungen, wird vermarktet. Mittlerweile hat sie sogar einen Manager. „Und wenn ich mal freihabe, gehe ich angeln“, sagt sie.

In den USA ist das Profitum im Angelsport viel weiter entwickelt als in Deutschland. Neulich war Babs Kijewski bei einem Turnier in den Staaten und traf dort auf ihr Idol: Kevin VanDam, kurz: KVD, der erfolgreichste Angler der Welt. Mehr als fünf Millionen Dollar hat er allein an Preisgeld verdient. Dazu kommen Zuwendungen seiner Sponsoren: KVD bekommt Geld für fast alles, was ein Angler tun kann: Dafür, dass er ein bestimmtes Boot benutzt, dass er mit einem bestimmten japanischen Geländewagen ans Wasser fährt, dass er eine bestimmte Sportsonnenbrille trägt und dafür, dass er abends ein bestimmtes Bier trinkt. KVD wusste zwar nicht, wer vor ihm stand. Doch viele Angel-Enthusiasten in den USA erkannten sie. „Hey, du bist doch Babs from Germany“, hörte sie regelmäßig.

So weit wie ihre amerikanischen Kollegen ist Babs Kijewski noch nicht. Viele Stars der Szene bringen Köder auf den Markt oder lassen welche auf den Markt bringen, von denen sie behaupten, dass sie sie selbst entworfen haben.

Babs Kijewski hat schon eine Idee für ein extrem fängiges Etwas, aber damit will sie sich Zeit lassen. Schließlich hat sie sich gerade erst in der Szene etabliert, da will sie ihren Ruf nicht aufs Spiel setzen, indem sie ein Plastikding herausbringt, das nicht funktioniert. Babs Kijewski will nicht enden wie Anna Kurnikowa, die schöne Russin, die einmal die achtbeste Tennisspielerin der Welt war, aber zu gut aussah, um wirklich ernst genommen zu werden.

Sie träumt von einer eigenen Angelsendung im Fernsehen. Das Konzept steht, es gäbe sogar schon einen Sendeplatz. Noch hat kein Sponsor angebissen. Doch das macht nichts. Vielleicht mag nicht jeder Angeltag auch ein Fangtag sein, aber Babs Kijewski ist geduldig. Daher muss sie nicht lange grübeln, bevor sie die Frage beantwortet, was nun entscheide über Erfolg und Misserfolg am Wasser: „Ein guter Angler“, sagt Babs Kijewski dann, „ein guter Angler, der gibt nicht auf“.

KStA abonnieren