Demos gegen Corona-MaßnahmenWie rechts sind die Kölner Montagsspaziergänge?

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Corona-Demo Köln Grönert

Demonstrantinnen und Demonstranten protestieren gegen die Corona-Maßnahmen am Kölner Dom. (Archivbild)

Köln – Ein Montagabend auf dem Roncalliplatz Ende Januar, 18 Uhr. Ein Menschenmeer versammelt sich vor dem Kölner Dom, es ist verhältnismäßig ruhig, in Kleingruppen werden die wichtigen Dinge besprochen: die Politik, das Leben, die Anfahrt. Wenige Einzelne liefern sich Scharmützel mit dem Ordnungsamt, das hier noch die Maskenpflicht durchzusetzen versucht, bevor es später  – wie es heißt aus Verhältnismäßigkeit  – die Kontrollen einstellt. Gekommen sind Frauen, Männer, Junge, Alte, einige mit Fahrrädern, andere mit Kinderwagen oder Lichterketten. Wenn sie hier nicht alle zusammenstünden, würde wohl niemand glauben, dass sie zusammengehören.

Wer sind die „Spaziergänger“ eigentlich?

Als die Demo sich zum Rundgang durch die Innenstadt in Bewegung setzt, sind die ersten, noch recht zaghaften Sprechchöre zu hören. „Auf die Straße!“, „Wir sind das Volk!“ und „Stasi raus!“ wird gerufen, einige Teilnehmer tragen Kerzen in den Händen. Die Analogien zur Friedlichen Revolution 1989 in der DDR sind ganz offensichtlich gewollt: Widerstand gegen ein – vermeintliches – Regime, das den Mehrheitswillen des Volkes ignoriert. „Impfzwang“ und „Corona-Diktatur“ prangern die wenigen Schilder an, die mitgetragen werden.

„Montagsspaziergang“ nennen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren wöchentlichen Demozug. Doch wer sind die „Spaziergänger“ eigentlich? Nur „Schwurbler“, „Aluhüte“ und Rechtsextreme? Und worum geht es ihnen?

Montagsspaziergang

Die Montagsspaziergänge starten jede Woche auf dem Roncalliplatz

Aus Sicht der Polizei bereiten die „Montagsspaziergänge“ in Köln zunächst einmal keine großen Probleme, wie ein Sprecher betont. Gewalttätige Zwischenfälle etwa, wie man sie aus anderen Städten kenne, habe es hier bislang nicht gegeben. Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Köln handele es sich um eine „bunt gemischte Gruppe“, die sich bisher – abgesehen von massenhaften und wiederholten Verstößen gegen die Maskenpflicht – an alle Absprachen mit der Polizei gehalten habe, friedlich sei und sich auf den vereinbarten Routen bewege. Die Zahl der Teilnehmenden wächst seit Wochen, am vorigen Montag waren es laut Polizei mehr als 3000.

Verschwörungsideologen, Rechtsesoteriker, Linke und das bürgerliche Spektrum

Nach den Worten von Stefan Mitschke von der Abteilung Staatsschutz bei der Kölner Polizei sind unter den „Montagsspaziergängen“ Verschwörungsideologen, Rechts-Esoteriker, aber auch Linke. „Im Kern", sagt Mitschke, stammten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem „bürgerlichen Spektrum“. Einige seien möglicherweise von Existenznöten getrieben, alle eint ihr offenkundiger Unmut über „den Staat“.

Häufige Anmelderin und eine der Haupt-Organisatorinnen der wöchentlichen Abendspaziergänge ist eine Frau, die schon seit knapp zwei Jahren in Köln Demos und Versammlungen gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen initiiert. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), angegliedert beim NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln und gefördert vom NRW- und vom Bundesfamilienministerium, nennt die Frau eine „verschwörungsideologisch geprägte Daueraktivistin ohne Berührungsängste nach ganz rechts außen“.

Gegner der Corona-Leugner

Die Gegendemonstranten treffen sich auf dem Neumarkt.

Am 25. Dezember etwa mobilisierte sie mit ihrem Bündnis „Köln ist aktiv“ 350 Menschen nach Ehrenfeld. Darunter war nach Angaben der MBR auch ein „antisemitischer und extrem rechter“ Rapper, der auf der Veranstaltung aufgetreten sei und moderiert habe. Im Demozug seien auch die „Corona-Rebellen Düsseldorf“ mitgelaufen, die unter anderem beim versuchten „Sturm“ auf den Bundestag am 27. August 2020 involviert waren. Die Polizei hatte die Frau zwischenzeitlich als Anmelderin von Demonstrationen und Versammlungen abgelehnt, weil sie Polizeibeamte bei einer Kontrolle als „SS“ beschimpft und mehrfach gegen Hygieneauflagen verstoßen haben soll.

Die Telegram-Gruppe ihres Bündnisses „Köln ist aktiv“ hat mehr als 500 Mitglieder. In der Gruppe werden hauptsächlich Infos und Aufrufe zu Demos verbreitet, Fotos und Videos von Versammlungen geteilt, Häme über Gegendemonstranten und die Antifa ausgeschüttet oder auch mal ein Backrezept für einen Müsliriegel angepriesen – der „Widerstands-Müsli-Riegel“. Man findet aber auch Posts mit typischen Verschwörungsfloskeln, zum Beispiel: Impfstoffe enthalten „hochgiftiges systematisches Gift“ und verursachen schwerste Gesundheitsschäden. Oder: „Die Antifa ist zum erheblichen Teil bezahlt“, „Der Staatsapparat ist infiltriert und unter Kontrolle gebracht von pseudolinken Lobbyisten“ und der Durchschnittsbürger werde „als Vieh der Pharmaindustrie missbraucht“.

Demonstrierende scheuen Schulterschluss mit Rechten nicht

Nach Beobachtung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus handelt es sich bei den Montagsdemonstranten in Köln „keinesfalls ausschließlich um extrem rechte Personen“. Dennoch, so sagt Ronja Heukelbach vom MBR, „scheinen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kein Problem mit dem Schulterschluss mit rechten Akteurinnen und Akteuren zu haben“. Es beteiligten sich eben auch Anhänger und Anhängerinnen rechter Verschwörungserzählungen sowie Mitglieder der rechtspopulistischen bis neonazistischen Szene. 

Heukelbach: „Wir sehen nicht nur ein Problem darin, dass rechte Akteurinnen und Akteure unwidersprochen bei diesen Protesten mitlaufen, sondern dass sich bestimmte Positionen normalisieren und anschlussfähig werden – Stichwort Verschwörungserzählungen, Wissenschaftsfeindlichkeit, das Gerede einer vermeintlichen Corona-Diktatur oder die Verharmlosung des Holocaust.“ Auf den „Montagsspaziergängen“ würden antisemitische Narrative breit geteilt, „und ihnen wird kaum widersprochen“.

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Reporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben in den vergangenen Wochen AfD-Politiker unter den Teilnehmern gesehen sowie Mitglieder der Kölner Hooliganszene. Ein Mann zeigte vor laufenden Fernsehkameras den Hitlergruß – die Polizei ermittelt. Es sind Familien und Studenten dabei. Deutsche, Syrer, Türken, Griechen. Einige Teilnehmer trugen beim Spaziergang am 24. Januar die bunten Fahnen von „Kein Veedel für Rassismus“. Einer schwenkte eine Antifa-Fahne, als der Zug an den Gegendemonstranten am Neumarkt vorbeikam. Ehrliche Überzeugung? Taktik? Oder pure Provokation? Unklar.

Die Macher der „Kein Veedel für Rassismus“-Kampagne jedenfalls äußern sich „entsetzt“ und distanzieren sich klar von den „Montagsspaziergängern“. Mehr noch: Unter dem Motto „Gegen Schwurbelei, Verschwörungsmythen und Nazis“ rufen sie zur Teilnahme an der Gegendemo jeden Montag auf dem Neumarkt auf. Die Fahnenträger unter den „Spaziergängern“ bezeichnen sie als „verlängerten Arm“ der AfD: „Ihr, die ihr die Fahnen mit unserem Text auf diesen Demos tragt, unabhängig davon, ob ihr hinter der Aussage steht oder nicht, beschädigt die Kernaussage, nämlich Rechten keinen Raum zu geben.“

So diffus die Teilnehmerschaft ist, so klar scheint, dass ihr Protest vorerst nicht abebben wird. Auch für den kommenden Montag ist wieder ein so genannter Spaziergang durch die Kölner Innenstadt angemeldet.

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