Covid in Köln überlebtWolfgang Stier: „Ein Pfleger hat beim Wiedersehen geweint“

Wolfgang Stier
Copyright: Michael Bause
Köln – Als ich vor zwei Monaten zu einer Untersuchung in die Merheimer Klinik kam, waren die Ärzte überrascht, dass ich noch nicht geimpft war. Vier Gründe hätten aus ihrer Sicht dafür gesprochen, mich ein halbes Jahr nach überstandener Erkrankung zu impfen: Die Tatsache, dass ich ein schweres Lungenleiden hinter mir hatte, mein etwas zu hoher Bodymass-Index, geringer Bluthochdruck und auch mein Alter. Die Erfahrung habe gezeigt, dass auch die typischen Long-Covid-Symptome wie leichte Nervenstörungen, unter denen ich auch nach wie vor leide, mit einer Impfung gelindert werden könnten. Nach dem Gespräch bin ich mal wieder ins Grübeln gekommen, warum mir das nicht mal vorher erzählt wurde: Aber Hausärzte sind auch nur Menschen, die viel zu tun haben – und nicht jeder liest jede Corona-Studie.
Tränen auf beiden Seiten
Gerührt haben mich einige Begegnungen auf den Fluren des Krankenhauses in Merheim. Als ich im Wartebereich saß, kam ein Pfleger auf mich zu und hat mich mit Namen begrüßt. Ich habe ihn nicht erkannt, er mich aber sehr wohl. Er sagte, dass er mich lange betreut habe und er eine zeitlang nicht damit gerechnet hätte, dass ich es schaffe. Als er dann sagte, dass es ihn, sehr, sehr freue, mich so zu sehen, sind ihm die Tränen gekommen – und mir auch. „Vielleicht verdankst Du ihm dein Leben“, ist mir durch den Kopf geschossen. Wenig später kam ein Arzt, der sagte: „Mensch, Sie sehen aber gut aus, Herr Stier!“ Auch er war unglaublich herzlich und hat sich aufrichtig gefreut. Auch ihn hätte ich nicht wiedererkannt.
„Acht von zehn Menschen in meiner Lage starben“
Ich habe die vier Wochen auf der Intensivstation ja nicht bewusst erlebt, auch nach dem Aufwachen aus dem künstlichen Koma war ich wie in Trance.

Das Foto zeigt Wolfgang Stier kurz vor der Entlassung aus der Klinik.
Copyright: Stier
Bei dem Arzt und dem Pfleger habe ich erst jetzt gemerkt, wie nah ihnen die Krankengeschichten gegangen sein müssen – und wie froh sie sind, dass sie Menschen helfen konnten, weiterzuleben. Die haben mir Einzelheiten erzählt, wie sie meine Situation erlebt haben – und dass zeitweise acht von zehn Menschen, die wie ich an ein Ecmo-Gerät angeschlossen werden mussten, gestorben sind.
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Die Pflegerinnen und Ärzte haben damals eine Beziehung zu mir und den anderen schweren Covid-Patienten aufgebaut, die ich nicht aufbauen konnte. Sie haben sich wochenlang mehr um uns gekümmert als um ihre Familie. Als ich im Koma lag, haben die Ärzte und Pfleger mehrmals am Tag mit meiner Familie telefoniert. In der Zeit des Besuchsverbots war es die einzige Möglichkeit, um informiert zu bleiben über meinen Gesundheitszustand. Meiner Familie hat das enorm geholfen, die Hoffnung aufrecht zu erhalten und mit der Situation irgendwie zurecht zu kommen.
Große Dankbarkeit
Als wir uns dann sahen, ich ihnen die Haribo-Pakete, die ich immer mitbringe, in die Hand drückte, und sie erzählten, bin ich sehr dankbar geworden: noch zu leben, gut betreut worden zu sein, in einem Land mit einem guten Gesundheitssystem zu Hause zu sein. Ich war auch froh, dass sie von sich und ihrem Leben erzählt haben: Wie schwer es für ihre Familien war, dass sie ständig Überstunden gemacht haben und zu Hause für nichts mehr zu gebrauchen waren. Am liebsten hätte ich an diesem Vormittag alle Ärzte und Schwestern umarmt. Ich habe mich gefühlt, als würde ich nach Hause kommen.
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Copyright: Matthias Heinekamp/Nikolas Janitzki/Tobias Hahn
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Gesundheitlich geht es bei mir leicht bergauf: Den Fuß kann ich besser bewegen, wenn ich aber längere Strecken gehe, sammelt sich Wasser im Bein. Die Arme und Schultern sind beweglicher geworden – ob sie genauso beweglich sind wie vor der Covid-Erkrankung, weiß ich nicht, eher nicht ganz. Ich würde sagen, ich bin bei 90 Prozent – die letzten zehn Prozent werde ich hoffentlich bei einer zweiten Reha, die ich bald antreten werde, zurückgewinnen.
Arbeitgeber solidarisch
Geimpft bin ich inzwischen, nach dem Hinweis der Kölner Ärzte ging es relativ schnell. Nach der Reha hoffe ich, dass ich mit der Wiedereingliederung in die Arbeit beginnen kann. Meine Vorgesetzten sind weiterhin super solidarisch – ich hoffe, dass ich im September wieder loslegen kann, in der Süßwarenfabrik zu arbeiten. Die Ärzte und Pfleger aus Merheim werde ich so oder so weiterhin regelmäßig weiter mit Gummibärchen versorgen.