Corona-Protokolle„Wir Jungen kommen in der Debatte einfach nicht vor“

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CP-Brueninger (1)

Klimaaktivistin Pauline Brünger

  • „Die Krise macht etwas mit uns“ heißt es oft. Was das ist, erfahren wir am besten, wenn wir Menschen begleiten.
  • In der Serie „Kölner Corona-Protokolle“ erzählen ab sofort regelmäßig fünf Menschen, was die Pandemie mit ihnen macht.
  • In dieser Folge erzählt Klimaaktivistin und Studentin Pauline Brünger wie sie die hoffentlich letzte Phase der Pandemie erlebt.

Köln – Persönlich geht es mir mental jetzt besser: Es wird Sommer, es ist heller, die Pandemie-Lage scheint sich allmählich zu entspannen. Irgendwie merke ich erst jetzt, wie schwer das ganze letzte Jahr war und wie belastend, nach dem Abitur jetzt schon das zweite Semester alleine vor mich hinzu zu studieren, ohne zur Uni zu gehen. Gleichzeitig frage ich mich angesichts der ganzen Debatten etwa um die Impfungen, wie es sein kann, dass wir jungen Menschen jetzt wieder so wenig Gehör finden. Ich will da nicht falsch verstanden werden und auch keinen Generationenkonflikt befeuern: Irgendeine Gruppe muss ja auch als letztes drankommen. Aber das Wort Universitäten oder Studenten ist in der ganzen Debatte noch nicht einmal gefallen. Wir kommen einfach nicht vor.

Es gibt keinerlei Würdigung dafür, dass wir am längsten eingeschränkt und am längsten den Risiken ausgesetzt sein werden, und dass wir die ganze Zeit gerade gegenüber den Älteren wie selbstverständlich solidarisch waren. Wenn wir mal im Diskurs vorkommen, dann wird so getan, als ob es uns vor allem um das wieder Feiern geht. Wie viele Studierende, die seit drei Semestern in ihren Zimmern sitzen, inzwischen krasse psychische Probleme haben, das wird nicht thematisiert. Es gibt Mitstudierende, die sehr lange auf Therapieplätze warten müssen, weil alles ausgebucht ist.

Es geht sofort nur um Leistung

Ich halte die ganze vordergründig vorgetragene Sorge um die Verfassung der Jugend für unglaubwürdig. Man hat es doch bei den Schulen gesehen: Da wurde betont, wie wichtig die Schule für das seelische Wohlergehen der Schüler ist. Und dann werden die geöffnet und alle müssen sofort Klausuren schreiben. Das ist das wichtigste, es geht sofort wieder nur um Leistung, statt erst mal anzukommen. Wenn ich jetzt zum Beispiel die Schüler der EF (Jahrgangsstufe 10, Anm. d. Red.) sehe: Die kommen jetzt gerade erst wieder in die Schule und sind krass im Stress, weil jetzt in den paar Wochen vor den Ferien ganz viele Klausuren geschrieben werden müssen. Das tut mir richtig leid.

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Aus meiner Perspektive als Klimaaktivistin ist in den vergangenen Wochen einiges in Bewegung gekommen: Es gab nicht nur die eine große bundesweite Demo im März, sondern seither auch viele kleinere Demos. Es tut gut, aus der Ohnmacht rauszukommen und Präsenz zu zeigen. Und dann gab es ja noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das klar gemacht hat, dass der Staat die zukünftigen Generationen vor dem Klimawandel schützen muss. Das war für uns als Klimabewegung ein großer Moment. Gleichzeitig war aber auch krass zu sehen, dass die Bundesregierung es nach dem Urteil geschafft hat, innerhalb von nur 13 Tagen ein Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen – wo das wir als Protestbewegung genau das nun schon seit zwei Jahren einfordern. Nur leider passt das Gesetz, das die Große Koalition vorgelegt hat, mit der physikalischen Realität des Klimawandels nicht zusammen: Es reicht erwiesenermaßen nicht, um das im Pariser Abkommen festgeschriebene Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Mit den darin enthaltenen Maßnahmen ist das physikalisch unmöglich.

Regelmäßige Freitagsdemos

Der Wahlkampf wird spannend: Wollen die Leute jetzt erst mal ihre Ruhe haben und nicht gleich die nächste Krise in den Blick nehmen? Ich persönlich glaube dagegen, dass viele Leute verstanden haben, dass es gravierende Veränderungen geben wird: Die wird es sowieso geben und wir haben nur die Wahl, ob als Reaktion auf eine Katastrophe oder präventiv zur Verhinderung derselben. Wir als Fridays for Future werden den Wahlkampf mit großen Protesten begleiten. Jede Partei will derzeit Klimapartei sein, aber egal in welcher Konstellation: Maßstab muss das 1,5 Grad-Ziel sein. Außerdem dürfen Klimaschutz- und Sozialpolitik nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen sich ergänzen. Wir werden vor den Wahlen große Streiks veranstalten und auch mit den Freitagsdemos wieder regelmäßiger Präsenz zeigen. Mindestens genauso wichtig wie der Wahlkampf wird es aber sein, dass wir von Fridays for Future die Koalitionshandlungen mit großer Präsenz auf der Straße begleiten. Diese Regierung ist die letzte der Geschichte, die es noch schaffen kann, das 1,5 Grad-Ziel noch umsetzen kann.

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