Kölner Veranstalter„Gesamte Branche fährt durch die Totalschließung gegen die Wand“

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2019 fand die Saisoneröffnung am Tanzbrunnen noch ganz normal statt. (Archivbild)

  • Noch bis zum 19. April sind in Köln Veranstaltungen jeglicher Art verboten, um das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus zu minimieren.
  • Konzerte müssen abgesagt oder verschoben werden, ebenso wie Firmenfeiern und Sportevents. Die Veranstalter haben keine Einnahmen mehr – dafür aber hohe Fixkosten.
  • „Aktuell fährt eine gesamte Branche durch die Totalschließung vollkommen gegen die Wand“, sagt Arena-Chef Stefan Löcher. Hier erfahren Sie mehr.

Köln – „Das in dieser Woche anstehende Brings-Konzert im Autokino ist ein gutes Zeichen zur richtigen Zeit“, sagt Stefan Löcher, Geschäftsführer der Lanxess-Arena. In Europas größter Mehrzweckhalle geht seit gut einem Monat gar nichts mehr: keine Konzerte, keine Sportevents, keine Firmenveranstaltungen. „Aktuell fährt eine gesamte Branche durch die Totalschließung vollkommen gegen die Wand“, sagt Löcher. „Je nachdem, wie lange es geht, ist es fraglich, ob es diese Branche noch geben wird.“

Von E-Werk bis zum Gloria, vom Tanzbrunnen bis zur Volksbühne am Rudolfplatz, alle Kölner Veranstaltungsorte sind betroffen, aber die Arena mit ihren rund 30 Millionen Euro Fixkosten im Jahr trifft es wohl mit am härtesten. „Schon jetzt steht leider fest, dass unsere Verluste am Jahresende einige Millionen betragen werden“, heißt es.

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Lanxess-Arena-Chef Stefan Löcher

„Es ist momentan kein großer Spaß, sich wieder wie vor 10 Jahren Gedanken zu Liquidität zu machen. Wir haben keinerlei Einnahmen mehr“, sagt Löcher. „Ich habe mit 450 Mitarbeitern Gespräche geführt wegen Kurzarbeit und die entsprechenden Anträge gestellt. Und die vielen Aushilfskräfte, die in guten Zeiten im Kölsch-, Bratwurst -, oder Popcorn-Verkauf gearbeitet haben, stehen jetzt auch ohne Jobs da.“

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Festangestellte sind in Kurzarbeit, Aushilfen wurden freigestellt

Ähnliche Situation am Tanzbrunnen oder in der Volksbühne: alle Festangestellten sind in Kurzarbeit oder bauen Überstunden und Urlaub ab, die Aushilfen sind freigestellt. Derzeit herrsche eine völlige Unplanbarkeit. Konzerte und andere Veranstaltungen werden abgesagt oder verlegt. Dabei wisse man teilweise gar nicht, ob sie überhaupt verlegt werden müssten oder ob sie am neu anvisierten Termin überhaupt stattfinden dürfen. In der Volksbühne sind zwischen dem 12. März und dem 26. April 62 Veranstaltungen abgesagt.

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Axel Molinski, Geschäftsführer der Volksbühne am Rudolfplatz

„Die waren zum Großteil ausverkauft oder gut besucht. Wir hatten mit 22.000 Zuschauern gerechnet“, sagt Geschäftsführer und Programm-Macher Axel Molinski. In der Arena sind derzeit 23 Großveranstaltungen betroffen. Das reicht von AnnenMayKantereit, James Blunt und Santana, bis Nick Cave und Queen sowie die Endspiele der Handball-Champions League oder die Spiele der Basketball-Europameisterschaft. Andere Künstler wie Capital Bra (28. April) oder Howard Carpendale (3. Mai) warten derzeit noch ab, da das Veranstaltungsverbot zur Zeit nur bis zum 19. April gilt.

Saisoneröffnung am Tanzbrunnen in Köln abgesagt

Bis dahin hätte der Open-Air-Betrieb am Tanzbrunnen – dort fallen 30 Termine im Theater aus – noch gar nicht angefangen. Allerdings hat man jetzt schon die Saisoneröffnung am 9. Mai mit Tommy Engel und seiner Band abgesagt. Das Konzert soll im Spätsommer nachgeholt werden. „Ein Eröffnungsfest mit Feuerwerk kann man nicht nachholen“, weiß Köln-Kongress-Chef Bernhard Conin. Der gibt sich noch recht optimistisch.

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Köln-Kongress-Chef Bernhard Conin

„Wir sind ja zumeist nur Vermieter und nicht Veranstalter. Die Absagen sind mit drei Konzerten, dem zweitägigen Reggaeton-Festival und einem Fischmarkt, zu denen insgesamt rund 50.000 Besucher gekommen wären, noch überschaubar. Allerdings ist seit dem 10. März keine Karte mehr verkauft worden. Wie es mit den Open-Air-Veranstaltungen weitergeht, darunter auch das Amphi-Festival und die Kölner Lichter, wird sich wohl erst nach den Osterferien zeigen.“

Rückzahlung könnte sich durch Gutschein-Regelung erübrigen

Zu den bereits abgesagten Events hätte die Arena bis zu 300.000 Besucher und mehr erwartet. Da die Karten jedoch auch für die Nachholtermine gültig bleiben, musste bislang noch nicht all zu viel Geld an die Fans zurückerstattet werden. Rückzahlungen könnten sich erübrigen, sollte die von der Bundesregierung vorige Woche beschlossene Gutschein-Regelung in ein Gesetz einfließen. Demnach müssten befristet bis Ende 2021 diejenigen Tickets, die vor dem 8. März gekauft wurden, jetzt nicht erstattet werden. Dem Käufer könnte stattdessen ein Gutschein für eine „gleichwertige Veranstaltung“ angeboten werden. Erst wenn der Kunde seinen Gutschein bis Ende 2021 nicht einlöst, müsste der Veranstalter ihm den Wert auszahlen.

„Solch ein Trend hatte sich in den vergangenen Wochen schon gezeigt“, hat Arena-Sprecher Tomasz Grenke beobachtet. „Die Fans wollten trotz der unsicheren Zeiten nicht prophylaktisch ihre Tickets zurückgeben, sondern auf die Bekanntgabe des neuen Termins warten.“ Massenhafte Rückzahlungen wären auch schwierig, da die Einnahmen aus dem Vorverkauf zum Teil schon für Künstler, Logistik und sonstige Kosten ausgegeben wurden und nicht mehr bei dem Veranstalter auf dem Konto sind. Da seien die Gutscheine schon eine Hilfe, heißt es.

Komplizierte Verschiebungen und Umbuchungen von Konzerten

Doch vor allem die Verschiebungen und Umbuchungen von Konzerten gestalten sich kompliziert. Damit nach der Krise gleich wieder Fahrt aufgenommen werden kann, werden so viele Veranstaltungen wie möglich in die zweite Jahreshälfte verschoben. Die ist aber am Tanzbrunnen begrenzt, denn die Open-Air-Saison läuft nur bis Ende September. Conin: „Bis dahin sind nur wenige Tage noch frei.“ Das sieht der Arena-Chef ähnlich. „Die Schwierigkeit liegt aber darin, dass jeden Tag nur eine Veranstaltung stattfinden kann“, sagt Löcher. „Aktuell haben wir aber Tage im Kalender, auf denen gegenwärtig bis zu vier Optionen liegen.“

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Das ist in den anderen Hallen und Sälen teils genau so. „Auf der einen Seite ist die Verunsicherung der Künstler und Veranstalter natürlich groß, auf der anderen Seite ist unser Terminkalender in den kommenden 15 Monaten bis auf wenige Einzeltermine gefüllt“, so Volksbühnen-Geschäftsführer Molinski. „Insgesamt ist aus dem Verschiebebahnhof ein Rangierbahnhof geworden. Aber die Bereitschaft, eine gemeinsame Lösung zu finden, ist sehr groß.“ Aufgrund dieser Terminnot arbeite man momentan an zwei Szenarien: An der Verlegung von Einzelveranstaltungen in andere Spielstätten oder dem Aufbau und der Bespielung einer zweiten Spielstätte – eventuell auch ein Zelt – mit einer Kapazität von 400 Zuschauern für den Zeitraum von Oktober 2020 bis März 2021.

Modernisierungen und Umbauarbeiten in Veranstaltungsorten

Als weiteres Problem kommt hinzu, dass schon viele Termin im Herbst und Winter 2020 sowie im Frühjahr 2021 für das reguläre Geschäft reserviert sind. Daher müssen viele Veranstaltungen vom eigentlich geplanten Wochenendtermin auf einen Wochentag rutschen, was mit erheblichen Umsatzeinbußen verbunden sei. „Bei Top-Künstlern und Bands hängen ja oft ganze Europa- oder Welttourneen dran, die mit einer wesentlich größeren Logistik verbunden ist als bei einer einzelnen Show. Manche Touren sind mit mehr als hundert Trucks unterwegs“, erläuterte Löcher. „Selbst wenn wir in Deutschland irgendwann durch das tiefe Corona-Tal durch sind, muss das ja nicht zum gleichen Zeitpunkt für alle anderen Länder gelten.“

Um nach der Krise und bei möglichen Lockerungen schnell wieder loslegen zu können, wird im Hintergrund gearbeitet. „Das Veranstaltungsgeschäft ist wohl eines der letzten, das wieder startet“, glaubt Conin. Aber: „Es gibt immer etwas zu tun“, heißt es. Überall werden die für die Sommermonate geplanten Wartungsarbeiten vorgezogen. In der Volksbühne wird die Technik modernisiert, am Tanzbrunnen wird an den Rheinterrassen ein Aufzug eingebaut und in der Arena werden Umbauarbeiten in den Logen intensiviert und neue Stühle in den Rängen installiert. Inzwischen wurde zudem der Internet-Auftritt der Arena neu gestaltet, ein Instagram-Auftritt und ein neues Newsletter-System angelegt. Auch der Online-Shop soll ein neues Gesicht erhalten.

Es regiert das Prinzip Hoffnung. Conin setzt auf eine einheitliche bundesweite Regelung, in der Volksbühne hat man Konzepte für drei Termine in der Schublade (ab 1. Mai, ab 1. Juni oder spätestes ab 1. Juli) und Löcher hofft, den Arena-Betrieb im Mai oder Juni wieder hochfahren zu können. „Wir sind Leidtragende einer behördlich angeordneten Betriebsschließung. Bis auf die Möglichkeit der Kurzarbeit sehen wir aktuell jedoch keine politische Fördermaßnahme, die unsere prekäre Situation abfedern würde. Wir sind angewiesen auf Zuschüsse, um die Verluste ausgleichen zu können. Daher können wir nur hoffen, dass die Politik in Berlin, Düsseldorf und Köln das Eventgeschäft nicht gänzlich außer Acht lässt.“

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