Boris Becker, der gefallene Tennis-Held der Nation, der er nie sein wollte, ist zurück. In Köln gibt er sich reuevoll und kämpferisch.
Boris Becker in Köln„Es ist nicht gesund, so früh erfolgreich zu sein“

Boris Becker bei der lit.Cologne Spezial 2025 im Tanzbrunnen. Das Publikum feiert den zurückgekehrten, möglicherweise gar bekehrten, Helden.
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Er badet wieder in Applaus. Als Boris Becker am Dienstagabend auf die Bühne des Kölner Tanzbrunnens tritt, bereitet ihm das Publikum dieser lit.Cologne-Spezial-Ausgabe einen warmen Empfang. „Willkommen Zuhause, Herr Becker“, sollen die beiden Polizisten zu ihm gesagt haben, die ihn nach sieben Monaten Haft in England am Stuttgarter Flughafen als freien Mann in Deutschland begrüßten, abgeschoben in die Heimat – mit dem Privatjet. Ja, Deutschland sei sein Zuhause, sagt er an diesem Abend, vollends überzeugt davon klingt er allerdings nicht.
Das Verhältnis ist in der Tat kompliziert. Erst vergöttert, dann verspottet. Für die einen ist er noch immer ein Held, Tennis-Ikone, Sportlegende. Die anderen, die den 7. Juli 1985 und die außergewöhnliche Karriere des jüngsten Wimbledon-Siegers der Geschichte nicht miterlebt haben, kennen ihn nur noch als Mythos, als den gefallenen Star, zu dem er in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in der medialen Öffentlichkeit erklärt wurde.
Der Star, der nie einer sein wollte
Dabei wollte er selbst eigentlich nie ein Star sein, betont er im Gespräch mit Moderator Riccardo Basile immer wieder: „Ich habe meinen Sport gemacht, weil ich ihn geliebt habe. Ich wollte nicht berühmt sein, sondern ich wollte der Beste sein. Das hat man mir aber nicht gesagt, dass das eine mit dem anderen kommt.“ Etwas naiv mag das schon klingen, aber von einem 17-Jährigen, vielleicht sogar von niemandem, kann man erwarten, auf das vorbereitet zu sein, was einen als erkorener Tennisheld der Nation erwartet. „Hätte ich vorher gewusst, dass der Preis so hoch ist, hätte ich Wimbledon wahrscheinlich nicht gewonnen. Das ist nicht gesund, so früh erfolgreich zu sein“, sagt Becker heute. Und er geht sogar noch einen Schritt weiter. Hätte er Wimbledon nicht mit 17 gewonnen, wäre ihm das Gefängnis erspart geblieben, davon sei er überzeugt.
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„Irgendwann muss man den Preis für schlechte Entscheidungen bezahlen.“
Die Haft, die Becker nach seinem Insolvenzverfahren absitzen musste, ist dann auch das bestimmende Thema des Abends, um Tennis geht es nur am Rande. Becker zeigt sich als vom Gefängnis geläuterter Mann, gibt zu, Fehler gemacht zu haben, sieht sich selbst in der Verantwortung. 2018 sei vielleicht das schlimmste Jahr seines Lebens gewesen, sagt er gleich zu Beginn. Seine zweite Ehe ging gerade in die Brüche, in London lief bereits das Gerichtsverfahren gegen ihn. Vier Jahre später dann das Urteil und der Haftantritt. „Irgendwann muss man den Preis bezahlen für schlechte Entscheidungen“, kommentiert es Becker heute bescheiden und beteuert sogleich, das alles sei ja keine vorsätzliche Straftat gewesen.
Das härteste Match seines Lebens?
Von seiner Zeit im Gefängnis spricht Becker ein wenig wie vom härtesten Match seines Lebens, in dem die Zeit zu seinem größten Gegner wurde, erklärt, mit wem er sich verbündete, wo die Gefahren lauerten, welche Taktiken er entwickelte, um die Tage kürzer werden zu lassen. Er sagt Sätze wie „Irgendwann lebst du nur noch in deinem Kopf“, oder „Du wirst da drin wahnsinnig“. Doch jetzt, so der Subtext, sind diese Zeiten vorbei, der alte Boris ist zurück, und es gehe ihm so gut, wie lange nicht mehr. Warum also geht auch dieser neue alte Boris wieder in die Öffentlichkeit, samt eines detailreichen Buches – Titel „Boris Becker: Inside. Gewinnen, Verlieren, Neu Beginnen“ – über seine wohl unrühmlichste Zeit?
Sicher spielt Geld eine Rolle, doch jenseits cleverer Marketingstrategie ist da ein Mann, der verstanden werden will, der darum kämpft, seine Geschichte endlich selbst erzählen zu können. Köln verabschiedet diesen Mann mit Standing Ovations, vielleicht ist es am Ende doch ein bisschen Heimkommen.