1,2 Millionen Besucher beim CSD-UmzugParade so groß und jung wie noch nie

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Cologne Pride 2019 in bunten Farben: Hunderttausende Gäste sind zur CSD-Parade nach Köln gekommen.

Köln – „Ich habe eine Ehe hinter mir und mich erst vor zehn Jahren geoutet“, sagt Josef und schüttelt den Kopf. „Wahnsinn, da braucht man so lange, um sich frei zu fühlen.“ Dass der 72-Jährige heute wie selbstverständlich bei den „Golden Gays“, einer Gruppe älterer Schwuler, bei der CSD-Parade mitmarschiert – er scheint es selbst kaum fassen zu können. An die Aufstände in der New Yorker Christopher Street vor 50 Jahren hat er keinerlei Erinnerungen. „So etwas gab es hier damals nicht.“ Was sollen die Leute denken, das sei die alles beherrschende Devise gewesen, mit der er aufgewachsen sei.

„Der Regenbogen ist an diesem Wochenende über Köln aufgespannt, als ein Zeichen für unsere Offenheit, egal, wen man liebt, woher man kommt und wie man aussieht“, so hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker zur Eröffnung der Parade gerufen, die in diesem Jahr unter dem Motto „50 Years of Pride – Viele. Gemeinsam. Stark!“ stand – in Erinnerung an die erste Rebellion von Schwulen, Lesben und Transsexuellen nach einer Polizeirazzia in der Bar „Stonewall Inn“ in Manhattan.

Mehr junge Menschen dabei denn je

Trotz des Blicks zurück zu den Anfängen der Bewegung: Gerade zum 50. Jubiläum zeigt sich der CSD so jung wie noch nie. So viele Jugendliche, sowohl als Teilnehmer wie auch als Zuschauer rechts und links am Straßenrand, hat die Parade wohl noch nie angezogen. Sei es, weil sie durch Fridays for Future, Rezo und Co politisch selbstbewusst sind wie schon lange nicht mehr. Sei es, weil es eben mittlerweile für viele selbstverständlich geworden ist, schwul, lesbisch oder einer anderen geschlechtlichen Orientierung jenseits zugehörig zu sein.

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„Viele junge Leute zeigen das jetzt offen, weil man es kann und weil es sogar akzeptiert wird, zumindest in Köln“, sagt Daniel. Der 16-Jährige hat im vorigen Winter an der Gesamtschule Holweide den Rainbow Club gegründet, der nun erstmals zu den rund 140 Gruppen gehört, die in der Parade mitlaufen.

Beim CSD dabei zu sein, das gehört in Köln inzwischen zum guten Ton. Die Universität, die Kliniken Köln und die Sparkasse sind dabei, der 1. FC Köln und die Pfadfinder, große Firmen wie Rewe, Ford und Ikea, die Bezirksschülervertretung und Lehrergewerkschaften. Auch die Stadt Köln stellt mit ihrem „Buntwerk“ erstmals eine Fußgruppe und einen eigenen Wagen, auf dem natürlich auch die OB mitfährt. „Das ist ein historischer Moment“, sagt eine Mitarbeiterin. Die Stadt hatte in diesem Jahr auch erstmals zwei Rheinbrücken mit Regenbogenfahnen beflaggt – und will das auch im kommenden Jahr tun. Auf Google Maps wurde die Strecke des Zugs passend zum CSD in Regenbogenfarben angezeigt.

„Zusammenstehen gegen all die Braunen“

Bei allen Fortschritten der zurückliegenden Jahre, es bleibt noch viel zu tun, wie der KLUST, der Kölner Lesben- und Schwulentag, als Veranstalter des Colognepride betont. Der CSD ist nicht nur Party, er ist auch politische Demonstration. „Wir wollen gleiche Rechte und nicht nur ein bisschen gleiche Rechte“, sagt auch Claudia Roth (Grüne), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, und fordert vor allem eine Gleichstellung für Transsexuelle. Dafür bekommt sie spontanen Applaus. Und Joachim Stamp (FDP), stellvertretender Ministerpräsident von NRW, fordert ein „Zusammenstehen gegen all die Braunen, die uns unsere offene Gesellschaft kaputt machen wollen“.

Unter all die aufgedonnerten Dragqueens, die an diesem Sonntag über die Deutzer Brücke stöckeln, haben sich eine Miss Iran und eine Miss Saudi-Arabien gemischt, eine Miss Nigeria und eine Miss Sudan. Mit ihren Schärpen wie aus einem Schönheitswettbewerb erinnern sie an jene mehr als 70 Staaten, in denen Homosexualität unter Todesstrafe steht oder als Verbrechen gilt – auch heute noch.

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