Bombenfunde in Köln-EhrenfeldSo verzögerten Jogger und Spaziergänger die Blindgänger-Entschärfung

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Zwei Einsatzkräfte des Ordnungssamtes klingeln an einer Haustür bei einer Evakuierung nach einem Bombenfund in Köln.

Einsatzkräfte des Ordnungssamtes bei einer Evakuierung nach einem Bombenfund in Köln. (Symbolbild)

An der Moltkestraße brachten Ordnungsamts-Einsatzkräfte einen renitenten Anwohner erst mit Dauerklingeln zur Aufgabe.

Zum zweiten Mal in einer Woche mussten tausende Menschen aus Ehrenfeld am Mittwoch bis spätabends ihre Wohnungen verlassen, weil im Grüngürtel eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden war. Fast zwei Stunden dauerte diesmal allein die Entschärfung – ungewöhnlich lange. Normalerweise sind die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes nach wenigen Minuten fertig.

Doch diesmal lag eine amerikanische Zehn-Zentner-Bombe unter dem Asche-Sportplatz des Gymnasiums Kreuzgasse, einer ehemaligen Mülldeponie. Das Gelände ist kontaminiert, die Entschärfer mussten in Schutzkleidung und mit Atemschutzmasken arbeiten. Zudem hatte der Sprengkörper gleich zwei Zünder, die unschädlich gemacht werden mussten. Und: Vor dem Abtransport musste die entschärfte Bombe, die jahrzehntelang im kontaminierten Boden gelegen hatte, noch gereinigt und eingeschweißt werden.

Nur weil einer sich weigert, dauert es für tausende andere länger.
Florian Westerhausen, Einsatzleiter Ordnungsamt

Aber nicht nur diese erschwerten Bedingungen verzögerten den Vorgang. Erneut, wie schon bei der Entschärfung vor einer Woche an fast identischer Stelle, stellten uneinsichtige Kölnerinnen und Kölner die Geduld der Einsatzkräfte des Ordnungsamtes und der diesmal 2500 evakuierten Ehrenfelder auf eine Geduldsprobe. Es seien immer wieder einzelne Störer, die die Evakuierungsmaßnahmen hinauszögerten, sagt Florian Westerhausen am Tag danach, der beide Einsätze für das Ordnungsamt geleitet hat. „Nur weil einer sich weigert, dauert es für tausende andere länger.“

Auch Eltern machen vor Absperrungen nicht halt

Diesmal seien es weniger Bewohnerinnen oder Bewohner gewesen, die sich geweigert hätten, ihre Häuser zu verlassen, als vielmehr Spaziergänger, Joggerinnen und Hundebesitzer im Grüngürtel, die Probleme machten. Man habe sich zeitweise ein „Katz-und-Maus-Spiel“ mit jenen geliefert, die sich partout nicht an die Absperrungen halten wollten, sagt Westerhausen. „Manche Menschen sind egoistisch, was ihre Gewohnheiten betrifft. Die wollen sich da nicht von einem Flatterband aufhalten lassen.“

Auch Eltern seien darunter gewesen, die sich offenbar fest vorgenommen hatten, den Mittwochnachmittag mit ihren Kindern am Wasserspielplatz im Grüngürtel zu verbringen – Bombenfund hin oder her. Mit viel Geduld und Überzeugungskraft mussten die Ordnungskräfte die Menschen dazu bringen, den Park zu verlassen.

Ein Fahrzeug des Ordnungsamtes sperrt eine Straße im Belgischen Viertel.

Evakuierung im Belgischen Viertel nach einem Bombenfund auf dem Gelände des Gymnasium Kreuzgasse am 5. Oktober 2023.

„Im Rahmen der Gefahrenabwehr müssen wir tätig werden“, erklärt Westerhausen. „Wir dürfen die Entscheidung gar nicht einer Person selbst überlassen. Es handelt sich hier ja nicht um ein Sommerfest, sondern um ein gefährliches Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg, in diesem Fall eine amerikanische Zehn-Zentner-Bombe, die dafür gebaut worden ist, möglichst viele Gebäude zu zerstören.“ Der Ordnungsdienst sei dafür verantwortlich, dass der Gefahrenbereich zum Zeitpunkt der Entschärfung frei von Menschen sei.

Köln: Wer eine Evakuierung verweigert, riskiert ein Bußgeld

Besonders anstrengend werde es immer dann, wenn jemand eine Absperrung kurz vor der Freigabe durchbreche, wenn es also auf die Entschärfung zugeht und der zu evakuierende Bereich schon geräumt ist. „Dann geht plötzlich in einem Haus das Licht an, und dann müssen wir da hin und die Sache aufklären. Wenn es schnell geht, dauert so etwas 15 Minuten. Wenn derjenige nicht öffnet oder sich weigert zu gehen, dauert es länger“, schildert Westerhausen.

Vor der Entschärfung im Grüngürtel in der vorigen Woche habe sich etwa ein Anwohner der Moltekstraße beharrlich geweigert, seine Wohnung zu verlassen. Er habe sogar damit gedroht, die Polizei zu rufen. „Aber die Kolleginnen und Kollegen haben dann so lange geklingelt, bis er aufgegeben hat.“ Verweigerern droht ein Bußgeld bis zu 1000 Euro. Ordnungsdienst und Polizei dürfen im äußersten Fall auch körperlichen Zwang anwenden.

Um bei der Evakuierung niemandem im Gefahrenbereich zu übersehen, hat der Ordnungsdienst vor allem in unübersichtlichen Parks und Grünflächen schon auf Drohnen gesetzt – oder wie zuletzt in der Nähe des Rhein-Energie-Stadions auf einen Hubschrauber mit Wärmebildkameras. Bei Einsatzleiter Westerhausen weckte diese Maßnahme Assoziationen zu einer prominenten Kölner Kult-Millionärsfamilie aus dem Reality-Fernsehen. „Einen Hubschrauber anzufordern“, sagt Westerhausen scherzhaft, „da fühlt man sich fast so wie bei den Geissens.“

Mit den beiden Entschärfungen diese und vorige Woche ist die Gefahr für die Anwohner des Grüngürtels allerdings noch nicht gebannt. Sie müssen sich auf weitere Evakuierungen gefasst machen. Denn es stehen neue Sondierungen des Geländes rund um die Kreuzgasse an. Das Gymnasium soll demnächst aufwändig saniert werden. Anhand von alten Luftbildern der Alliierten aus dem Zweiten Weltkrieg hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst bereits weitere Verdachtspunkte ausgemacht, wo Blindgänger liegen könnten. Die Stellen werden demnächst näher untersucht.

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