Kunsthandwerk aus Köln-EhrenfeldDrahtflechterei verlässt die Körnerstraße

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In der Drahtflechterei gibt es neben Kunsthandwerk auch Kerzen, Blumen und Dekoartikel.

Köln-Ehrenfeld – Während die Gentrifizierung in Ehrenfeld stetig voranschreitet, konnte sich die Körnerstraße dieser lange Zeit widersetzen - sie ist eine Art gallisches Dorf der Alternativen und Kreativen, der ‘Unbeugsamen’, wenn man bei den Asterix-Vergleichen bleiben möchte. Aber auch für die Körnerstraße „wird es langsam eng”, wie Marko Rettig sagt: „Ein Haus nach dem anderen fällt Investoren in die Hände, die sich nur am Gewinn orientieren.”

Seit 2013 betreibt der 58-Jährige zusammen mit Stefanie Halbauer „Die Drahtflechterei” auf der Ecke zur Stammstraße. Am 31. Januar werden die beiden das Eckhaus mit dem türkisen Anstrich und der grünen Markise nun aber verlassen.

„Die Preise steigen ins Unermessliche"

Rettig und Halbauer wohnen selbst in der Körnerstraße, nur wenige Meter von ihrem Geschäft entfernt. Sie erleben die Veränderungen in der Straße - aber auch im Veedel - hautnah mit und beobachten diese kritisch: „Die Preise steigen ins Unermessliche, viele Nachbarn ziehen weg”, erzählen sie. Darunter leide auch das Leben in der selbstbewussten Körnerstraße, in der sich auch abseits von Straßenfest und Winterbasar viele Anwohner und Geschäftsleute engagieren: „Wer sich die Preise aber noch leisten kann, der hat andere Dinge im Kopf”, so Rettig.

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Stefanie Halbauer und Marko Rettig: „Wir hoffen, dass sich die Körnerstraße erhalten wird."

Eigentlich ist Rettig gelernter Koch und Küchenchef, reiste viel durch Europa und zog zum Beginn der 2000er schließlich nach Finnland, in dem er familiär verwurzelt ist. Dort machte er die Bekanntschaft mit einem Handwerk, das im Nachkriegs-Deutschland an Bekanntschaft verloren hatte: Die Drahtflechterei. Dabei werden Drahtstücke in filigraner Handarbeit zu künstlerischen Alltagsgegenständen geflochten, etwa zu Kleiderhaken oder Kerzenhaltern. Davon angetan begann Rettig schließlich selbst damit, erste Stücke aus Draht zu formen: „Anfangs habe ich nichts davon verkauft, aber ich blieb dabei”, so Rettig, der sich neben der Drahtflechterei mit seiner Profession als Koch über Wasser hielt: „Irgendwann aber hatte ich dann Dreh raus, meine Arbeiten wurden sehr beliebt und ich habe gut verkauft.”

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Nach dem Zweiten Weltkrieg galt die Drahtflechterei in Deutschland als ausgestorben.

Im Anschluss zog Rettig mit seinem Handwerk durch die Länder Europas, in denen die Drahtflechterei noch immer populär war, wie etwa in Frankreich. Auf der Durchreise besuchte er dann Köln, bekam eine Wohnung angeboten und blieb. Zunächst stellte er seine Arbeit auf Weihnachtsmärkten und Straßenfesten aus. So auch auf der Körnerstraße, wo er 2013 dann eine feste Bleibe für seinen Laden fand, in dem er neben Drahtkunst auch Blumen und Dekoartikel anbietet - oder angeboten haben wird: „Wir haben uns entschlossen auszuziehen”, sagt Stefanie Halbauer, „dabei spielen auch die Veränderungen im Viertel eine Rolle, der Hauptgrund aber ist ein anderer”, so die 41-Jährige.

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Vielmehr wollen Halbauer und Rettig näher in der Natur sein, ein Häuschen mit integrierter Werkstatt und einem Garten für die Blumenzucht beziehen. Gefunden haben sie ihr neues Domizil in Frankreich, genauer in Dabo, einem kleinen Ort in den pittoresken Vogesen: Dort werden sie ihre Drahtflechterei unter dem Namen „Maison fil de fer” fortsetzen. Einen Nachmieter für ihr Geschäft in Ehrenfeld aber haben sie auch schon gefunden - in dieses wird ein kleiner Laden für italienische Lebensmittel einziehen, „der gut in die Nachbarschaft passen wird”, so Rettig und Halbauer: „Wir sind guter Dinge und stehen in den Startlöchern”, erklären sie, „und wir hoffen, dass sich die Körnerstraße in ihrer Form erhalten wird.”

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