Gewölbekeller in Köln-EhrenfeldSchattenreich der Schokoladenfabrik

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (2)

Früher lagerte im Gewölbekeller Bier, heute regiert der Verfall.

  • Der oberirdische Teil des sonderbaren Gebäudes an der Roßstraße 12-14 in Ehrenfeld beherbergt trendige Lofts und Künstlerateliers.
  • Unter der Erde hängen verrostete Rohre hängen an Wänden, deren Putz schon mal besser in Schuss war.

Ehrenfeld – Es gibt ein Oben und ein Unten, eine sichtbare und eine verborgene Welt. Und beide sind nicht gerade bescheiden in ihren Ausmaßen. Der oberirdische Teil des sonderbaren Gebäudes an der Roßstraße 12-14 in Ehrenfeld beherbergt trendige Lofts und Künstlerateliers, wo früher Bier gebraut und Schokolade produziert wurde. Es ist ein wichtiges Stück Ehrenfelder Industriegeschichte, von der das denkmalgeschützte Fabrik-Ensemble erzählt – erbaut 1890 und 1928 mit vielen kleinen und großen Besonderheiten.

Gänge verbinden die Gewölbe.

Gänge verbinden die Gewölbe.

Der unterirdische Kosmos des Komplexes hat die Fantasie schon vieler Menschen beflügelt. Durch eine kleine Seitentür geht es über eine schmale Treppe hinab in einen 35 mal 40 Meter großen Gewölbekeller, der sich unter einem Park hinter der ehemaligen Schokoladenfabrik ausbreitet – unsichtbar für alle Passanten und doch oft Gegenstand hitziger Diskussionen. Mal sollten Ausstellungsräume hier entstehen, mal eine Tiefgarage oder ein Eventkeller. Ideen gab es reichlich, daraus geworden ist nichts.

Vor dem Sudturm steht der „Putzbau“ von 1928: Alte Aufnahme der Firma Kwatta.

Vor dem Sudturm steht der „Putzbau“ von 1928: Alte Aufnahme der Firma Kwatta.

Die große Leere

Muffig und kühl ist es in diesem Schattenreich, verrostete Rohre hängen an Wänden, deren Putz schon mal besser in Schuss war. Die Neonleuchten im Eingangsbereich sind zu schwach, um die vier hallenartigen, etwa 30 Meter langen Räume komplett zu erhellen. Walter Buschmann schließt eine Baulampe an. Erst jetzt werden die Dimensionen der Gewölbe erkennbar: In jeder Halle hätte der Rumpf einer Boeing 737 Platz. Stattdessen: große Leere. Es bleibt viel Raum für neue Nutzungs-Ideen.

Zugangstür zu einem der vier Tonnengewölbe

Zugangstür zu einem der vier Tonnengewölbe

Der Gewölbekeller war ursprünglich Teil der Rhenania-Brauerei, die 1890 an der Roßstraße errichtet wurde und deren Sudhaus aus Backsteinen noch heute den linken und höheren Teil der roten Riegelbebauung ausmacht. „Im Keller wurde das Bier kühl gelagert“, sagt Industriedenkmalpfleger Walter Buschmann. Wobei Keller wie diese in den Städten des 19. Jahrhunderts immer zu Brauereien gehört hätten. Gründer der Rhenania-Brauerei sei Kommerzienrat Jacob Wahlen gewesen, der zusammen mit seinem Vater Johann Wahlen den Ausbau des einstigen Kölner Vororts Ehrenfeld im 19. Jahrhundert entscheidend vorangetrieben habe. „Als Eigentümer einer Ziegelei hat Johann Wahlen dafür gesorgt, dass Straßen angelegt und Wohnhäusergebaut wurden“, so Buschmann. Sohn Jacob setzte die Geschäfte seines Vaters fort, betrieb mehrere Ziegeleien und förderte die Industrialisierung Ehrenfelds, indem er zum Beispiel das Grundstück für den Ehrenfelder Bahnhof unentgeltlich hergab.

Die sogenannten „Bayview“-Fenster

Die sogenannten „Bayview“-Fenster

Die Brauerei, von der auch noch ein Verwaltungsgebäude links des Sudturms steht, blieb nur bis 1902 in Jacob Wahlens Besitz. Dann wurde sie von der Adler-Brauerei aufgekauft, die wiederum während des Ersten Weltkriegs wegen Rohstoff-Knappheit den Betrieb einstellen musste. Einige Jahre blieb der Industriekomplex ungenutzt, bis in den 1920er Jahren die niederländisch-belgische Schokoladenfirma Kwatta das Kommando übernahm. Aus dieser Zeit steht aber nur noch der sogenannte Putzbau rechts neben dem mächtigen Sudturm. An der Fassade prangt noch immer der Schriftzug der „Deutschen Kwatta – Kakao- und Schokoladenfabrik“, Produzent von Schokolade aller Art, Nougat, Krokant und Pralinen. 1928 entstand dieses Bürogebäude, das Walter Buschmann dem Art-Déco-Stil zuordnet – einer im angelsächsischen Raum gebräuchlichen Variante der „Bauhaus“-Architektur. Aus diesem Kulturkreis stammten wohl auch die für Deutschland eher untypischen „Bayview“-Fenster mit ihren kleinen Erkern.

„Ein typischer Industriebau“

Der Sudturm daneben wiederum sei mit seinen kleinen Ecktürmen ein Vertreter der sogenannten Malakow-Architektur, die sich aus dem Festungsbau entwickelt habe. „Das ist ein typischer Industriebau“, sagt Walter Buschmann, der sich freut, dass es ihn noch gibt. Denn in den 1980er Jahren sollte das Ensemble abgerissen werden, was der Denkmalschutz in letzter Minute verhindert habe. Schokolade wurde an der Roßstraße schon seit 1964 nicht mehr hergestellt, stattdessen fanden Künstler Geschmack an dem Gelände. Als die Stadt in den 1980er Jahren das Areal kaufte, wurden marode Gebäudeteile abgerissen und neu bebaut. Nur der rote Riegel an der Roßstraße blieb stehen. Während der Backsteinturm Heimat von Künstlern wurde, ging der Putzbau an eine Eigentümergemeinschaft über, die schicke Büros, Ateliers und Wohnungen einrichtete.

Ehemalige Kwatta Fabrik in Köln-Ehrenfeld beherbergt Künstlerateliers

Ehemalige Kwatta Fabrik in Köln-Ehrenfeld beherbergt Künstlerateliers

Architekt Thomas Errenst gehört die obere Etage des Putzbaus, zu erreichen über eine Stahltreppe an der hinteren Fassade. Große Räume, deren Decken von einer speziellen Stahlbetonkonstruktion getragen werden, machen sein Zuhause zu etwas Beneidenswertem: „Mitten in Köln mit so viel Platz zu leben, ist schon ein Geschenk“, sagt Errenst, bevor es hinab in die unterirdischen Hallen der Roßstraße geht.

KStA abonnieren