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Kölner Kultkneipe feiert 175-JährigesBei Jussi in Bickendorf trifft sich das Veedel

Lesezeit 5 Minuten
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Gustav "Jussi" Pesch in seiner Kneipe

Bickendorf – Trainingsanzug, kölscher Witz und ein markantes Lachen – in Bickendorf ist Gustav Pesch, besser bekannt als „Jussi“, längst ein bunter Hund. Der 65-Jährige steht seit 1975 hinter der Theke der Gaststätte „Haus Thomas“ in der Rochusstraße und kennt das Veedel und seine Menschen wie kein Zweiter: „Das Gemeinschaftsgefühl ist hier sehr groß und die Kneipe ist wie ein Treffpunkt, es ist, als käme man nach Hause “, sagt Jussi, der das Familienlokal in sechster Generation betreibt. Er hat die Konzession von seiner Mutter vermacht bekommen – dabei war er zunächst gar nicht für den Gaststättenbetrieb vorgesehen.

A-Jugend des 1. FC Köln

Während seine sieben Schwestern und Brüder nämlich schon früh in der Wirtschaft mit anpackten, stand Jussi als Jugendlicher auf dem Fußballplatz. Er spielte zunächst für die A1-Jugend des 1. FC Köln, später für Fortuna: „Ich war aber mehr der Techniker und nicht so robust wie die anderen Jungs“, erzählt der Kneipier, „ich habe nur 60 Kilo gewogen und war zierlich wie ein Rehlein. Deswegen konnte ich nicht mehr in der Mannschaft spielen.“ Für ihn sei damals eine Welt zusammengebrochen: „Nach dem Aus meiner Fußballkarriere, war mein Leben für mich eigentlich schon vorbei“, erinnert er sich. In den 1970er Jahren, mit 19 Jahren, tauschte er den Ascheplatz gegen die elterliche Kneipe: „Meine Rettung war die Schule“, sagt Jussi und meint das Bickendorfer Montessori-Gymnasium schräg gegenüber.

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Feierabend-Bier bei Jussi

Schüler bekamen für eine Fünf Gratis-Kölsch

Dieses hatte damals in den 70ern kurz zuvor den Betrieb aufgenommen und sollte bald einen wichtigen Kundenstamm der Gaststätte stellen: „Ich war ja selbst noch sehr jung und habe mich deswegen gut mit den Schülern verstanden“, erzählt Jussi mit einem spitzbübischen Grinsen.Damals gab es einen Eiswagen in Bickendorf, dessen Besitzer jeden Schüler für eine Eins auf dem Zeugnis mit einem Gratis-Eis belohnte: „Da habe ich mir gedacht, dass ich den Spieß mal umdrehe“, erzählt Jussi. Für jede Fünf auf dem Zeugnis spendierte Jussi ein Kölsch, für jede Sechs einen Stiefel: „Da kamen die alle mit ihren grottenschlechten Zeugnissen zu mir und wollten ihr Freibier haben“, lacht Jussi, der diese Tradition fortan über Jahre hinweg pflegte. Die Schüler kamen zukünftig auch in den Pausen, tranken Kaffee und erledigten ihre Schularbeiten im Schankraum: „In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben sie sogar mal einen Zebrastreifen auf die Straße gemalt, damit sie schneller über die Straße zu mir konnten.“

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Das Bild zeigt die Kneipe um das Jahr 1910

Irgendwann aber gab es Ärger. Ein Schüler kam in der Pause zu Jussi, trank ein Bier und prahlte anschließend damit bei einer Lehrerin: „Da standen wir kurz davor, den Laden dicht machen zu müssen“, erinnert sich Jussi. Ein Brief seines Vaters konnte die Wogen zwar glätten, doch wurde es nach diesem Vorfall etwas ruhiger.

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Das Grundstück, auf dem die Gaststätte steht, wurde im 19. Jahrhundert von dem Engländer Lambert Thomas erworben, der das Areal landwirtschaftlich nutzte. Nach Lamberts Tod ging das Grundstück an seinen Sohn Georg, der aber in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Das Erzbistum übernahm das Areal, überließ Georg jedoch eine Parzelle und stellte ihm die Konzession für eine Gaststätte aus. 1846 gründete Georg das Haus Thomas, das nun sein 175-jähriges Bestehen feiert: „Das Haus hat im Laufe der Zeit eine Menge mitgemacht – es hat Seuchen und zwei Weltkriege überlebt“, erzählt Jussi, „und jetzt auch noch die Corona-Pandemie. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Lokal von einer Fliegerbombe getroffen und zerstört.

Beliebt bei Soldaten

Nach dem Wiederaufbau 1950 war das Haus Thomas dann bei belgischen und englischen Soldaten beliebt, die hier nicht nur tranken, sondern auch ihre Streitigkeiten mit Fäusten zu lösen versuchten: „Dann hat meine Großmutter immer für Ordnung gesorgt, vor ihr hatten sie alle großen Respekt“, erzählt Jussi, dessen Familie über der Kneipe wohnte. Er erinnert sich besonders gut an die Karnevalstage: „Es liefen immer dieselben Lieder in Schleife. Wir lagen als Kinder oben im Bett und konnten sie bald alle auswendig.“ An manchen Abenden saßen auch Jussi und seine Geschwister im Schankraum, spielten Skat wie die Großen und amüsierten sich über die Betrunkenen: „Es war aber nicht so, dass die Kneipe kein guter Ort für uns war. Es war eine schöne Zeit, weil so viele Generationen zusammen kamen.“

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Der Schankraum ist seit Jahrzehnten unverändert.

Im Haus Thomas scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Der Fußboden ist zwar neu, die rustikalen Holzvertäfelungen und die Theke aber zeugen noch heute von der Nachkriegszeit und den wilden 70ern. Auch die Gäste sind noch dieselben wie vor 40 Jahren: „Heute kommen noch immer ehemalige Schüler vom Monte vorbei und trinken hier ihr Kölsch“, weiß Jussi. Viele Stammgäste bitten ihn sogar, nichts in dem Lokal zu verändern. „Wenn die Kneipe irgendwann weg sein sollte, würde hier im Veedel etwas fehlen“, meint der 65-Jährige. Deswegen soll sein Sohn irgendwann das Ruder übernehmen und den Familienbetrieb in der nächsten Generation fortführen: „Hier geht man nicht in Rente, hier stirbt man mit“, sagt Jussi und lässt den Blick durch den urigen Schrankraum schweifen: „Ich höre oft, dass ich mal ein Buch schreiben sollte, aber dann hätte ich ja nichts mehr zu erzählen.“

Restauration Haus Thomas „Bei Jussi“, Rochusstraße 106, geöffnet montags bis samstags ab 17 Uhr