Satellitenbilder als KunstwerkeDie Poesie der Landschaft von oben

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Claudius Diemer

Köln-Ehrenfeld – Landkarten, ein Globus und erst recht Satellitenbilder üben auf viele Menschen eine eigenartige Anziehungskraft aus. Es ist eine besondere Art von Fernweh, die dann aufsteigt und den alten Traum des Ikaros wachruft: So hoch steigen zu können, dass Städte, Inseln, ja ganze Länder und Erdteile komplett in den Blick kommen. Der Betrachter fliegt an Küstenlinien entlang, erkennt vielleicht Flussläufe, Berge oder Städte. Man überwindet im Geiste Distanzen wie mit Siebenmeilenstiefeln oder ist einfach nur fasziniert von den kunstvollen Mustern und Strukturen aus Wasser, Sand, Felsen, Wald, Straßen und Gebäuden.

Claudius Diemer hatte viele Jahre lang einen ganz anderen Blick auf solche Bilder. Der gelernte Geograf erkannte Prozesse in der Natur oder der Bevölkerungsentwicklung, wenn er Bilder von der Erde anschaute, die aus vielen hundert Kilometern Entfernung mit Satellitenkameras aufgenommen wurden. Auch die Auswirkungen der vom Menschen geschaffenen Großprojekte sind durch die Fernerkundung, die das Pendant zur Mikroskopie darstellt, werden dann oft erst sichtbar. „Man erkennt, wie verwundbar die Erdoberfläche ist“, sagt Claudius Diemer.

Ende Juni ist Schluss

Mehr und mehr jedoch erkannte er den ästhetischen Reiz dieser Aufnahmen. 2006 gründete Diemer die „albedo39 Satellitenbildwerkstatt“ in Monschau (siehe Info-Kasten).

Im April 2010 zog er nach Ehrenfeld. Der kleine Laden in der Philippstraße 30 fügte sich neun Jahre lang bestens in die Kreativszene des Viertels ein. Mitte des Jahres ist jedoch Schluss. Claudius Diemer will den Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf Dienstleistung rund um das Satellitenbild legen. Bis Ende Mai sind noch Bestellungen von Druckerzeugnissen möglich. Im Monat Juni erfolgt dann der Ausverkauf.

Etwa 300 Bildmotive hat Diemer im Programm. Zu den Bestsellern gehört natürlich Köln. Gerne genommen werden auch Inseln: Kuba, Mallorca und Teneriffa beispielsweise, aber auch die Ostfriesischen Inseln oder Island. „Es sind oft Orte, mit denen die Menschen etwas verbinden. Entweder waren sie schon mal da, oder wollen einmal dort hin“, erklärt Claudius Diemer. „Das ist dann so, als wenn man sich ein Foto des oder der Geliebten aufhängt.“ Vom 20 mal 20 Zentimeter Bild bis zum wandfüllenden Großformat reicht die Angebotspalette.

Beliebt sind Bilder von Köln und Mallorca

Viele Menschen kämen allerdings in seinen Laden mit der falschen Vorstellung, dass doch irgendwann einmal so ein Satellit über das Gebiet ihrer Wahl geflogen sein müsste und dabei ein Bild gemacht hat. Dieses hätten sie dann gern. „Leider ist es nicht so einfach“, lächelt der 49-Jährige. Tatsächlich sind die meisten Bildmotive, die er anbietet, aus einer Vielzahl von Einzelaufnahmen entstanden. „Sie wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen, die manchmal sogar Jahre auseinander liegen können“, erklärt der Geograf.

Seine Arbeit besteht darin, die Bilder, die er von den Weltraumbehörden (NASA, ESA) bezieht, wie in einem Mosaik so zusammenzufügen. Unterschiedliche Helligkeiten oder Farbtönungen sowie Verzerrungen werden dabei so ausgeglichen, dass ein harmonischer Gesamteindruck entsteht. Trotz jahrelanger Routine und standardisierter Abläufe ist es immer noch ein großer Zeitaufwand. Neben den Kunden, die – möglichst gut erkennbar – ihr liebstes Fleckchen Erde mit nach Hause tragen oder verschenken möchten, gibt es auch viele, die den dekorativen Aspekt der Motive schätzen. Bei manchen Ausschnitten ist dabei auf den ersten Blick gar nicht mal zu erkennen, dass da ein Teil der Erde zu sehen ist.

Die Muster von Küstenlinien oder Flussläufen, die Strukturen von Gebirgs- oder Wüstenlandschaften sowie das Farbenspiel von Wasserflächen üben seit jeher die eigentliche Faszination auf Claudius Diemer aus. Bewusst wählte er eine matte Oberfläche für seine Drucke, auf der Strukturen besser zur Geltung kommen. „Die Natur ist der Künstler“, bringt es der Geograf auf den Punkt. Damit hat er Beiträge zu diversen Buchtiteln liefern können.

Zu seinen Kunden zählen Wissenschafts- und pädagogische Verlage. Auch Referenten oder Fachjournalisten fragen nach Aufnahmen für Präsentationen. Aktuell ist beispielsweise eine Bildsequenz gefragt, die die Entwicklung des Hambacher Forsts bei Kerpen von den 1970er Jahren bis heute zeigt. „Das ist dann die politische Dimension, die die Fernerkundung natürlich auch haben kann“, sagt Diemer, der sicher ist, dass er auch nach Schließung der Werkstatt genügend Menschen mit seinen Satellitenbildaufbereitungen erreichen kann.

AUSVERKAUF BIS JUNI

Albedo 39 bezeichnet den Mittelwert der Sonnenreflexion der Erde. Je höher der Wert, desto mehr Licht wird reflektiert. Schneeflächen haben also den höchsten, Wasser den niedrigsten Wert. Die Geschäftsidee der Satellitenbildwerkstatt erhielt 2006 beim Innovationswettbewerb Neues Unternehmertum Rheinland einen der Hauptpreise. Bei Räumungsverkauf im Juni gibt es Ausstellungsstücke, Restposten, Zweite-Wahl-Artikel, Test- und Fehldrucke und ähnliches zu stark reduzierten Preisen. (Rös)

Albedo 39, Philippstraße 30, 50823 Köln, 0221/94966830 www.albedo39.de

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