Erdbeben in der Türkei und SyrienHelfer aus NRW suchen im Katastrophengebiet in den Trümmern

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Zu sehen sind Rettungskräfte und Rettungshündin Hope mit beigem Fell und schwarzem Halsband. Alle wartet auf dem Flughafen Köln/Bonn auf den Abflug.

Rettungshündin Hope wartet auf dem Flughafen Köln/Bonn auf den Abflug. Rettungskräfte von ISAR Deutschland aus Nordrhein-Westfalen auf dem Weg in das Krisengebiet.

Vom Flughafen Köln/Bonn aus gestartet sind Rettungskräfte mit Hunden von ISAR Deutschland am Dienstag im Erdbebengebiet gelandet. Auch THW und Malteser sind unterwegs.

Nicht zu wissen, was ihn im Katastrophengebiet genau erwartet, zählt für Heiner Guevarra (57) zur Einsatzroutine. Am Dienstagvormittag ist der Rettungssanitäter aus Uelzen mit einem Team aus 42 Spezialisten, darunter Ärzte und Notfallsanitäter der Hilfsorganisationen International Search and Rescue (ISAR) und dem Bundesverband Rettungshunde (BRH) aus Duisburg auf dem Flughafen der türkischen Stadt Gaziantep gelandet. Dort seien auch schon einige Militärmaschinen mit Hilfsgütern eingetroffen.

An Bord der Maschine, die wenige Stunden zuvor vom Flughafen Köln/Bonn aus gestartet war, sind auch sieben Rettungshunde, mit denen sich die Einsatzgruppe per Bus sofort auf den Weg in die türkisch-syrische Grenzregion machen. In der stark beschädigten Stadt Kirikhan fehlt es bisher an professioneller Hilfe.

Rettungshundestaffel hat viel Erfahrung

„Angeblich sollen noch sehr viele Leute verschüttet sein“, berichtet Guevarra während der Fahrt mit dem Bus. „Dort wartet man dringend auf uns, weil wohl noch kaum ausländische Hilfe eingetroffen ist. Wir werden ungefähr zwei Stunden unterwegs sein, unser Lager aufbauen und gleichzeitig mit der Suche nach Verschütteten beginnen.“ Neben den Hunden werde dort auch spezielle Suchtechnik zum Einsatz kommen, unter anderem Horchgeräte, Bioradar und Sucherkameras, um Menschen unter den Trümmern zu finden.

„Uns gibt es jetzt seit 20 Jahren. In dieser Zeit haben wir schon mehrere solcher Einsätze geflogen“, sagt Guevarra. „Das ist für uns nichts Neues. Wir waren in Nepal, in Indonesien, in Haiti und auch schon in der Türkei. Außerdem bringe ich 37 Jahre Erfahrung im Rettungsdienst mit. Da ist man schon etwas abgeklärter.“ Wie lange der Einsatz dauern werde, hänge von der Lage ab. „Das können wir erst in zwei oder drei Tagen genau beurteilen.“

Heiner Guevarra von der Hilfsorganisation ISAR berichtet vom Einsatz vor Ort in der Türkei - er blickt in die Kamera und lächelt.

Heiner Guevarra von der Hilfsorganisation ISAR berichtet vom Einsatz vor Ort in der Türkei.

Anreise mit Hindernissen

Für das Hilfsteam der Malteser International mit Sitz in Köln ist schon die Anreise in das Katastrophengebiet mit Hindernissen verbunden. Ihre Chartermaschine in die Region, die am Montagabend von Frankfurt nach Gaziantep starten soll, wird kurzfristig gecancelt, weil es am Zielort wegen eines Wintersturms keine Landeerlaubnis gibt. Am Dienstag dann kann das Viererteam gemeinsam mit einer Gruppe des Technischen Hilfswerks (THW) von Köln/Bonn aufbrechen.

Das 50-köpfige Team der Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland (Seeba) ist im Auftrag der Bundesregierung unterwegs. THW-Präsident Gerd Friedsam sagt vor dem Abflug, derzeit bestehe „die größte Schwierigkeit“ darin, die Katastrophengebiete zu erreichen, da viele Flughäfen in der Region gesperrt seien. Nach einer „Phase der Rettung und Bergung von Verschütteten“ werde es darum gehen, die Überlebenden zu versorgen.

Unsere Mitarbeiter haben Höllen-Nächte hinter sich
sagt Janine Lietmeyer, Leiterin des Malteser-Flüchtlingsprogramms

Die Malteser können vor Ort auf eine eigene Logistik zurückgreifen, weil sie schon seit mehr als zehn Jahren in Nordwest-Syrien und der Türkei Flüchtlingshilfe leisten. „Wir haben dort 18 Mitarbeiter. Sie haben zwei Höllen-Nächte hinter sich, weil sie natürlich selbst betroffen sind“, sagt Janine Lietmeyer, die das Flüchtlingsprogramm der Malteser leitet.

„Die Lage ist wahnsinnig schwierig. Es hat in der ganzen Nacht zu Dienstag Nachbeben gegeben. Es ist kalt, wer ein Auto hat, versucht, dort zu schlafen.“ Die türkische Regierung und die Katastrophenschutzbehörde hätten zum Teil Gemeinschaftsunterkünfte wie ein nicht mehr genutztes Flüchtlingslager als Sammelunterkunft zur Verfügung gestellt. „Unser Team verteilt sich und versucht zu helfen, wo es nur geht“, sagt Lietmeyer.

Das Team bestehe aus syrischen und türkischen Mitarbeitern und sei es seit Jahren gewohnt, in einem Kriegsgebiet zu arbeiten. Sie sind für das Projektmanagement, Beschaffung und Logistik verantwortlich und könnten auf rund 900 Mitarbeiter von Partnerorganisationen in Syrien zurückgreifen, die vor Ort die medizinische Hilfe leisten.

„Ich will nicht sagen, dass das leidensfähig macht, aber eine gewisse Resilienz und Professionalität haben wir natürlich dort.“ Lietmeyer beschreibt die Lage als „Mischung aus einem Schockzustand und der Motivation, zu helfen. Sowohl auf türkischer, aber vor allem auf syrischer Seite, weil wir dort halt schon lange in der Vertriebenenhilfe arbeiten.“ Das sei für alle eine große Motivation, sehr schnell „ins Helfen und Tun zu kommen“.

Malteser können auf etabliertes Logistiksystem zurückgreifen

Glücklicherweise seien alle Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, die man zusammen mit syrischen Partnern in der Grenzregion betreibe, vom Erdbeben kaum betroffen. „Die Problematik in Syrien ist im Vergleich zur Türkei noch verschärfter, weil es weder eine funktionierende Regierung noch einen Katastrophenschutz gibt“, so Lietmeyer. Man verfüge über ein etabliertes Logistiksystem und beschaffe schon seit Jahren in der Türkei Medikamente und medizinisches Material, das auf dem syrischen Markt „vor allem in der Nordwest-Region“ nicht zu bekommen sei.

Deshalb bestehe das Malteser-Team, das von Köln/Bonn in die Region geschickt wurde, aus Nothilfe-Experten und einem Logistiker. „Sie sollen vor allem für die Koordination der Hilfen sorgen. Die Türken sind sehr stark und wollen die internationale Hilfe auch sehr gut koordiniert wissen. Wir arbeiten mit dem türkischen Katastrophenschutz und dem türkischen Roten Halbmond zusammen.“ Der Halbmond habe schon lange eine Art Scharnierfunktion zwischen die Hilfsorganisationen und der Regierung. „Der Halbmond hat schon Lager für Hilfsgüter festgelegt und kann uns dabei helfen, sie in die Krisenregion zu schaffen.“

Auch der Einsatz der ISAR-Rettungshunde muss genau geplant werden, Heiner Guevarra erklärt, wie die Suche mit den Tieren in den Trümmerfeldern läuft. „Sie müssen regelmäßig Pausen machen, können nicht vier oder fünf Stunden am Stück eingesetzt werden“, erklärt er. Sicherheit ist wichtig, auch bei den Suchen: „Wir kontrollieren das Ergebnis eines Hundes immer noch einmal mit einem zweiten Hund.“

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