Es ist sein LebenswerkManfred Gutfrucht plante die ICE-Strecke Köln-Frankfurt

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Gutfrucht

Manfred Gutfrucht hat die ICE-Trasse Köln-Frankfurt mit geplant.

Köln – Manfred Gutfrucht muss lachen, wenn er sich die Bedenkenträger ins Gedächtnis ruft, die der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und Frankfurt keine Chance gaben. Zum Beispiel der Fahrgastverband Pro Bahn, der sich überhaupt nicht vorstellen konnte, dass es Menschen geben könne, die schon vor knapp 20 Jahren 53,60 Euro für eine Fahrt in der 2. Klasse zwischen der Rhein- und der Main-Metropole zahlen, nur um eine Stunde Zeit zu sparen.

Bahn-Ingenieur Gutfrucht schon. „Ich war von dem Projekt überzeugt, seit ich damit in Berührung gekommen bin.“ Es war 1986, als der heute 63-jährige Ingenieur nach Abschluss seines Abendstudiums in der Neubaustrecken-Gruppe mit der Grundsatzplanung begann. Das waren wilde Zeiten. Den Hauptbahnhof der Bundeshauptstadt Bonn vom ICE-Netz abzuschneiden schien undenkbar. „Es gab da eine Variante mit einem Tiefbahnhof, einem Tunnel unter dem Rhein und von dort weiter Richtung Westerwald und Frankfurt", erinnert er sich.

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Bis heute hat Gutfrucht – mit Unterbrechungen – immer wieder mit dieser Rennstrecke zu tun, die mit ihrem Gefälle von bis zu 40 Promille und den engen Kurvenradien bei der Durchquerung von Taunus, Westerwald und Siebengebirge als technisches Meisterwerk gilt.

Debatte um die Magnetschwebebahn warf die Planungen zurück

„Der erste Strich zu dieser Planung stammte aus den 1960er Jahren. Ich war einfach nur froh, da mitmachen zu dürfen“, sagt Gutfrucht. „Es gab immer Hochs und Tiefs in all den Jahren. Wir haben aber nie den Punkt erreicht, dass wir Angst um unsere Arbeitsplätze haben mussten. Lediglich die Debatte um eine Magnetschwebebahn, die ja ein völlig anderes System gewesen wäre, hat uns eine Zeitlang zurückgeworfen.“

Warum Gutfrucht das alles erzählt? Weil vor 30 Jahren, im Juni 1991, mit der ersten Linie, 13 Stationen und 19 Zügen, die zwischen Hamburg und München über Kassel und Frankfurt pendelten, die Bahn ins ICE-Zeitalter raste. 30 Jahre später sind daraus 30 Linien, 330 Züge und 250 ICE-Halte im In- und Ausland geworden. 1,5 Milliarden Menschen haben die Züge in diesen 30 Jahren genutzt.

Eine Stunde geschenkt

Im Juli 2002 eröffneten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bahnchef Hartmut Mehdorn die neue Rennstrecke zwischen Köln und Frankfurt, die von den Kölnern so begeistert gefeiert wurde, als sei die Main-Metropole ab sofort ein Vorort von Köln. Das Motto damals: Wir schenken Ihnen eine Stunde.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass  Mehdorn die Bahn mit Macht und der Unterstützung der Politik an die Börse bringen wollte und deshalb nur noch im ICE-Tempo dachte. Der Regionalverkehr? Uninteressant, weil er keinen Gewinn abwirft.

Manfred Gutfrucht, der mit 15 Jahren und einer Bauzeichner-Lehre im Jahr 1973 noch bei der Deutschen Bundesbahn anfing, hält sich aus diesen alten Geschichten raus. Er ist Ingenieur, kein Verkehrspolitiker. Seit 2015 arbeitet er als Leiter der Technik und Verantwortlicher für alle Baumaßnahmen im Bezirk Köln daran mit, die jahrelangen Versäumnisse bei den Investitionen in den Regional- und S-Bahnverkehr aufzuholen.

Gutfrucht glaubt an eine Renaissance

Gutfrucht sucht lieber nach Lösungen als sich in die Verkehrspolitik einzumischen. Das hat er immer so gemacht und wenn einer die Probleme kennt, die es im Bahnknoten Köln noch zu beheben gilt, ist es Manfred Gutfrucht. Genugtuung verschafft ihm, dass die Bahn seit ein paar Jahren durch die Debatte um den Klimawandel eine Renaissance erlebt. „Ich glaube an das System Bahn", sagt er. „Mein Sohn hat schon gar kein Auto mehr."

Doch bis aus Einsicht in die Vernunft Begeisterung wird, müsse sich noch einiges tun, um die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Allein die Erweiterung des Kölner Hauptbahnhofs um einen S-Bahnsteig mit zwei Gleisen am Breslauer Platz sei ein äußerst komplexes Projekt. Bei 1200 Zügen täglich müsse man auf alle Feinheiten achten. „Wenn wir dort während der Bauphase für eine Zeit zwei Gleise wegnehmen müssen, um das Baufeld frei zu räumen, ist das keine Kleinigkeit.“ Ende 2022 soll die Planfeststellung beginnen. „Der Lenkungskreis mit der Stadt und den anderen Beteiligten wie dem Nahverkehr Rheinland funktioniert reibungslos.“

Ingenieure müssen überzeugen

Bei jedem neuen Bauvorhaben müsse man viel Überzeugungsarbeit leisten. Das weiß der 63-Jährige aus Erfahrung. „Das war bei den Bürgerversammlungen im Westerwald in den 1990er Jahren vom Grundsatz her nicht anders als heute bei beim Ausbau der S-Bahnlinie 11 zwischen Köln und Bergisch Gladbach“, sagt er. „Ingenieure sind auch ein Stück weit Verkäufer ihrer Leistungen.“ Die Bürger seien heute besser vernetzt und informiert, die Diskussionen erreichten „eine ganz andere Tiefe. Wir nehmen Hinweise auf, lassen sie in die Planungen einfließen. Wir haben bei der S 11 keinen Shitstorm erlebt.“

Eins freut Manfred Gutfrucht ganz besonders. Wenn er in zwei Jahren – vermutlich – nach 50 Jahren bei der Bahn in Rente geht, hat er zumindest dazu beigetragen, den letzten Makel an der ICE-Trasse Köln-Frankfurt zu beseitigen: Das Nadelöhr, in dem die Züge landen, wenn sie nach Köln rein- oder rausfahren. Der Ausbau des letzten Stücks südlich der Gummersbacher Straße bis in den Hauptbahnhof kommt. Endlich. Die Finanzierungsvereinbarung ist unterschrieben.

„Unsere Planung lag vor 30 Jahren schon vor. Jetzt lässt man sie aufleben.“ Warum das so lange gedauert hat, mag Gutfrucht eigentlich nicht beantworten. Das ist Verkehrspolitik und nicht sein Metier. Seine Vermutung: „Wahrscheinlich hat damals das Geld gefehlt.“ 

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