Die geplante Flüchtlingsunterkunft in Köln stößt auf Widerstand bei einigen der Anwohner.
Bedenken bei AnwohnernViele Fragen zu Flüchtlingsunterkunft im Agnesviertel

Die Bezirksregierung Köln informiert in der Agneskirche über die Nutzung der ehemaligen Oberfinanzdirektion als Geflüchteten-Erstaufnahmeeinrichtung.
Copyright: Arton Krasniqi
Soll die ehemalige Oberfinanzdirektion an der Riehler Straße für zehn Jahre in eine Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete umgewandelt werden? Wenn es nach der Mehrheit der Anwohner und Anwohnerinnen geht, die sich am Mittwoch beim Informationsabend der Bezirksregierung in der Agneskirche zu Wort meldeten, lautet die Antwort: Nein.

In der ehemaligen Oberfinanzdirektion an der Riehler Straße soll eine Flüchtlingsunterkunft entstehen.
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Doch die Entscheidung der Bezirksregierung, so zeigte sich in der voll besetzten Kirche, ist unumstößlich. Das löste in der zweieinhalbstündigen Veranstaltung, durch die Moderator Cengiz Yildirm führte, wiederholt Unmut aus. Unter anderem bei denjenigen aus dem Viertel, die die Interessengemeinschaft Neustadt-Nord/Villen-Viertel auf ihrer Seite weiß. Sie hatte vor dem Haupteingang der Kirche Flugblätter mit einer Auflistung der Gründe verteilt, die ihrer Ansicht nach gegen eine Nutzung des Gebäudeensembles als Flüchtlingsunterkunft sprechen. Die Argumente fanden sich in den vielen Wortbeiträgen des Publikums wieder.
Geflüchtete machen weniger als 0,8 Prozent der Gesamtbevölkerung Kölns aus
Zunächst hatte Kölns Sozialdezernent Harald Rau das Wort. „Ich sage Ihnen zu, dass wir auch die Perspektive derer im Blick haben, die hier wohnen“, unterstrich er und appellierte zugleich an die Hilfsbereitschaft der Kölner und Kölnerinnen: „Wir haben uns alle auf die Fahnen geschrieben, Menschen in Not unterzubringen.“ Zurzeit seien 9100 Geflüchtete in städtischen Einrichtungen untergebracht, das seien weniger als 0,8 Prozent der Gesamtbevölkerung Kölns. Sie seien relativ gleichmäßig über die Stadtbezirke verteilt, in der Innenstadt sogar leicht unterrepräsentiert. Die landeseigene Erstaufnahmeeinrichtung habe für die Stadt den Vorteil, dass die Kapazität von 500 Plätzen, ob belegt oder nicht, auf die für Köln festgelegte Aufnahmequote angerechnet werde.
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Geflüchtete sollen durchschnittlich sechs Wochen dableiben
Markus Hellwig, bei der Bezirksregierung für die Unterbringung, Betreuung und Versorgung von Asylsuchenden zuständig, präsentierte das Konzept der Einrichtung – vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Asylanträge deutlich gesunken ist.

Viele der Anwohner kritisieren die Entscheidung der Bezirksregierung.
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Vom Ensemble an der Riehler Straße werde nur das denkmalgeschützte Gebäude genutzt, allerdings ohne die dritte Etage. Aus baulichen Gründen sei das ebenfalls seit 2021 leerstehende Hochhaus nicht für die Unterbringung von Flüchtlingen geeignet. Die Zimmer würden mit zwei bis acht Personen belegt. Die Geflüchteten würden durchschnittlich sechs Wochen dableiben, versorgt und ärztlich untersucht, und die Asylverfahren würden eingeleitet. Danach wechselten die Menschen in zentrale Unterbringungseinrichtungen. Die Kinder würden vor Ort betreut, die Kommune müsse also keine Kita- und Schulplätze zur Verfügung stellen. Mit der Genehmigung des Bauantrags durch die Stadt sei in den nächsten Wochen zu rechen, sagte Hellwig. Die ersten Umbauarbeiten könnten im September oder Oktober dieses Jahres beginnen. Im Sommer 2026 solle die Einrichtung in Betrieb gehen.
Rau: Tue gut daran, vorbereitet zu sein
Vor allem Hauptdezernent Philipp Sieben, Kollege von Hellwig, hatte die Fragen aus dem Publikum zu beantworten – und laufend Kritik zu parieren. Ein wiederkehrender Einwand lautete, die Einrichtung sei wegen der sinkenden Flüchtlingszahlen verzichtbar; außerdem stehe mittlerweile fest, dass die Landesunterkunft für Geflüchtete in der Schönhauser Straße länger als geplant genutzt werde. Sieben entgegnete, das „Kapazitätsziel“ sei vom Land nun einmal vorgegeben; es brauche Plätze zum Ausgleich dafür, dass anderswo im NRW Einrichtungen schließen, zudem seien die aktuellen Zahlen nur eine „Momentaufnahme“. Sozialdezernent Rau pflichtete ihm bei: Die Lage könne sich rasch wieder ändern, denn „die Fluchtbewegungen in dieser Welt werden größer“. Man tue gut daran, darauf vorbereitet zu sein und Unterkunftsplätze vorzuhalten. Trotzdem forderte manch einer von den Anwesenden weiter hartnäckig, das Projekt noch fallen zu lassen.
Zahl von 110 Millionen Euro nicht bestätigt
Auch deshalb, weil der Umbau viel zu teuer sei, und dies bei einer zu erwartenden Unterbelegung. Mehrfach wurde aus dem Publikum die Zahl von 110 Millionen Euro genannt, ein Betrag, den die Vertreter der Bezirksregierung nicht bestätigen mochten. „Wir haben alle möglichen Optionen geprüft“, betonte Sieben, „der Aufwand ist vertretbar.“ Weitere Einwände betrafen die Sicherheit, verbunden mit der Sorge, die Nähe zum Drogenhotspot Ebertplatz könne sich ungünstig auswirken. Sieben sagte, für Ruhe innerhalb der Einrichtung sorge ein Sicherheitsdienst. Für das, was draußen geschehe, sei man nicht verantwortlich.
Rau: Kriminalität im Umfeld der Flüchtlingsunterkunft nicht gestiegen
Wolfgang Witt, Leiter der Polizeiwache Innenstadt, sagte auf der Basis bisheriger Erfahrungen: „Einen Zusammenhang zwischen Erstaufnahmeeinrichtungen und der Klientel am Ebertplatz kann ich nicht bestätigen.“ Rau fügte hinzu, ihm sei nicht bekannt, dass die Kriminalität im Umfeld der Flüchtlingsunterkunft Schönhauser Straße gestiegen sei. Doch das Unbehagen blieb in Teilen des Publikums. Es äußerte sich zum Beispiel in der Befürchtung, junge männlichen Flüchtlinge, von denen nicht wenige traumatisiert sind, stellten eine Gefahr für Frauen dar. Dezernent Hellwig sagte, zwar würden alleinreisende Männer die Mehrheit stellen, aber rund 40 Prozent seien Familien.
Vom Mangel an Außenflächen auf dem Gelände über die Zunahme des Verkehrs bis zur Wertminderung von Immobilien im Viertel reichten andere Bedenken. Und wiederholt wurde die Informationspolitik der Bezirksregierung moniert. Sie habe die Anwohner und Anwohnerinnen nicht von Anfang an einbezogen, sondern erst im Stadium der vollendeten Tatsachen. Zum Zweck der Veranstaltung der Bezirksregierung – der zweiten dieser Art – merkte Sieben an: „Das Projekt wird umgesetzt. Wir sind hier, um Ihnen die Rahmenbedingungen zu erklären.“ Von Hellwig war zu hören, es werde einen „Umfeldmanager“ für die Belange von Anwohnern und anderen Bürgern geben.
In der Minderzahl waren die befürwortenden Stimmen – die freilich ebenfalls Beifall bekamen. Ein Mann mahnte, man habe es mit „bitterarmen Menschen“ zu tun: „Ich bitte sie, sofern sie christlich sind, die Nächstenliebe zu aktivieren, und sofern sie nicht christlich sind, den Solidaritätsgedanken wiederzubeleben.“ Eine Frau echauffierte sich: „Wir sollten Menschen nicht unter Generalverdacht stellen, sondern stolz darauf sein, dass wir Menschen helfen können.“ Eine andere Besucherin sagte: „Irgendwo müssen die Leute hin. Wir sollten das Beste daraus machen.“